- Der Krieg in der Ukraine hat unmittelbare Auswirkungen auf die deutsche Wirtschaft.
- Was bedeutet das konkret für den einzelnen Verbraucher?
- Wir zeigen, welche Waren knapp werden könnten und wo Sie mit steigenden Preisen rechnen müssen.
Der Krieg in der Ukraine wird auch in den Geldbeuteln der deutschen Verbraucher zu spüren sein. Gründe dafür sind etwa unterbrochene Lieferketten oder die Sanktionspakete gegen Russland. Spannend dürfte vor allem die Entwicklung der Energiepreise sein. Diese steigen bereits seit Monaten. Mit dem Konflikt in der Ukraine könnte sich diese Entwicklung noch drastisch verschärfen.
“Je abhängiger der Bürger in seiner privaten wie beruflichen Mobilität von fossilen Energien (einschließlich Flugreisen) ist, desto mehr wird er den Krieg spüren, an der Tankstelle und beim Öl- und Gaspreis für das Heizen seiner Wohnung.“ Das sagt Rolf Langhammer vom Kiel Institut für Weltwirtschaft.
Die Benzinpreise schlagen zurzeit ohnehin alle Rekorde. Alleine im Februar stiegen diese um ca. 11 Prozent. Der Allgemeine Deutsche Automobil-Club (ADAC) schreibt dazu in einer Meldung: “Wichtigste Ursache für die dramatische Verteuerung an den Zapfsäulen ist laut ADAC der Preisanstieg beim Rohöl, der weitgehend auf den jetzt entbrannten Krieg in der Ukraine zurückzuführen ist. Der Preis für ein Barrel Rohöl der Sorte Brent pendelt seit einigen Tagen um die 100 US-Dollar. Noch vor drei Monaten lag der Ölpreis bei etwa 70 Dollar.“
Ukrainekrise: Explodieren bald die Energiepreise?
Da liegt die Vermutung nahe, dass die Preise bald explodieren könnten. Allerdings dürfe man Preisbewegungen nicht einfach in die Zukunft hochrechnen, wie Rolf Langhammer erklärt. Und doch erwartet der Wirtschaftswissenschaftler eine weitere Preissteigerung. “Kurzfristig werden wir uns auf höhere Energiepreise einstellen müssen, weil die alten energieintensiven Technologien noch verwendet werden und alternative fossile Energien wie LNG teurer und knapper sind.“
Auch die Preise für manche Lebensmittel steigen rasant an. Die Ukraine ist einer der wichtigsten Rohstofflieferanten der deutschen Ernährungsindustrie. 2021 bezog Deutschland Agrarrohstoffe im Wert von mehr als einer halben Milliarde Euro aus dem Land. Darunter vor allem Ölfrüchte, Hülsenfrüchte sowie Öl- und Senfsaaten, aber auch verarbeitete Produkte wie Öle, Fett und Geflügel. Aus Russland wiederum bezieht Deutschland Rohstoffe wie Ölfrüchte, Schalen- und Trockenfrüchte sowie Fisch, etwa Alaska-Seelachs.
“Einschränkungen der Warenströme“ – damit müssen Verbraucher rechnen
Der Verband der ölsaatenverarbeitenden Industrie in Deutschland (OVID) rechnet daher in den kommenden Wochen und Monaten “mit Einschränkungen der Warenströme von Sonnenblume, Lein und Soja aus der Konfliktregion“ wie es in einer Mitteilung heißt. Dabei seien kurzfristige Engpässe bei einzelnen Rohstoffen nur sehr schwer zu substituieren.
Auch die heimische Versorgung mit Eiweißfuttermitteln aus Sonnenblumen, Raps oder Soja für Rind, Schwein und Geflügel werde betroffen sein, so OVID. Schließlich stammen mehr als zwei Drittel des europäisch erzeugten Sojas aus Russland und der Ukraine. Das könnte wiederum Auswirkungen auf die Fleischpreise haben.
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Stefanie Sabet von der Bundesvereinigung der Deutschen Ernährungsindustrie betont, “dass wir uns bereits vor dem Ausbruch des Ukrainekriegs in der größten Rohstoffkrise seit dem zweiten Weltkrieg befanden. Der Ukrainekrieg wird die Situation weiter verschärfen, da Importe aus Russland und der Ukraine entfallen und zugleich Rohstoffe auf dem Weltmarkt insgesamt knapper und teurer werden.“
Händler reagieren auf den Ukrainekrieg
Doch auch wenn die Lieferketten aktuell gestört seien, sei zurzeit kein Versorgungsengpass absehbar. “Die Hersteller haben in der Regel längerfristige Verträge mit den Händlern, so dass Verteuerungen bei den Rohstoffen nicht unmittelbar bei der Preisen im Laden niederschlagen“, so Sabet. Rolf Langhammer ergänzt: “Viele Preise sind spekulativ beeinflusst und von Erwartungen geprägt. Diese Preise können sich auch wieder zurückbilden.“
Auf einem anderen Blatt steht dagegen, wie einzelne Händler auf die Situation reagieren. Die Handelskette Netto etwa verbannte kurzerhand jegliche Waren aus Russland aus ihrem Sortiment. Und wer Fernreisen geplant hat, sollte sich nach eventuellen Änderungen der Route informieren, schreibt die Verbraucherzentrale. Für EU-Linien ist der russische Luftraum gesperrt, Flüge nehmen teilweise große Umwege, Anschlüsse können verpasst werden.
Preisspirale – zieht die Inflation durch den Ukrainekrieg weiter an?
Auch die Börsen reagierten empfindlich in den ersten Tagen des Krieges. Besteht hier eine Gefahr für Anleger? “Der Handel mit russischen Staatsanleihen spielt eine untergeordnete Rolle“, sagt Rolf Langhammer. “Investoren werden weiterhin auf das Zinsgefälle zwischen den USA und Europa schauen und erwarten, dass die Fed die Zügel eher anzieht als die EZB. Das hat sich auch nach dem russischen Überfall nicht geändert.“
Wie sich die Lage langfristig entwickelt, ist kaum seriös vorherzusagen. In einzelnen Bereichen ist der Preisdruck jedoch bereits spürbar. Wird damit auch die Inflation bald explodieren? Rolf Langhammer rechnet nicht damit. “Es ist aber nicht ausgeschlossen, dass bei einer längeren militärischen Auseinandersetzung die 5-Prozent-Schwelle in der Inflation zweitweise überschritten werden könnte.“
Langhammer liegt mit seiner Vermutung richtig. So vermeldete das Statistische Bundesamt eine voraussichtliche Inflationsrate von +5,1 % im Februar 2022.
Verwendete Quellen:
- Interview mit Rolf Langhammer
- Interview mit Stefanie Sabet
- ADAC: Spritpreise im Februar so hoch wie nie
- OVID – Verband der ölsaatenverarbeitenden Industrie in Deutschland e. V.: Ukraine-Krieg verknappt die Versorgung mit Speiseölen und Eiweißfutter
- Pressemitteilung Salling Group: Salling Group unterstützt Kriegsopfer in der Ukraine (28. Februar 2022)
- Pressemitteilung Statistisches Bundesamt: Inflationsrate im Februar 2022 voraussichtlich +5,1 % (1. März 2022)
- Lebensmittelzeitung: Ukraine ist wichtiger Lieferant
- Verbraucherzentrale: Krieg in der Ukraine: Worauf wir uns in Europa einstellen müssen
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