Am Sonntag wird in Russland ein neuer Präsident gewählt, doch die Abstimmung wird vom Mordversuch auf den Ex-Doppelagenten Sergej Skripal in Großbritannien überschattet. Inzwischen hat Moskau auf die britischen Vergeltungsmaßnahmen reagiert. Die Spirale der gegenseitigen Sanktionen könnte sich weiter drehen.
Der Sieg von Wladimir Putin bei der russischen Präsidentschaftswahl am Sonntag ist laut Prognosen sicher. Es wird mit einem etwa vergleichbaren Ergebnis wie 2012 gerechnet, als 64 Prozent der Russen für den 65-Jährigen stimmten.
Überschattet wird die Abstimmung jedoch vom Giftanschlag auf den ehemaligen Doppelagenten Sergej Skripal und dessen Tochter in Großbritannien.
Obwohl die britische Premierministerin Theresa May noch keine Beweise für die Beteiligung Russlands präsentiert hat, verhängte London Sanktionen.
Unter anderem mussten 23 russische Diplomaten Großbritannien verlassen, hochrangige bilaterale Kontakte wurden ausgesetzt.
In einer gemeinsamem Erklärung haben die Staatschefs der USA sowie von Großbritannien, Frankreich und Deutschland den Anschlag verurteilt, bei dem ein zu Sowjetzeiten entwickeltes Gift verwendet worden sein soll.
Selbst die russische Präsidentschaftskandidatin Xenia Sobtschak sprach sich in der "Bild"-Zeitung für Sanktionen aus, "sollte Moskau hinter dem Nervengift-Anschlag stecken."
Putin weht kurz vor der Abstimmung eine Menge Gegenwind ins Gesicht. Er reagiert mit Angriff: Moskau bestellte den britischen Botschafter ein und verwies 23 britische Diplomaten des Landes.
Aus Sicht von Sarah Pagung, Russland-Expertin der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik, wird Putin versuchen, die Geschehnisse innenpolitisch zu nutzen.
„Die Anschuldigungen passen in das Narrativ Putins: Der feindliche Westen wirft Russland etwas vor, das er nicht beweisen kann“, sagt Pagung im Gespräch mit unserer Redaktion.
Der Wahlkampf sei darauf ausgerichtet gewesen, dass sich „das Volk um den Anführer versammelt.“
Auch aus Sicht der „Süddeutschen Zeitung“ verstärken die Vorwürfe „jene Wagenburg-Mentalität, auf der Putins ganze Wahlkampagne aufgebaut ist: Die Welt ist gegen uns, und nur einer ist in der Lage, ihr die Stirn zu bieten“, nämlich er selbst.
Der Einsatz russischer Soldaten beim Krieg in der Ostukraine, das russische Staatsdoping bei den Olympischen Winterspielen von Sotschi, die Beeinflussung der US-Präsidentschaftswahlen, nun der Anschlag auf den Doppelagenten in London - aus Sicht Moskaus ist eine russische Beteiligung an diesen Ereignissen nur westliche Propaganda.
Dementsprechend werden die Vergeltungsmaßnahmen aus Großbritannien in den russischen Medien denn auch als Versuch bewertet, die Wahl am Sonntag zu beeinflussen.
„Nanu, der Westen mischt sich ein!“, titelte der staatliche Auslandssender „RT Deutsch“.
Und wie geht es nach Ausweisung britischer Diplomaten aus Russland nun weiter?
Möglich wäre ein Entzug von britischen Lizenzen für russische Auslandssender, eine Brandmarkung Russlands als Terrorsponsor oder die Veröffentlichung brisanter Informationen über die Geldströme der Putin-Familie.
Ein Boykott der Fußball-Weltmeisterschaft im Sommer steht ebenfalls zur Debatte. Hier wäre der Imageschaden für Russland jedoch nur bedeutend, wenn sich mehrere Staaten zu diesem Schritt entschließen würden.
Bisher hatte die britische Regierung lediglich angekündigt, dass weder Regierungsmitglieder noch Vertreter des Königshauses zur Endrunde fliegen. Expertin Pagung ist skeptisch, was die Wirkung der Gegenmaßnahmen betrifft.
Selbst bei der längeren Aufrechterhaltung der Russland-Sanktionen von EU und USA seien die „kurz- bis mittelfristigen Effekte auf Russland eher gering“, sagt Expertin Pagung.
Das Attentat von Salisbury könnte zwar weitere internationale Konsequenzen nach sich ziehen, doch auf die Abstimmung in Russland hat es keinen entscheidenden Einfluss.
„Putin braucht so eine Krise für seinen Wahlsieg nicht“, sagt Pagung. „Er wird auch so gewinnen.“
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