Nach dem Motto "Bargeld brauchen nur die Oma und der Bankräuber" wird in Schweden fast überall bargeldlos bezahlt. Erste Banken haben auch hier schon umgestellt. Ist die Sparbüchse also bald ausgestorben?

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Nur Bares ist Wahres? Nicht mehr. Die digitale Revolution gewinnt auch beim Bezahlen immer mehr die Oberhand – und hat nun auch das Oktoberfest in München erreicht: Erstmals kann man auf der Wiesn bargeldlos übers Smartphone bezahlen.

Das Angebot vom Oktoberfest-Partner meinfest.com und dem Bezahlanbieter Blue Code wird ab dem 16. September in rund 60 der insgesamt 545 Verkaufsstände, Gastro-Betriebe und Fahrgeschäfte zur Verfügung stehen.

Alles, was die Nutzer dafür brauchen, ist die App "Blue Code" und ein Girokonto bei einer deutschen oder österreichischen Bank. Wenn der Wiesn-Gast bezahlen will, braucht er nur einen Einmal-Barcode auf dem Handy zu zeigen und den Betrag einzugeben, der dann direkt vom Konto abgebucht wird.

Nur noch die Hälfte wird bar bezahlt

Online-Überweisung, EC- und Kreditkarte - all das kennen wir schon lange, und diese Methoden werden immer beliebter. Laut Sparkassenverband kommt mittlerweile nur mehr gut jeder zweite Umsatz-Euro (51 Prozent) aus Bargeld.

Einer Studie des Branchenverbands Bitcom zufolge kann sich mehr als jeder Dritte Deutsche vorstellen, künftig fast ausschließlich bargeldlos zu bezahlen. Von den 14- bis 49-Jährigen ist es fast die Hälfte (46 Prozent), ab 65 Jahren halten nur noch 29 Prozent einen weitgehend bargeldlosen Alltag für vorstellbar.

Mit Karte zahlen in der Kirche

In Skandinavien hat das Bargeld jetzt schon ausgedient, Schweden ist der Vorreiter: Bis 2030 will man komplett ohne Scheine und Münzen auskommen. Das Motto dort: "Bargeld brauchen nur deine Oma und der Bankräuber". Steuerhinterzieher, Schwarzarbeiter und Falschgelddrucker, könnte man hinzufügen.

Schon heute hat schlechte Karten, wer in Schweden bar zahlen will. Es gibt dort selbst in den Kirchen keine Klingelbeutel mehr. Die Gläubigen entrichten ihren Obolus am Ausgang direkt per Karte – das Spendenaufkommen hat sich seitdem verfünffacht.

Selbst Obdachlose gehen nicht leer aus. So sind die Verkäufer eines Stockholmer Straßenmagazins schon seit Jahren mit Lesegeräten ausgestattet.

Jeder Bezahlvorgang wird registriert

Auch bei uns gibt es vereinzelt Unternehmen, die bereits komplett auf Bargeld verzichten, wie das Hamburger Café "Public Coffee Roaster". Hier kann nur mit Karte bezahlt werden. Für Geschäftsführer Argin Keshishian liegen die Vorteile auf der Hand: "Allein für das Zählen des Bargelds brauchten wir eine halbe Stunde am Tag, die können wir jetzt sinnvoller nutzen."

Man müsse außerdem immer größere Mengen an Wechselgeld auf Vorrat haben. Allein dafür und für den Transport des Bargelds brauche es Versicherungen und Security.

Selbst falsches Wechselgeld kostet. Insgesamt summieren sich die Verluste für Banken, Gastro und Handel laut einer Studie des Research Centers for Financial Studies München auf rund acht Milliarden Euro jährlich.

Wohl auch deshalb haben Aldi, Lidl, Rewe und andere Handelsriesen das "kontaktlose Bezahlen" mittels Kreditkarte oder Smartphone/-watch eingeführt. Dabei braucht der Kunde weder Bargeld noch PIN oder Unterschrift, sondern eine spezielle Kreditkarte (mit Funksymbol), die an ein NFC (Near Field Communication)-Kartenlesegerät gehalten wird, oder ein NFC-fähriges Mobilgerät (der NFC-Chip ist in den meisten aktuellen Handys enthalten).

Ist Bezahlen mit dem Handy sicher?

Immer mehr Banken bieten diesen Service an, meist in Verbindung mit einer Kreditkarte oder Girocard. Die Karten­daten sind auf dem Smartphone hinterlegt, mit dem man dann bezahlen kann wie mit einer kontaktlosen Karte.

Hat das Smartphone eine NFC-fähige SIM-Karte, kann man auch eine Wallet-App nutzen, eine digitale Geldbörse.

Das bieten die großen Mobil­funkanbieter Telekom, Telefónica und Vodafone an. Nutzer eines iPhones sind vom kontaktlosen Bezahlen per Smartphone noch ausgeschlossen. Das iPhone 6 und die Apple Watch haben zwar eine NFC-Antenne, doch den Apple-eigenen Bezahl­dienst ApplePay gibt es noch nicht in Deutsch­land.

Wie sicher ist kontaktloses Bezahlen? Die Banken behaupten, es sei so sicher wie eine gewöhnliche EC-Kartenzahlung. So haben viele Banken und Sparkassen, die kontaktloses Bezahlen eingeführt haben, ein maximales Limit für solche Zahlungen festgelegt. Für falsch abgebuchtes Geld bis 25 Euro haftet die Bank, ansonsten der Händler.

Außerdem gibt es die Möglichkeit, sich nach einer Transaktion per SMS oder in einer App informieren zu lassen. Die Push-Nachricht erfolgt in Echt-Zeit, sodass ein Betrug früh auffallen würde.

Wofür wir Geld ausgeben, verrät viel über uns

Ein relevantes Sicherheitsthema ist natürlich der Datenschutz. Bei jeder Karten- oder Online-Zahlung gibt man Informationen preis. Es braucht also Vertrauen in die Hausbank und die technischen Dienstleister.

Beim kontaktlosen Bezahlen werden keine personenbezogenen Daten übermittelt, da der Name des Karteninhabers nicht auf dem Chip abgespeichert wird. Sensible Daten werden separat gehalten. Mindestens die Bank muss dabei natürlich trotzdem jeden Vorgang festhalten.

Was dennoch für Bargeld spricht

Trotz dieser Innovationen hält Bargeld immer noch alle Trümpfe in der Hand: Zum einen ist es das gesetzliche Zahlungsmittel in Deutschland. Zum anderen ist es anonym, niemand kann eine Barzahlung nachverfolgen.

Jeder kann damit zahlen (auch Jugendliche unter 18 Jahren oder Menschen, die keine Karte oder kein Handy haben).

Außerdem fördert Bargeld die "Haushalts"-Disziplin: Wer einfach nur eine Karte zücken oder im Internet klicken muss, ist schnell mal in den roten Zahlen, ohne dass er es überhaupt merkt.

Bargeld lässt sich also nicht so leicht ersetzen, wie sich das manch einer vorstellt. "Der Anteil der Transaktionen wird zurückgehen", meint Hauptgeschäftsführer des Bankenverbands, Michael Kemmer, "aber es wird auch in 50 Jahren noch Bargeld geben."

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