- Markus Söder hat seinem Kontrahenten Armin Laschet die Kanzlerkandidatur der Union überlassen.
- Doch eine Woche nach der Kür stichelt der zur Seite getretene CSU-Chef gegen seinen Amtskollegen von der CDU.
- In genau fünf Monaten wird gewählt: Wie soll so der Wahlkampf der Union ins Rollen kommen?
Nach einigem Hin und Her hat CSU-Chef
Brocken Nummer eins: Söder spricht Laschet die Unterstützung der Mitglieder und vieler Wähler ab.
Der Beschluss eines Gremiums sei wichtig, sagte Söder in einem Interview mit der "Süddeutschen Zeitung" (SZ), ohne dabei ausdrücklich das Votum des CDU-Bundesvorstands für Laschet zu nennen. "Aber den Glauben, dass politische oder personelle Entscheidungen heute noch in den Gremien völlig unabhängig von der Basis und den Erwartungen der Menschen gemacht werden können, halte ich nicht für zeitgemäß."
Nicht nur die durchwachsene Unterstützung für Laschet – viele CDU-Bundestagsabgeordnete und -Landesverbände stellten sich offen hinter Söder – auch "die Begründung der Kandidatur" habe Söder "nicht überzeugt". "Ich stehe für eine Modernisierung im Programm", erklärte Söder – und spricht damit Laschet Kompetenzen etwa in den Bereichen Klima- und Artenschutz, Frauenquote oder Hightech-Agenda ab.
Brocken Nummer zwei: Söder bringt Laschet in Zugzwang.
Der CSU-Chef erwartet bei der Bundestagswahl im September von der Union ein Ergebnis von mehr als 30 Prozent. "Es muss schon ein Ergebnis sein, das deutlich über 30 Prozent liegt – näher an 35 Prozent", sagte er.
Bei der Wahl 2017 hatten die Schwesterparteien zusammen 32,9 Prozent erzielt, aktuelle Umfragen sehen sie aber weit unter 30 Prozent – und teils sogar hinter den Grünen. Ohne dass der Wahlkampf von CDU und CSU bereits richtig begonnen hat, befindet sich die Partei damit schon in ungewohnter Verfolgerposition.
Brocken Nummer drei: Söder nimmt Laschet trotz allem in die Pflicht.
"Wir werden alles für ein gutes bayerisches Ergebnis tun, aber die Kernverantwortung liegt natürlich immer beim Kanzlerkandidaten, auch für das Ergebnis in Bayern. Denn heute ziehen Kandidaten die Parteien und nicht umgekehrt." Wenn es nicht läuft, ist also in jedem Fall Laschet Schuld.
Es rumort an der Parteibasis der CDU
Als Söder vergangenen Dienstag im Machtkampf um die Kanzlerkandidatur einlenkte, hatte er dem CDU-Chef Rückendeckung ohne Groll und mit voller Kraft zugesagt.
Beides scheint bereits auf den ersten Metern eines langen Wahlkampfes wieder verloren gegangen sein. Doch wie will die Partei ihre Anhänger mobilisieren? Ist der größte Gegner der Union die Union selbst?
Das gilt es abzuwarten. Klar ist aber: Die Vorzeichen stehen derzeit denkbar schlecht. Es rumort in der CDU. Der Landesverband Sachsen-Anhalt vertraut im Wahlkampf zur dortigen Landtagswahl am 6. Juni lieber auf Friedrich Merz als auf Laschet.
Zugleich buhlt die CSU offensiv um bundesweite Online-Mitglieder und wildert damit in CDU-Territorium. Allein am Donnerstag seien mehr als 1.000 Anträge auf Online-Mitgliedschaft eingegangen seien, sagte Blume.
Gleich mehrere CDU-Politiker räumten zugleich ein, dass es derzeit eine Reihe von Parteiaustritten gibt. Das verstärkt den Frust an Basis und der Spitze, zumal mitten im härtesten Bundestagswahlkampf seit mehr als 20 Jahren, wie es Söder ausdrückte.
Ruhe vor dem Sturm der politischen Konkurrenz
Wenn sich die Parteivorsitzenden weiterhin eher mit sich selbst als dem – nach wie vor nicht vorhandenen – Wahlprogramm befassen, bindet das kostbare Ressourcen und Aufmerksamkeit. Und noch hält sich die politische Konkurrenz mit Kommentaren zurück. Diese auffällige Ruhe dürfte schon bald vorbei sein.
Bei alledem kommen die Frontalattacken des bayerischen Ministerpräsidenten gegen seinen Amtskollegen aus NRW nicht völlig überraschend. Hatte der CSU-Chef doch noch während der Verkündung seiner Entscheidung, Laschet den Vortritt zu gewähren, durchblicken lassen, dass er eigentlich der bessere Kanzlerkandidat für CDU und CSU gewesen wäre.
Auch CSU-Generalsekretär Markus Blume stimmte in den Chor mit ein: "Markus Söder war erkennbar der Kandidat der Herzen."
Laschet versucht Konflikt mit Söder kleinzureden
Und Laschet? Der bemühte sich am Wochenende den von Söder befeuerten Konflikt herunterzuspielen. "Ich kämpfe für meine Ideen, meine Ziele – und rede nicht über andere", sagte der CDU-Chef in einem SZ-Interview.
Indirekt stellte er dennoch Unterschiede heraus: "Ich bin der, der ich bin und trete mit meinen Überzeugungen an. Vertrauen ist mir wichtiger als Taktik." Selbstbeschreibungen würden "nur der Nabelschau" dienen und könnten der Union schaden – eine Andeutung, die gegen Söder gelesen werden kann.
Der hatte zuvor blumig umschrieben, was sich sein Angebot für die Kandidatur von der Laschets unterschieden habe: "Ich glaube nicht, dass es klug ist, nach den progressiven Merkel-Jahren eine Politik 'Helmut Kohl 2.0' aus der Vergangenheit zu machen. Das wäre viel zu altmodisch. Keiner will die alte Union aus den 90er Jahren zurück." Laschet, ein aufgewärmter Altkanzler?
Der CDU-Chef verteidigte das Gewicht der Führungsgremien in der Partei. Demokratisch gewählte Vertreter seien bei einer Volkspartei von 400.000 Mitgliedern "von zentraler Bedeutung" und dienten der Konsensfindung. "Es kann doch nicht am Ende eine von manchen irgendwie gefühlte Basisstimmung allein den Ausschlag geben", kritisierte Laschet.
Und: "Umfragen, das wissen wir alle, verändern sich ständig." Mit Blick auf den CSU-Kontrahenten warnte Laschet davor, die "Axt an die Pfeiler der repräsentativen Demokratie" zu legen.
(K)ein Bild von Einigkeit
Söder selbst versuchte trotz aller Widersprüche weiter ein Bild von Union und Einigkeit zu zeichnen. Laschet sei "für dieses Amt geeignet und hat meine Unterstützung", es gebe keinen "persönlichen Bruch" zwischen den beiden Parteichefs, sagte er.
Er werde ein aktiver Teil des Wahlkampfs sein, versprach Söder ebenso: "Wie sagt Paulchen Panther immer: Heute ist nicht alle Tage, ich komm wieder, keine Frage."
Es klingt fast wie eine Drohung.
"So arbeitet die Redaktion" informiert Sie, wann und worüber wir berichten, wie wir mit Fehlern umgehen und woher unsere Inhalte stammen. Bei der Berichterstattung halten wir uns an die Richtlinien der Journalism Trust Initiative.