Ist die aktuelle Regelung bei der Erbschaftssteuer legal? Darüber verhandelt das Bundesverfassungsgericht ab heute. Dabei geht es um die Frage, ob Betriebs- und Privatvermögen steuerlich anders behandelt werden darf - und nicht um die Frage, ob die Erbschaftssteuer generell abgeschafft werden soll. Dennoch: Immer wieder wird die Abschaffung der Erbschaftssteuer gefordert. Dabei hat sie eine wichtige Funktion.
Auf den ersten Blick mag es fragwürdig erscheinen: Da hat man sein ganzes Leben lang hart gearbeitet, es mit einer guten Idee oder viel Fleiß zu etwas Wohlstand gebracht. Und dann, am Lebensende, kommt der Staat und holt sich über die Erbschaftssteuer einen Teil des Vermögens, sobald es an die Nachkommen weitergegeben werden soll.
Hier wird zweimal zugelangt, so argumentieren die Gegner der Abgabe: Einmal, wenn Geld erwirtschaftet wird, und dann noch einmal, wenn es vererbt wird. Diese Doppelbesteuerung sei ungerecht. Auf den ersten Blick mag da was dran sein. Doch bei genauerem Hinsehen wird klar: Für die Erbschaftssteuer gibt es gute Gründe.
Gerechtere Verteilung durch die Erbschaftssteuer?
Zunächst einmal wird sie nicht für jeden vererbten Cent fällig, sondern erst ab einem bestimmten Vermögen. Je nach Verwandtschaftsgrad gelten Freibeträge, die der Staat unangetastet lässt. Sie liegen zwischen 20.000 Euro für nicht-verwandte Erben und 500.000 Euro, wenn es an den Ehepartner geht. Das heißt bis zu einer halben Million Euro können also steuerfrei vererbt werden.
Darüber hinaus kommt der Erbschaftssteuer eine gesellschaftspolitische Aufgabe zu: Sie soll verhindern, dass sich der Großteil des Vermögens im Land in der Hand einiger Weniger konzentriert. In Deutschland ist das Vermögen laut einer Studie des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung im internationalen Vergleich besonders ungleich verteilt. Während etwa ein Fünftel aller Erwachsenen über gar kein persönliches Vermögen verfügt, besitzt das reichste Zehntel der Bevölkerung ein Nettovermögen von je mindestens 217.000 Euro. Insgesamt verfügen die reichsten zehn Prozent über mehr als 60 Prozent des Vermögens in Deutschland.
Die Erbschaftssteuer soll zu einer gerechteren Verteilung beitragen, indem etwas von dem Vermögen, das sich in den Händen Weniger sammelt, an den Staat zurückgeführt wird. Laut einer Untersuchung des Max-Planck-Instituts für Gesellschaftsforschung sei das gerechtfertigt, da die Vermögenden von den staatlichen Errungenschaften wie der Rechtssicherheit oder der öffentlichen Infrastruktur profitierten. Also, so das Argument, sollten sie sich auch an deren Finanzierung beteiligen. Zumal mit der Erbschaftssteuer niemandem etwas weggenommen werde, sondern sich lediglich der "leistungsfrei erlangte Zugewinn" verringere, der an die Erben geht.
Erbschaftssteuer: Staatliche Einnahmen sind überschaubar
Das Problem an dem Gedanken hinter der Erbschaftssteuer: Die jährlichen Einnahmen sind überschaubar. 2013 lagen sie bei 4,63 Milliarden Euro. Zum Vergleich: Über die Lohnsteuer nahm der Staat im selben Jahr 158,2 Milliarden Euro ein.
Die Gegner der Steuer bringen auch gerne an, dass es besser sei, das Geld in der Familie zu halten und so vorzusorgen, statt es in Haushaltslöchern versickern zu lassen. Doch das Argument ist schief, denn was ist mit den Leuten, die eben kein Vermögen besitzen und auf staatliche Unterstützung angewiesen sind?
In der Untersuchung des Max-Plank-Instituts schlägt dessen Direktor Jens Beckert stattdessen vor, Erbschaften künftig als Einkommensart bei der Einkommenssteuer zu erfassen. Das haben auch Finanzwissenschaftler bereits empfohlen. Der Vorteil: Erbschaften würden nicht mehr anders besteuert als Einkünfte aus Arbeit - und mit den Mehreinnahmen ließen sich am Ende sogar die Einkommensteuern senken.
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