- Jeder liebt Süßes, es ist lecker und macht glücklich.
- Die Serie "ZDFbesseresser" hat hinter die Kulissen der Süßigkeitsproduzenten geblickt.
- Mit diesen verschiedenen "Tricks" schaffen es die Firmen, die Süßigkeiten so einzigartig zu machen.
Was will "ZDFbesseresser"?
Wissen ist Macht, heißt es so schön. Und weil dieser Satz im Grunde genommen für alles gilt, gilt er auch für unser Essen. Doch beim Einkauf im Supermarkt entscheidet oft genug weniger das Wissen, sondern vielmehr Gewohnheiten – und das Marketing der Firmen. Die neueste Folge der "ZDFbesseresser – Die Tricks von Haribo, Ferrero & Co." will genau hier ansetzen und den Zuschauenden Wissen über ihr Essen, in diesem Fall über die täglichen Süßigkeiten, vermitteln.
"Haribo, Ferrero, Storck und Nestlé – sie alle stellen Süßigkeiten her. Produktentwickler Sebastian Lege deckt auf, was wirklich darin steckt", fasst die Off-Sprecherin das Ziel der Reportage zusammen. Und weil die Reihe "ZDFbesseresser" heißt, steckt natürlich der Wunsch dahinter, dass sich die Zuschauenden aufgrund dieses Wissenszuwachses besser ernähren, auch wenn das so explizit nicht gesagt wird.
Wie geht Sebastian Lege dabei vor?
Sebastian Lege operiert nach dem Prinzip "Schein und Sein". Erst zeigt der Bremer Koch, was uns die Werbung der Süßigkeitenhersteller so alles verspricht und welches Image die Firmen ihren Produkten verpassen. Dann geht's ans Eingemachte und Lege legt offen, was wirklich in den Süßigkeiten von Haribo, Ferrero und Co. steckt. Das macht er nicht etwa, indem er trocken die Zutatenliste erklärt, sondern indem er die Süßigkeiten nachkocht – wobei "nachbauen" vielleicht das passendere Wort ist.
Doch Lege will nicht nur zeigen, was in den Süßigkeiten alles drin ist, er will herausfinden, ob die Verbraucherinnen und Verbraucher das auch wissen. "Was meinst du, was alle Produkte miteinander gemeinsam haben?", fragt Lege etwa einen jungen Mann vor einem Stapel verschiedener Süßigkeiten. Der erkennt zwar, dass in allen Produkten Zucker ist, Lege will aber darauf hinaus, dass überall tierische Produkte enthalten sind, egal, ob in Fruchtgummis, Schokonüssen, Marshmallows oder Smarties.
Der "Standard-Trick"
Den "Standard-Trick" zeigt Sebastian Lege am Beispiel von Rocher und Raffaello von Ferrero. Hier wird kurz in Erinnerung gerufen, was uns die Werbung suggeriert, nämlich "sommerliche Leichtigkeit und Exotik" bei Raffaello, "Eleganz" bei Rocher und Exklusivität bei beiden Süßigkeitenkugeln. In der Praxis sieht das bei Lege aber so aus: Für die knusprigen Hüllen der beiden stellt Lege denselben Teig her, "hauptsächlich aus Mehl, Natron und Wasser". "Ein Herstellungsgang für zwei Produkte", erklärt Lege.
Dann kommt die "Fettcreme" dazu, und zwar mit "billigem Palmfett" und "jeder Menge Zuckersirup", denn so die Off-Sprecherin: "Raffaello und Rocher bestehen zu über 80 Prozent aus Fett und Zucker." Das Grundrezept ist für beide Kugeln dasselbe, bei Rocher kommen noch Haselnussmousse und Kakaopulver hinzu, bei Raffaello Magermilchpulver und Tapiokastärke als Bindemittel. Außerdem noch Kokosraspeln, doch weil die kaum nach Kokos schmecken, hilft Lege mit Kokosaroma nach.
