Wenn die Grundsteuererklärung fehlt, tragen Finanzämter die Werte zusammen. Wo es keine Unterlagen gibt, schätzen sie. Für Steuerzahlerinnen und Steuerzahler kann das teure Folgen haben.
Die Gewerkschaft der Finanzbeamten hat schon mehr Personal gefordert: Die Deutsche Steuer-Gewerkschaft Nordrhein-Westfalen schaut mit Sorge auf den Berg an Arbeit in den kommenden Wochen und Monaten. Der Grund: Die Grundsteuererklärung. Denn das Finanzministerium des Bundeslandes hat bereits Anfang Juni angekündigt, dass nach den Sommerferien die Beamten anfangen sollen zu schätzen. Auch andere Länder beginnen nun damit.
Geschätzt werden fehlende Werte für die Grundsteuer. Die entsprechende Grundsteuererklärung haben deutschlandweit noch immer mehrere Millionen Grundstücksbesitzer nicht eingereicht.
Wie die Nachrichtenagentur dpa berichtet, fehlten Ende Juni allein in Nordrhein-Westfalen noch rund 600.000 Erklärungen, in Bayern circa 500.000 und in Berlin knapp 90.000. Und das, obwohl die Frist für die Abgabe bereits verlängert worden ist. Manche Bundesländer haben sogar noch eine Kulanzzeit eingeräumt und dann Erinnerungsschreiben an säumige Eigentümer verschickt.
Abgabe der Erklärung ist Pflicht
Einige Hausbesitzer seien von der Grundsteuererklärung schlicht überfordert, erklärt Sibylle Barent das Problem. Sie ist Leiterin der Abteilung Steuer- und Finanzpolitik beim Eigentümerverband Haus und Grund. "Da müssen viele Unterlagen zusammengesucht werden. Fachbegriffe wie Flurstücknummer oder Kataster machen es zusätzlich kompliziert. Außerdem sollen die Formulare möglichst digital eingereicht werden. Das ist ein Problem, besonders für ältere Eigentümer."
So fehlt also ein halbes Jahr, nachdem in den meisten Bundesländern die Frist abgelaufen ist, noch etwa jede zehnte Erklärung. Dabei ist die Abgabe Pflicht, denn das Bundesverfassungsgericht hat eine Erneuerung der Berechnung der Grundsteuer verlangt.
Die Werte, anhand derer die Steuerhöhe zuletzt bemessen worden sind, waren veraltet. Deshalb müssen nun frische Daten her. Und die Zeit drängt: Die Finanzämter sollen ihre Vorberechnungen bis Ende des Jahres an die Kommunen melden, damit diese die Höhe der Grundsteuer festlegen können.
Zuschlag für Verspätung
Wenn die Eigentümer selbst nach Erinnerungsschreiben nicht liefern, ziehen die Finanzämter deshalb nun die Daumenschrauben an. "Wie stark, das liegt im Ermessen der Finanzämter", erklärt Barent. Möglich sind zum Beispiel Verspätungszuschläge. Üblich seien 25 Euro pro angefangenem Verspätungsmonat.
"Allerdings nutzen die Bundesländer die Möglichkeiten ganz unterschiedlich", berichtet die Expertin. Nordrhein-Westfalen zum Beispiel hat angekündigt, keine Zuschläge zu verhängen. Auch, weil der dazugehörige Papierkram die Finanzbeamten noch stärker belasten würde.
Das letzte Mittel ist, die fehlenden Werte eines Grundstückes einfach selbst zusammenzustellen und dort, wo es keine Unterlagen gibt, zu schätzen. "Bei der Grundstücksgröße oder den Bodenrichtwerten gibt es keinen Spielraum. Das ergibt sich meist aus alten Dokumenten oder ist amtlich festgelegt. Genauso wie der Mietwert", weiß Barent.
Doch wie viel Wohnfläche besitzt ein Gebäude? Ist der Dachboden ausgebaut, müssen Dachschrägen vielleicht abgezogen werden und wie groß ist die Terrasse, die nur anteilig berücksichtigt wird? So etwas müssen die Finanzbeamten schätzen. Auch von einer Kernsanierung können sie ohne die entsprechende Erklärung nichts wissen.
Schätzung ist meist teuer
"Eine Schätzung fällt meist zuungunsten der Steuerpflichtigen aus. Die Finanzbeamten gehen da in der Regel an die möglichen Obergrenzen", so Barent. Obendrauf kann zusätzlich noch ein Sicherheitszuschlag kommen, heißt es von der Steuer-Gewerkschaft.
Aus den ermittelten Werten ergibt sich der Grundsteuermesswert, den das Finanzamt dem Grundstückseigner in einem Bescheid mitteilt. Zusammen mit dem Hebesatz, den jede Kommune noch festlegen muss, bestimmt der Grundsteuermesswert, wie viel Grundsteuer ein Eigentümer ab 2025 zahlen muss. Und die kann mit Schätzwerten als Basis höher ausfallen als nötig.
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Allerdings können und sollten Steuerpflichtige auf den Bescheid des Finanzamts reagieren, rät Barent. "Eigentümer sind auch nach einer Schätzung weiterhin verpflichtet, eine eigene Steuererklärung einzureichen. Dafür setzt das Finanzamt in dem Schreiben noch einmal eine neue Frist – und damit lässt sich auch ein möglicherweise zu hoher Schätzwert korrigieren." Wird innerhalb dieser Frist kein Einspruch eingelegt, gilt der Bescheid mit dem Schätzwert - und der ist für sieben Jahre bindend.
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