Bei einem schweren Verkehrsunfall ist der Fall klar: Man wählt die 112, die Nummer der Feuerwehr und des Rettungsdienstes. Es gibt aber auch Situationen, in denen fraglich ist, wen man anruft: die Polizei unter der 110, die Feuerwehr unter der 112. Oder ob ich den Notruf überhaupt wählen darf.

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Über 1 Millionen Notrufe gehen pro Jahr alleine bei der Berliner Polizei ein. Über die bekannte Nummer 110 rufen Menschen an, die von Einbrüchen und Unfällen berichten, von Belästigungen und Schlägereien, aber auch von zu lauten Nachbarn und dem zugeparkten Auto.

Etwa 700.000 aller Anrufe hätten Einsätze zur Folge, sagt der Leiter der Einsatzleitstelle der Berliner Polizei, Michael Prinz, im Gespräch mit unserer Redaktion. Aber welche? Und vor allem: Welche nicht?

Grundsätzlich gilt: 110 oder 112 sollte man nur wählen, wenn einer oder mehrere Menschen in Not sind und wenn die Zeit drängt. Es ist also keine Frage, dass diese Notrufnummern bei schweren Verkehrsunfällen oder wenn man gerade eine Straftat beobachtet hat, unbedingt angerufen werden sollten.

Die unter der 112 erreichbare Feuerwehr ist dabei mit ihrem Rettungsdienst eher für Brände und Verletzte zuständig, die unter der 110 erreichbare Polizei für alles außer Brände.

Feuerwehr und Polizei helfen einander aus

Allerdings besteht zwischen ihnen eine direkte Verbindung, sodass die jeweiligen Einsatzleitstellen Anrufe auch schnell weitergeben können und sich gegenseitig aushelfen, wenn die Anfragen zu viel werden.

In Berlin haben Polizei und Feuerwehr jeweils 60 Notrufleitungen. Bei der Feuerwehr seien sie vor allem zu Unwetterzeiten schnell ausgelastet, bei der Polizei höchstens in der Silvesternacht, so Prinz.

Ansonsten kann der Bürger damit rechnen durchzukommen, und in vielen Fällen wird die Polizei auch direkt reagieren. Zum Beispiel eben bei Autounfällen, Meldungen über Einbrüche, Gewalt oder Belästigung. Auch wenn jemand einen Autofahrer meldet, der offensichtlich nicht fahrtauglich ist, weil er beim Fahren telefoniert oder betrunken ist, wird sie eingreifen.

Erstmal das Gespräch suchen

Bei lauten Schreien aus der Nachbarwohnung wird sich ebenfalls schnell ein Funkwagen auf den Weg machen. Bei lauter Musik und lauten Partys ist die Polizei nur zwischen 22.00 und 6.00 Uhr zuständig, sonst die Ordnungsämter.

Sowohl Polizei als auch Ordnungsämter plädieren übrigens dafür, es zunächst mit einem guten Gespräch unter Nachbarn zu versuchen, bevor dann wirklich die 110 gewählt wird oder die Mitarbeiter des Ordnungsamtes gerufen werden.

Eher abwartend verhalten sich die Polizisten in der Einsatzleitzentrale, wenn Menschen anrufen, um zu sagen, dass der Briefkasten ihres Nachbarn überquillt. In so einem Fall werde man erst weitere Fragen stellen, bevor man ausrücke, sagt Michael Prinz.

Zum Beispiel: Kann es sein, dass der Nachbar verreist ist? Dringt unangenehmer Geruch aus der Wohnung?

Fahrräder nicht einfach losschneiden

Auch bei einer Meldung etwa über einen Obdachlosen, der sich nicht regt, wird die Polizei erst einmal versuchen, den Anrufer dazu zu bringen, den Obdachlosen anzusprechen. Antwortet er nicht, fährt entweder ein Funkwagen hin oder es wird direkt der Rettungsdienst gerufen.

Für zugeparkte Autos oder Busspuren ist die Polizei ebenfalls zuständig. Dass der Zugeparkte selbst einen Abschleppwagen ruft, wird nicht empfohlen, weil er eventuell auf den Kosten sitzenbleibt.

Was man auch nicht selbst tun sollte: das eigene Fahrrad losschneiden, wenn es versehentlich mit einem anderen zusammengeschlossen wurde. "Das darf nur unter den Augen der Polizei gemacht werden und es muss dabei ein Eigentumsnachweis erbracht werden", sagt Michael Prinz.

Dienststellen direkt anrufen

Das angeschlossene Fahrrad ist übrigens - wie das Melden von Falschparkern - eigentlich kein Fall für den Notruf, sondern eher für die normale Rufnummer einer Polizeiwache.

Die Telefonnummer der nächsten Dienststelle lässt sich leicht über die Webseiten der Landespolizeien finden, die auf dem offiziellen Portal der deutschen Polizei verlinkt sind. Alles, was Zeit hat und wo keine Menschenleben in Gefahr sind, sollte über diese Nummern laufen.

Da die Rufnummern der Dienststellen aber nicht so bekannt sind, kommen über den Polizei-Notruf auch viele Anrufe ohne Notrufcharakter an. Besonders absurd sind Anfragen wie: Wann geht der nächste Zug nach Hamburg? Oder: In welchen Kinos läuft der neue Star Wars?

Der Berliner Einsatzleitstellenchef Prinz weiß davon einiges zu berichten. "In den seltensten Fällen sind das Scherzanrufe. Oft wissen die Leute einfach nicht, wo sie anrufen sollen, wenn sie eine bestimmte Information haben wollen", sagt er.

Wer kennt die 115 und die 116117?

Dazu gehört auch, dass sich Menschen über die 110 bei der Polizei melden, wenn sie ihren Ausweis verloren haben. "Für solche Fälle ist aber das Behördentelefon da. Die Nummer lautet 115, was aber leider nur wenige Leute wissen", so Prinz.

Ebenfalls wenig bekannt ist die Nummer des ärztlichen Bereitschaftsdienstes, 116117. Sie sollte bei akuten, nicht lebensbedrohlichen Erkrankungen gewählt werden. Für die lebensbedrohlichen Fälle gilt die 112.

Wer aber nun mit (nicht lebensbedrohlichen) Rückenschmerzen den Notruf wählt, muss nicht befürchten, eine Strafe zahlen zu müssen, nur weil er nicht in Lebensgefahr schwebt. Zwar kann der Missbrauch von Notrufen nach Paragraf 145 Strafgesetzbuch mit einer Freiheitsstrafe von bis zu zwei Jahren oder mit einer Geldstrafe geahndet werden.

Allerdings findet das Michael Prinz zufolge vor allem in schweren Fällen Anwendung - etwa wenn ein ungerechtfertigter oder ein bewusst falscher Notruf zu einem großen Einsatz führt, der viel kostet. Die Anrufer aufzuspüren ist für die Polizisten übrigens kein Problem: Auch unterdrückte Nummern werden beim Anruf in der Einsatzleitzentrale angezeigt.

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