Hillary Clinton führt Donald Trump im TV-Duell der US-Präsidentschaftskandidaten zeitweise vor. Der Republikaner geht angezählt aus der Debatte - und ist dennoch längst nicht geschlagen.

Eine Analyse
Dieser Text enthält eine Einordnung aktueller Ereignisse, in die neben Daten und Fakten auch die Einschätzungen von Patrick Mayer sowie ggf. von Expertinnen oder Experten einfließen. Informieren Sie sich über die verschiedenen journalistischen Textarten.

100 Millionen Amerikaner schauten zu. Dabei, wie Hillary Clinton ihren Widersacher Donald Trump im ersten TV-Duell im US-Präsidentschaftswahlkampf zeitweise förmlich auseinandernahm. Das Lager Trump sieht sich in die Ecke gedrängt. Bezeichnend: Ein Berater des Immobilienmoguls kritisierte die Auswahl der Fragen des Moderators Lester Holt. "Ich denke, er hätte eine andere Auswahl treffen können", sagte der frühere General Michael Flynn.

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Es ist, als schiebe jemand im Fußball dem Schiedsrichter die Schuld zu. Aus seiner Sicht habe Trump die Debatte gemeistert, meinte Flynn. Doch schnell zeigte sich: Nicht viele Beobachter teilten Flynns Meinung. Hat die Demokratin Clinton Trump etwa in nur einer TV-Debatte ausgestochen? Eine Analyse.

Hillary Clinton führt Donald Trump vor

Fatal: Selbst sein politischer Freund Rudolph Giuliani erklärte Trump zum Verlierer. "Ich versichere euch, dass Donald Trump bei der nächsten Debatte besser vorbereitet sein wird", schrieb der einstige New Yorker Bürgermeister auf Twitter – und brachte den maßgeblichen Vorwurf auf den Punkt. Die rasche Reaktion des Parteifreundes zeigt die Verunsicherung der Republikaner. In einer Blitzumfrage des Nachrichtensenders CNN sahen 62 Prozent der Befragten Clinton als Siegerin, nur 27 Prozent votierten für Trump.

Der reagierte auf seine Weise: Er habe gut abgeschnitten in den Umfragen, meinte der 70-Jährige, "außer bei CNN, was ich nicht gucke". Giuliani schrieb auf Twitter dagegen vielsagend: "Nur weil Hillary Clinton die erste Debatte gewonnen hat, bedeutet das nicht, dass sie Donald Trump morgen in den Umfragen schlagen wird."

Clinton nutzte die fahrige Argumentation ihres Kontrahenten, nannte eigene Vorteile gezielt: Etwa, dass sie - im Gegensatz zu Trump - 112 Länder bereist oder Friedensverträge unterzeichnet habe. Und sie brachte ihn zu Eingeständnissen. "Ich stimme zu, Frau Clinton hat Erfahrung, aber leider nur schlechte", meinte Trump taktisch unklug. Sie schwächte ihn auch angesichts seiner vermeintlichen Konzeptlosigkeit. Der beste Schachzug: Sie lud die Zuschauer zu einem Faktencheck auf ihre Homepage ein. Das verunsicherte Trump.

Hier knockte Clinton Trump aus

Trump verlor erst nach einer Dreiviertelstunde seine Souveränität, verhaspelte sich in Einwürfen wie: "Falsch, falsch!". Clinton konfrontierte ihn gewieft damit, dass er noch immer nicht seine Steuererklärung offengelegt habe, wie von Kritikern verlangt. Sie vermutete, weil er keine Einkommenssteuer zahlen müsse. Trump entgegnete: "Die Regierung würde mein Steuergeld ja sowieso nur verplempern." Eine Bestätigung? Er konnte sich zudem nicht vom Vorwurf des Rassismus freimachen.

Clinton erzählte, dass es ein Gerichtsverfahren gegeben habe, wonach eine von Trumps Immobilienfirmen nicht an Schwarze vermieten wollte. Trump konnte das nicht entkräften. Er taumelte. Als es um Cyber-Angriffe ging, verwies er auf seinen zehnjährigen Sohn, der "sehr gut am Computer" sei. Er wollte damit wohl zum Ausdruck bringen, dass Kinder besonders geschützt werden müssten. Er fand nicht die richtigen Worte.

TV-Debatten sind offenbar nicht Trumps Sache

Auffällig: Trump musste permanent schniefen, atmete laut. Eine Theorie auf Twitter lautete, dass er wohl gekokst habe. Nachvollziehbarer ist die Erklärung der Journalistin Amber Phillips von der "Washington Post". Sie meinte, Trump habe nachweislich Lampenfieber. Mehrfach sei das in der Vergangenheit zu beobachten gewesen.

Es war wie ein Tiefschlag. Trump habe Frauen als "hässliche Schweine" bezeichnet, schilderte Clinton, als "Schlampen", als "Hündinnen", als "Miss Piggy". Sie konnte die Zitate belegen, Trump sich nicht wehren - bezeichnend.

Die "New York Times" schrieb: "Eine hässliche Kampagne, die sich in einer Debatte spiegelt." Die "Washington Post" kommentierte: "Clintons Gerade drückt Trump in die Seile". Und die "New York Post" meinte: "Trumps Inkompetenz ist ein Schlag ins Gesicht seiner Unterstützer".

Fazit: Trump ist noch lange nicht geschlagen

"Haben Sie gemerkt, dass ich ein defektes Mikro hatte? Ich hatte ein Mikrofon, das nicht funktionierte!", sagte Trump in einem TV-Interview und fragte, ob "die das mit Absicht gemacht haben?" Diese Sturheit ist seine vielleicht größte Stärke - deshalb ist Trump noch immer im Rennen.

Auch während der Vorwahlen sah Trump in TV-Duellen nicht immer gut aus. Die Wähler bestraften das indes kaum. Trump bleiben zwei TV-Duelle, um den Rückschlag wettzumachen. Und die US-Wahl bleibt spannend - extrem spannend.

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