Den Standard-Trick erklärt Britta Schautz von der Verbraucherzentrale Berlin so: "Für Hersteller ist es super attraktiv, wenn Produkte sehr ähnlich nach einem Baukasten-Prinzip zusammengesetzt sind. Denn dann brauche ich für verschiedene Produkte die gleichen Maschinen, muss also keine weiteren kaufen, das spart natürlich bares Geld." Als Beispiele führt die Reportage die vielen Produkte von Ferrero an, in denen die Nuss-Nougat-Creme Nutella steckt – "eine scheinbar riesige Produktpalette".
Der "Tier-Trick"
"Wenn Sie sehen, wie das hergestellt wird, garantiere ich Ihnen, vergeht Ihnen der Appetit", leitet Sebastian Lege ein und spricht dabei über die kleinen grünen "Gummi-Frösche". Denn beim "Tier-Trick", der Name sagt es bereits, verwenden die Hersteller Gelatine und die besteht nun einmal aus Tieren. Um das zu demonstrieren, nimmt Lege "jede Menge Schlachtreste vom Schwein", um das darin enthaltene Kollagen herauszulösen. Dazu wandern Schweineohren, "ein bisschen Haut" und andere Tierkörperteile in einen Topf und werden dort mit Salzsäure gekocht. "Aus unlöslichem Kollagen ist leicht lösliche Gelatine geworden, extrahiert steckt sie in der Lösung", erklärt die Sprecherin. Die Industrie erhalte Gelatine in Reinform durch "ein komplexes Verfahren" mit einer Reihe von Filter- und Trennprozessen.
Den "Schweinegeruch" im Endprodukt bekommt Lege mit Apfelaroma in den Griff. Im "Schaum" des weißen Froschbodens ist ebenfalls Gelatine, der Frosch wird am Schluss noch mit Bienenwachs überzogen, "damit sie in der Tüte nicht zusammenkleben". Das Fazit zu den Frosch-Inhaltsstoffen: "Bienenwachs für die Oberfläche und Schlachtreste für die bissfeste Konsistenz." Auch in anderen Süßigkeiten seien tierische Produkte, neben Gelatine und Bienenwachs zum Beispiel Farbe oder Schellack aus Schildläusen. "Ein Problem für Vegetarier und Veganer: Karmin und Schellack sind aus tierischem Ursprung – das wird in der Zutatenliste nicht deutlich", erklärt die Sprecherin.
Der "Vitamin-Trick"
"Bonbons sind vor allem bei Kindern sehr beliebt. Der Nachteil: Sie bestehen zu zwei Dritteln aus Zucker. Mit Nimm2 hat Storck einen Weg gefunden, Eltern ihr Gewissen zu erleichtern", führt die Sprecherin in den "Vitamin-Trick" ein. Die Bonbons werden nämlich mit Fruchtsaft und Vitaminen beworben. Also baut Lege in Aachen in einem Süßwarentechnologie-Center die Nimm2-Bonbons nach. In Hülle und Füllung kommen zusammengenommen Glukose-Sirup, "jede Menge Zucker, Wasser, Glucose- und Fructosesirup, also Zucker", Kondensmagermilch, sechs Fruchtsaftkonzentrate, Aroma, Zitronensäure und neun Vitamine.
"Ein kleiner Zusatz von Fruchtsaftkonzentrat ist letztlich eine Alibi-Lösung. Frucht- und Pflanzenkonzentrate sind ganz intensive Verarbeitungen von ganz ursprünglichen Lebensmitteln", erklärt dazu Stefan Kabisch, Ernährungsforscher der Charité Berlin. Ein guter Teil der Vitamine gehe dadurch verloren. Auch an den zugefügten synthetischen Vitaminen übt die Reportage Kritik. In Nimm2 sei zu 62 Prozent Vitamin C enthalten. "Das kostet weniger als einen halben Cent", sagt die Sprecherin. Außerdem soll die Herstellung der Vitamine "zu enormen Umweltschäden führen".
