Eiskalter Hardliner, der Unermüdliche, der Unverwüstliche – wie kaum ein anderer Politiker hat Wolfgang Schäuble die Geschicke der deutschen Politik geprägt. Er ist der Architekt der Wiedervereinigung, rettete Euro-Staaten, konsolidierte Haushalte. Nach acht Jahren hat Schäuble sein Amt aufgegeben – um Bundestagspräsident zu sein.
Mit 45 Jahren im Bundestag ist
Architekt der Wiedervereinigung
Schäuble war es, der
Die enge Freundschaft zu Kohl bekam Risse. Lange Zeit galt Schäuble als Kohls Kronprinz. Er sollte ihn beerben.
"Ich wünsche mir, dass Wolfgang Schäuble einmal Kanzler wird", hat Kohl einmal gesagt - nur, um dann selbst 1998 nochmal als Kanzlerkandidat der CDU anzutreten.
Die machttaktischen Spielchen des Altkanzlers und eine Partei in Trümmern führten langsam zum Bruch der Männerfreundschaft.
Der Machtkampf endete unschön, riss beide politisch zu Boden und mündete in einem Intrigenspiel: die CDU-Parteispendenaffäre.
Schäuble ist der verhinderte Kanzler. Doch er ist auch der Unverwüstliche. In der Fraktion genoss er stets Rückhalt. Und so ging er aus der Krise relativ unbeschadet raus.
Acht Jahre Finanzminister - Schäuble und die "schwarze Null"
Unter Angela Merkel wurde Schäuble 2009 Finanzminister. Acht Jahre lang ordnete er die Finanzen des Landes. Acht Jahre führte er das Finanzressort mit eiserner Hand.
Er gilt als Hardliner, einer der sich nicht scheut, die Fakten knallhart auf den Tisch zu bringen. Einer, der auch mal unbequem ist. Einer der Stand hält, auch wenn die politischen Wellen hoch schlagen.
Angela Merkel und Volker Kauder haben vermutlich gerade deshalb Schäuble darum gebeten, für das zweithöchste Amt im Staate zu kandidieren: das des Bundestagspräsidenten.
AfD-Bändiger
Denn angesichts des Einzugs der AfD in den Bundestag, wird das Amt künftig eine noch größere Bedeutung haben. "Wir freuen uns, dass sich Wolfgang Schäuble bereit erklärt hat, für das Amt zu kandidieren", erklärte der Fraktionsvorsitzende.
Keine Frage, ein cleverer Schachzug der Union-Spitze. Denn aus den Landesparlamenten und dem Bundestagswahlkampf wissen die etablierten Parteien, wie fintenreich die AfD agiert: Tabubrüche und Regelverstöße gehören zum Repertoire der Rechtspopulisten. Rote Linien in politischen Debatten sollten im Bundestag allerdings nicht zur Gewohnheit avancieren.
Bundespräsident
Vom verhinderten Kanzler zum Bundestagspräsidenten
Am Mittwoch nun ist Wolfgang Schäuble mit breiter Mehrheit zum neuen Bundestagspräsidenten gewählt worden. Der Bundestagspräsident gilt als zweithöchstes Amt im Staate - nach Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier.
Vor der Wahl zum Bundestagspräsidenten ist der CDU-Mann einstimmig nominiert worden. Als stärkste Kraft fällt der Unionsfraktion das Vorschlagsrecht zu.
SPD und FDP hatten für Schäubles Wahl zuvor Unterstützung signalisiert. Noch-Außenminister Sigmar Gabriel betonte, er gönne Schäuble "von Herzen" das künftige Amt.
"Die Rechtspopulisten der AfD werden schnell merken, dass Wolfgang Schäuble Form und Inhalt demokratischer Willensbildung im Deutschen Bundestag durchsetzen wird", betonte
Carsten Schneider, der parlamentarische Geschäftsführer der SPD-Bundestagsfraktion sagte der "Mitteldeutschen Zeitung", Schäuble sei eine "respektable Persönlichkeit". Der 75-Jährige habe die größte parlamentarische Erfahrung und "wird das in einem anderen Stil, aber mit der gleichen Ausgewogenheit wie seine Vorgänger machen."
Dies sieht man bei der FDP ähnlich. "Als herausragende Persönlichkeit verfügt Wolfgang Schäuble über eine natürliche Autorität, die an der Spitze des Deutschen Bundestages in diesen Zeiten von besonderer Bedeutung ist", sagte FDP-Chef Christian Lindner. "Er wird dem Parlament nach außen ohne Zweifel Geltung verschaffen und nach innen seine Würde wahren."
Mit dem Amt des Bundestagspräsidenten fällt Schäuble als Minister der künftigen Bundesregierung aus. Im Plenarsaal aber wird der Polit-Haudegen ein Schwergewicht bleiben – auf seine Weise: als "Neben-Bundespräsident", als Klartext-Politiker, als Mahner, als "AfD-Dompteur".
Was passiert mit dem Finanzministerium?
Wie es mit seinem alten Finanzressort dagegen weitergeht, ist eine der großen Fragen bei den Koalitionsverhandlungen von Union, FDP und den Grünen. Die Liberalen haben bereits dezent Anspruch auf das Ministerium angemeldet.
"Ein Grüner, ein CSU- oder ein FDP-Finanzminister – alles wäre besser, als das Kanzleramt und das Finanzministerium weiterhin in CDU-Hand zu halten, denn so wird durchregiert. Das hat sich nicht bewährt", sagte Christian Lindner der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung".
Noch zu Zeiten Theo Waigels (Finanzminister 1989 bis 1998) war das Ressort aufgrund der hohen Neuverschuldung realtiv unbeliebt.
Schäuble krempelte das Ministerium 2009 gehörig um, verankerte mit Zustimmung fast aller Parteien die Schuldenbremse im Grundgesetzt. Seit 2014 ist die "Schwarze Null" sein Markenzeichen.
Und auch außenpolitisch genießt das Finanzministerium großen Respekt. In der Finanzkrise gewann es durch die geballte Kompetenz Schäubles an Bedeutung. Ohne ihn geht in der EU nichts.
Bis zur Regierungsbildung hat nun Kanzleramtsminister Peter Altmaier die Hoheit über das Ressort – kommissarisch. Merkels Vertrauter soll darauf achten, dass die Ausgaben einer möglichen Jamaika-Koalition nicht explodieren.
Was von Schäubles Finanz-Vermächtnis übrig bleiben wird, wie es innen- und außenpolitisch weitergeht, bleibt abzuwarten.
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