- Am Montag ist in Berlin die zweite Stufe des Mietendeckels in Kraft getreten.
- Nach Berechnung eines Hamburger Forschungsinstituts könnten davon weitaus mehr Menschen profitieren als vom Senat erwartet.
- Verbände und Wissenschaftler üben erneut scharfe Kritik am Mietendeckel.
Von der zweiten Stufe des Berliner Mietendeckels könnten nach Berechnung des privaten Hamburger Forschungsinstituts F+B weitaus mehr Menschen profitieren als vom Senat erwartet.
Demnach haben die Bewohner von etwa 512.000 Wohnungen seit Montag Anspruch auf eine Mietsenkung. Der Senat geht von 340.000 Wohnungen aus.
Nach dem bundesweit einmaligen Gesetz zum Mietendeckel sind die Mieten für rund 1,5 Millionen Wohnungen auf dem Stand von Juni 2019 eingefroren. Seit Montag müssen zudem überhöhte Bestandsmieten gesenkt werden. Das gilt, wenn eine Miete mehr als 20 Prozent über den festgelegten Obergrenzen liegt.
F+B war mehrfach an der Erstellung der Berliner Mietspiegel beteiligt. Diese wurden mit dem Mietendeckel außer Kraft gesetzt.
Größte Senkungen in gut ausgestatteten Altbauwohnungen
Laut F+B sind Mietsenkungen von insgesamt knapp 21 Millionen Euro je Monat möglich. Das entspräche im Durchschnitt rund 40 Euro pro Monat. Die größten Senkungen können demnach Mieter in gut ausgestatteten Altbauwohnungen erwarten. Dort waren die Mieten in den vergangenen Jahren besonders stark gestiegen.
Der Berliner Mieterverein empfiehlt Mietern zu überprüfen, ob die Höhe ihrer Miete dem Mietendeckel-Gesetz entspricht.
Den Mietendeckel kritisieren sowohl Wissenschaftler als auch Verbände. Das Institut der deutschen Wirtschaft (IW) wertete das umstrittene Gesetz als Hindernis für Modernisierung und Instandhaltung bestehender Wohnungen.
Der Eigentümerverein Haus & Grund sprach von einem schlechten Tag für Vermieter und Mieter gleichermaßen. Der Mieterverein riet dazu, mögliche Ersparnisse bis zu einem Urteil des Bundesverfassungsgerichts über das Gesetz beiseite zu legen.
Laut IW erschwert der Mietendeckel die Wohnungssuche in der Hauptstadt. Seit Anfang des Jahres sei in Berlin die Anzahl verfügbarer Mietwohnungen, die 2014 oder früher gebaut wurden, bereits um 47 Prozent gesunken. Der Anteil von Eigentumswohnungen stieg hingegen um 4,7 Prozent. Der Mietwohnungsmarkt würde somit kleiner und "schwerer zugänglich für einkommensarme Haushalte".
Weniger Investitionen in die Qualität bestehender Wohnungen
Problem des Mietendeckels ist laut IW, dass nach entsprechenden Eingriffen in Eigentumsrechte kaum noch in die Qualität bestehender Wohnungen investiert werde. Energetische Modernisierungen oder altersgerechter Umbau würden somit unwahrscheinlich, auch grundlegende Instandhaltungsmaßnahmen würden seltener durchgeführt.
Scharfe Worte kamen von den Eigentümern: Bereits jetzt gebe es "spürbar weniger Mietwohnungen im Angebot in Berlin und ab heute werden auch keine Investitionen mehr vorgenommen in Gebäude", sagte der Präsident des Wohnungseigentümervereins Haus & Grund, Kai Warnecke, dem Sender rbb. Dadurch werde sich der Zustand von Wohnungen und Häusern verschlechtern.
Warnecke äußerte sich jedoch zuversichtlich, dass das Bundesverfassungsgericht dem Mietendeckel "einen Riegel vorschieben wird". Dabei komme es nicht auf Fragen des Mietrechts oder das Recht auf Wohnen an, sondern es werde darauf ankommen, ob das Land Berlin mietrechtliche Regelungen treffen darf. "Wir gehen davon aus, dass allein der Bund zuständig ist für diese Regelung."
Auch die Berliner CDU kritisiert den Mietendeckel
Auch die Berliner CDU kritisiert den Mietendeckel. Dieser untergrabe den Wohnungsneubau und somit "das Fundament eines stabilen Wohnungsmarktes", wie der Vorsitzende der Berliner CDU, Kai Wegner, erklärte. Ziel müsse sein, mehr bezahlbare Mietwohnungen zu bauen. "Mehr Bauland, weniger Bürokratie und ein mittelstandsfreundliches Vergaberecht gehören ganz nach oben auf die Tagesordnung."
Der Berliner Mieterverein empfahl den Mietern in der Hauptstadt, selbst zu überprüfen, ob sie zu viel für ihre Wohnung zahlen. "Es wird einen großen Teil von Vermietern geben, die das missachten wollen und deshalb müssen Mieter überprüfen, ob tatsächlich ab 23. November eine Senkung vorgenommen wird", sagte der Geschäftsführer des Berliner Mietervereins, Reiner Wild, dem rbb.
"Wir empfehlen den Mietern, zunächst noch ein paar Tage zu warten, und wenn bis zum 2. Dezember keine Reaktion des Vermieters da ist, dann selbst aktiv zu werden." Dann müsse der Mieter den Vermieter auffordern, die Miete zu senken. Allerdings sollten die Mieter das eingesparte Geld bis zur Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts erst einmal zurücklegen. (AFP/dpa/lh)
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