Der "Frühstückstrick"
"Die Packungen versprechen Vollkorn und viele Vitamine", erklärt die Sprecherin den nächsten Trick, der sich hinter Frühstücksflocken etwa aus dem Hause Nestlé verbirgt. Das klingt gesund, doch "die Lion-Zerealien bestehen zu einem Viertel aus Zucker", erklärt die Sprecherin und Sebastian Lege meint über den Lion-Frühstücksriegel: "Die haben aber noch einen drauf gesetzt: das Ganze im Handy-Format." Zusammen ergibt das den "Frühstückstrick".
Denn statt des angeblich vollwertigen Frühstücks stopfe sich der Verbraucher eine ganze Reihe unterschiedlicher Zutaten rein, im Lion-Frühstücksriegel etwa über 30, "darunter Glukosesirup, Fett und Schokolade." Ein Trick im Trick: Die Industrie habe den Begriff Zerealien bekannt gemacht. Das habe einen "gesunden Touch", erklärt Britta Schautz, "aber das Wort bedeutet eigentlich nur Frühstücksflocken." Das könnten einerseits die gesunden Haferflocken sein, aber eben auch stark gezuckerte Cornflakes, so Schautz. Leges Fazit nach dem Nachbau eines Lion-Frühstücksriegels: "Ein vollwertiges Frühstück? Das sind ein paar Vollkornkeksbrösel mit 'nem Zuckermantel. Und mit 'ner Fettschicht hinten drauf."
Das Fazit
Nun weiß man im Prinzip, dass Werbung gerne übertreibt und schönredet, dafür ist sie ja da. Aber direkt vor Augen geführt zu bekommen, wie wenig glamourös die angeblich exklusiven Süßigkeiten sind, ist dann noch einmal eine andere Sache, die die Off-Sprecherin so zusammenfasst: "Rocher und Raffaello – weder exklusiv noch hochwertig, sondern vor allem eines: günstig herzustellen. Ein paar Veränderungen erschaffen zwei ganz unterschiedliche Süßigkeiten. Für Ferrero ein lukratives Prinzip." Wenig lukrativ sind hingegen andere Süßigkeiten – zumindest für Tiere. Denn die wandern als Schlachtabfälle in Form von Gelatine zum Beispiel in Fruchtgummis.
Wenn man das in so komprimierter Form gezeigt bekommt, kann man schon einmal fragen, was Hersteller und Verbraucher eigentlich unter Qualität ihrer Lebensmittel verstehen. Was der Film von Tabea Beutel allerdings nicht untersucht, ist eine andere Form der Qualität: Woher stammen die Zutaten, wie sieht es mit der Lieferkette aus, wie fair ist die Bezahlung der Kakaobauern oder der Mitarbeiter, wie viele Ressourcen verbraucht die Herstellung oder wie ist die Umweltbelastung? Solche Fragen stellt die Selbstversuch-Reportage nicht, aber das gehört auch zur Qualität eines Produktes, schließlich steckt all das auch in jedem Happen Süßes, den wir essen.
Gut ist dagegen, dass der Film auch aufklärt, was der Nutri-Score ist, mit dem inzwischen viele Produkte gekennzeichnet sind, und dass der gar nicht so aussagekräftig ist, wie man vermutet. Denn hier werden einfach ungünstige mit günstigen Zutaten für die Gesamtbewertung verrechnet. "Schon für geringe Mengen Ballaststoffe bekomme ich viele positive Punkte und für relativ viel Zucker bekomme ich gar nicht so viele negative Punkte", erklärt Verbraucherschützerin Schautz die Schwächen des Nutri-Scores und sagt weiter: "So werden wirklich Produkte gestylt, sodass sie genau die Punktegrenzen für Zucker oder Salz erreichen, um eine bessere Wertung zu bekommen. Aber diese Mini-Mengen an Zucker oder Salz, die vielleicht geändert werden, die ändern den Gesundheitswert des Produktes kaum."
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