Ex-Verfassungsschutzpräsident Hans-Georg Maaßen will mit der Werteunion die Politik in Deutschland aufmischen. Doch nur kurz nach der Parteigründung verliert er mit Markus Krall und Max Otte zwei prominente Weggefährten. Was bedeutet ihr Austritt für die Werteunion?

Eine Analyse
Dieser Text enthält eine Einordnung aktueller Ereignisse, in die neben Daten und Fakten auch die Einschätzungen von Joshua Schultheis sowie ggf. von Expertinnen oder Experten einfließen. Informieren Sie sich über die verschiedenen journalistischen Textarten.

Bei der Parteigründung Mitte Februar auf einem Ausflugsschiff herrschte noch Hochstimmung. Man wolle nichts Geringeres als eine "Politikwende" in Deutschland, verkündete der Werteunion-Vorsitzende Hans-Georg Maaßen. Gegen "Massenmigration, Deindustrialisierung" und "Klimahysterie". Unter dem Beifall der Anwesenden rief er: "Wir setzen nicht auf Platz, sondern auf Sieg! Wir wollen regieren!" So jedenfalls wird es in einer Pressemitteilung der Werteunion (WU) wiedergegeben. In dieser wird auch die schöne Aussicht auf das Rheintal beschrieben, die man aus den Panoramafenstern des Schiffes gehabt habe.

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Doch kaum gegründet, trübt sich auch schon wieder der Ausblick für die Werteunion, die aus dem gleichnamigen CDU-nahen Verein hervorgegangen ist. Zwei prominente einstige Weggefährten von Hans-Georg Maaßen haben sich von der Vereinigung losgesagt: Max Otte und Markus Krall sind vergangene Woche aus dem Verein ausgetreten. Der Partei, die parallel zum Verein besteht, waren sie gar nicht erst beigetreten.

Es gibt Streit um die Haltung zur AfD

Hinter dem Konflikt stehe ein grundsätzlicher Richtungsstreit innerhalb des politischen Spektrums zwischen CDU und AfD, glaubt der Soziologe Andreas Kemper. "Markus Krall schwebte eine ganz andere Partei vor als Hans-Georg Maaßen", sagt der Rechtsextremismus-Experte im Gespräch mit unserer Redaktion. Die Werteunion wolle "eine konservativere CDU sein und zurück in die 50er-Jahre".

Dagegen habe der Unternehmer und Autor Krall, durch seine düsteren Wirtschaftsprognosen als "Crash-Prophet" bekannt geworden, in erster Linie die AfD als politischen Partner betrachtet, so Kemper. Krall vertrete marktradikale sowie "sozial- und demokratiefeindliche" Positionen. So wolle dieser den Staat auf ein Minimum reduzieren sowie Sozialhilfeempfängern das Wahlrecht entziehen.

"Krall ging es darum, mit einer neuen Partei Stimmen bei der CDU, der FDP und dem Nichtwähler-Lager zu gewinnen, um damit der AfD zu einer Mehrheit zu verhelfen", sagt der Experte. Auch der ehemalige CDU-Politiker Max Otte orientiere sich stark an der AfD. Nachdem sich Otte 2022 von der AfD als Kandidat für das Präsidentenamt hatte aufstellen lassen, sei das Verhältnis zum Werteunion-Vorsitzenden gestört gewesen. "Ottes fehlende Berührungsängste zur AfD passten dem damals noch stärker CDU-nahen Maaßen nicht", ordnet der Soziologe Kemper ein.

Maaßen: AfD nennt "Probleme beim Namen"

Erste Gerüchte über Bestrebungen, eine neue rechts-konservative Partei zu etablieren, kamen vergangenen Dezember auf. Von Gesprächen zwischen Ex-AfDlern, konservativen CDUlern und verschiedenen Kleinstparteien war die Rede. Welche Form die neue politische Kraft genau annehmen würde, war da aber noch nicht ganz klar.

Hans-Georg Maaßen, ehemaliger Präsident des Bundesamtes für Verfassungsschutz und bis vor Kurzem noch CDU-Mitglied, machte solchen Spekulationen schließlich Anfang des Jahres ein Ende. Er verkündete, aus dem Verein Werteunion, dem er vorsteht, eine Partei machen zu wollen. Die Gruppierung war 2017 mit dem Ziel ins Leben gerufen worden, CDU und CSU deutlich rechts der Mitte zu halten. Mit der Zeit wurde das Verhältnis der Werteunion zu den Unionsparteien aber immer schlechter. Die Gründung einer eigenen Partei war der endgültige Bruch.

