Auch die zweite Wahl binnen eines halben Jahres bringt für Benjamin Netanjahu nicht das gewünschte Ergebnis. Von Befreiungsschlag keine Spur: Israels Ministerpräsident steht laut ersten Zahlen noch geschwächter da als zuvor. Kommt jetzt die Koalition mit dem oppositionellen Mitte-Bündnis Blau-Weiß?
Nach der Parlamentswahl in Israel besteht nach Medienberichten weiter ein Patt zwischen der Likud-Partei des rechtskonservativen Ministerpräsidenten
Der Likud sowie Blau-Weiß von Ex-Militärchef Benny Gantz kommen nach Auszählung von mehr als 90 Prozent der Stimmen auf jeweils 32 Sitze, wie israelische Medien am Mittwochmorgen berichteten.
Wahlen in Israel: Gantz nur zu Koalition ohne Netanjahu bereit
Netanjahu hatte im Wahlkampf betont, er strebe eine rechts-religiöse Koalition an. Gantz ist nur zu einer großen Koalition ohne Netanjahu als Regierungschef bereit.
Als Grund nennt Gantz die Korruptionsvorwürfe gegen den 69-Jährigen, der seit 2009 Ministerpräsident ist. Nach einer Anhörung im Oktober droht Netanjahu eine Anklage in drei Korruptionsfällen.
Netanjahu sieht Israel an einem "historischen Punkt"
Netanjahu selbst zeigte sich siegesgewiss. Am frühen Mittwochmorgen kündigte er vor Anhängern in Tel Aviv an, er wolle in den kommenden Tagen Verhandlungen über die Bildung einer "starken Regierung" aufnehmen. Ziel sei es, eine "gefährliche, anti-zionistische Regierung" zu verhindern.
Israel befinde sich an einem "historischen Punkt" mit riesigen Chancen und Herausforderungen, "allen voran die existenzielle Bedrohung Israels durch den Iran und seine Ableger". Es dürfe keine Regierung entstehen, die sich auf "arabische, anti-zionistische Parteien" stütze, betonte der 69-Jährige.
Weiter Patt nach Parlamentswahl in Israel
Offizielle Angaben auf der Internetseite des israelischen Wahlausschusses gab es um 6.00 Uhr deutscher Zeit erst auf der Basis von rund 35 Prozent der ausgezählten Stimmen. Demnach kam der Likud auf 28,1 Prozent der Stimmen, Blau-Weiß auf 26,6 Prozent.
Der Wahlausschuss teilt die Ergebnisse stets in Prozent mit, während die Medien die Ergebnisse direkt auf Mandate umrechnen.
Nach Angaben des israelischen Fernsehsenders 13 kommt der rechts-religiöse Block derzeit auf 56 Mandate, der Mitte-Links-Block auf 55.
Gantz hofft auf endgültiges Wahlergebnis
Gantz sagte vor jubelnden Anhängern, man müsse geduldig auf die endgültigen Ergebnisse der Wahl warten. Dennoch werde man umgehend Kontakte zur Bildung einer "breiten Einheitsregierung" aufnehmen.
Er wolle in den kommenden Tagen mit Ex-Verteidigungsminister Lieberman und weiteren möglichen Partnern sprechen, sagte Gantz. Sein Ziel sei es, die israelische Gesellschaft wieder zu einen.
Liebermans Partei Israel Beitenu (Unser Haus Israel) erhielt acht bis neun Mandate. Er forderte am Dienstagabend eine "nationale, liberale, breite Regierung". Diese müsse aus seiner eigenen Partei, dem Likud und Blau-Weiß bestehen. Eine breite Koalition sei notwendig, weil Israel sich in einem Notstand befinde, erklärte Lieberman.
Das rechte Lager besteht aus Netanjahus konservativem Likud, der Jamina-Partei von Ex-Justizministerin Ajelet Schaked und den strengreligiösen Parteien. Die rechtsextreme Ozma Jehudit (Jüdische Kraft) scheiterte an der Sperrklausel von 3,25 Prozent.
Das Mitte-Links-Lager bildet sich aus Blau-Weiß, der Arbeitspartei, der Demokratischen Union und der Vereinigten Arabischen Liste. Die Vereinigte Arabische Liste wurde mit 11 bis 15 Sitzen drittstärkste Kraft im Parlament.
Endgültiges Ergebnis in einer Woche
Bei der Wahl am Dienstag waren 6,4 Millionen Wahlberechtigte dazu aufgerufen, die 120 Mitglieder der 22. Knesset in Jerusalem zu bestimmen. Das endgültige Wahlergebnis soll eine Woche nach der Wahl veröffentlicht werden.
Präsident Reuven Rivlin muss nun entscheiden, wen er mit der Regierungsbildung beauftragt. Dazu holt er sich von allen Fraktionen Empfehlungen für das Amt des Ministerpräsidenten ein.
Wer danach die größten Chancen zur Bildung einer Regierungskoalition hat, erhält dafür zunächst vier Wochen Zeit. Üblicherweise erhält den Auftrag der Vorsitzende der Fraktion mit den meisten Stimmen. Mit einer neuen Regierung wird frühestens Ende Oktober gerechnet.
Königsmacher versagte Netanjahu die Unterstützung
Lieberman hatte Netanjahu nach einer Wahl im April seine Unterstützung verweigert. Deshalb war es dem Regierungschef trotz einer Mehrheit des rechts-religiösen Lagers nicht gelungen, erneut eine Regierung zu bilden. Lieberman fordert die Wehrpflicht auch für strengreligiöse Juden, die anderen ultra-orthodoxen Koalitionspartner lehnen diese jedoch ab.
Unabhängig vom Wahlausgang in Israel gilt eine Wiederbelebung des Friedensprozesses in absehbarer Zukunft als unwahrscheinlich. Die linken Parteien, die sich für die Gründung eines Palästinenserstaates neben Israel aussprechen, haben keine Mehrheit. (dpa/ank)
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