Im Interview mit der "Welt" sprach Maaßen bereits im Januar von einer "Politikwende", die er mit der neuen Partei einleiten wolle. Der CDU unter ihrem Vorsitzenden Friedrich Merz sprach er ab, diese selbst herbeiführen zu können. Der AfD attestierte Maaßen dagegen, "die Probleme beim Namen" zu nennen, auch wenn er "auf der Lösungsebene" andere Ansätze verfolge.

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Maaßen bezeichnete die Union als "Premiumpartner"

Als Maaßen aber kurz nach der erfolgten Parteigründung die CDU als "Premiumpartner" für die Werteunion bezeichnete und die AfD "radikal" nannte, brach aus den eigenen Reihen ein Sturm der Entrüstung über ihn herein. Zwar ruderte Maaßen daraufhin wieder zurück und betonte, die derzeitige CDU eigne sich nicht für eine Koalition und eine Brandmauer zur AfD gebe es auch nicht. Zumindest für Krall und Otte war aber eine Grenze überschritten.

"Der Vorstand der WerteUnion möchte in seiner Mehrheit eine ‚Wasch mich, aber mach mich nicht nass‘ Partei", begründete Krall seinen Austritt aus dem Verein auf dem Kurznachrichtendienst "X". Einerseits wolle man unzufriedene Wähler für sich gewinnen, andererseits "programmatisch möglichst unverbindlich bleiben". Die Aussagen Maaßens zu CDU und AfD sei "ein Infragestellen der echten Politikwende in Deutschland", schreibt Krall, ohne den Namen des Werteunion-Vorsitzenden explizit zu nennen. "Da fragt man sich, wozu sich die WU hätte abspalten sollen, wenn noch die Aussicht besteht, dass die CDU zu ihren Wurzeln zurückkehrt."

Eine Anfrage unserer Redaktion zu diesen Vorwürfen sowie den Austritten Kralls und Max Ottes ließ Hans-Georg Maaßen bisher unbeantwortet. Der ARD sagte er aber, er halte den Schritt der beiden für konsequent, da sie entschieden hätten, "dass ihre politischen Vorstellungen nicht mit den Zielen der Werteunion und auch nicht mit denen der Partei übereinstimmen".

Laut Soziologe Kemper hatte sich Otte bereits vor seinem Austritt aus der Werteunion weitgehend von der Politik verabschiedet. Dagegen habe Krall seine Ambitionen keineswegs aufgegeben. "Er glaubt, die Werteunion-Basis könne Maaßen womöglich noch zur Besinnung bringen", so der Experte. Die Chancen für eine Versöhnung zwischen Krall und Maaßen seien aber eher gering.

Werteunion ist durch die Austritte geschwächt

Stattdessen könnte Krall in Zukunft auf andere politische Optionen setzen, glaubt Kemper. So kandidiert Kralls Tochter für das "Aktionsbündnis Demokratie" für die kommende Europawahl. "Melissa Krall vertritt in etwa dieselbe Politik wie ihr Vater", sagt der Experte. Sollte die Kleinstpartei erfolgreich werden, könnte Markus Krall auf den fahrenden Zug aufspringen.

Krall erreicht mit seinen Büchern über Ökonomie und Politik ein großes Publikum. Mit ihm hat Maaßen auch ein großes Unterstützernetzwerk sowie mediale Reichweite eingebüßt. Die Erfolgschancen der Werteunion seien durch seinen Weggang deutlich geschmälert, glaubt Soziologe Kemper.

Wie genau sich Krall künftig politisch einbringen wolle, lässt er bisher im Ungefähren. Auch eine entsprechende Anfrage unserer Redaktion ließ er unbeantwortet. Auf "X" schrieb er jedoch: "Der Tag kommt, an dem dieses Land reif ist für echte Reformen. Dann werden wir inhaltlich vorbereitet sein."

Über den Gesprächspartner

  • Andreas Kemper ist freischaffender Wissenschaftler. Er hat Philosophie, Soziologie und Pädagogik in Münster und Berlin studiert. Kemper beschäftigt sich insbesondere mit Antifeminismus, Klassismus und Rechtsextremismus. Die AfD beobachtet Kemper seit ihrer Gründung 2013 intensiv. Unter anderem enthüllte er, dass der AfD-Politiker Björn Höcke unter dem Pseudonym Landolf Ladig rechtsextreme Artikel verfasst hat.

Verwendete Quellen

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