- Ab 2025 soll die Grundsteuer für Millionen Immobilieneigentümer neu berechnet werden.
- Doch bereits bis 31. Oktober müssen Eigentümer dafür Daten an die Finanzbehörden übermitteln.
- Viele ächzen dabei über den bürokratischen Aufwand. Finanzminister Lindner denkt deshalb über eine Verlängerung der Frist nach.
Nach zahlreichen Beschwerden von Eigentümern und Steuerberatern denkt Bundesfinanzminister
Als Reaktion auf Kritik einer Bürgerin beim Tag der offenen Tür der Bundesregierung sagte der FDP-Chef am vergangenen Samstag im Finanzministerium: "Ich mache mir auch Sorgen, wie das gegenwärtig abläuft."
Er lasse sich regelmäßig über Fortschritte bei der Datenerhebung informieren. Lindner fügte hinzu: "Möglicherweise muss man da sich vorbehalten, noch einmal an den Fristen etwas zu machen."
Technische Probleme erschweren Grundsteuerreform
Hintergrund von Lindners Aussagen ist eine Reform der Grundsteuer-Berechnung. Diese soll ab 2025 gelten. Dafür müssen fast 36 Millionen Grundstücke in Deutschland neu bewertet werden. Das geschieht auf Grundlage von Angaben, die Eigentümer nun einreichen müssen - seit dem 1. Juli nehmen die Finanzbehörden die Daten entgegen.
Weil die Bundesländer die Grundsteuer künftig nach unterschiedlichen Modellen berechnen, unterscheiden sich auch die abgefragten Angaben. In manchen Ländern sind zum Beispiel der Bodenrichtwert und die Grundstücksfläche anzugeben, in anderen Katasterangaben wie Flurstück und Flurnummer sowie Alter des Gebäudes und dessen Nutzung.
Mitte Juli kam es bei der Steuer-Plattform "Elster" zu technischen Schwierigkeiten. Sie war vorübergehend nicht erreichbar. Die Bundessteuerberaterkammer und der Deutsche Industrie- und Handelskammertag sowie einige Landespolitiker forderten daraufhin eine Verlängerung der Abgabefrist, die regulär am 31. Oktober endet.
Nur die wenigsten Eigentümer haben ihre Daten bereits übermittelt
Laut einer Umfrage der "Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung" (FAS) unter den Bundesländern haben bislang auch nur relativ wenige Besitzer privater Grundstücke ihre Grundsteuererklärung abgegeben. Demnach liegt die Abgabequote je nach Land leicht über oder sogar unter zehn Prozent der erwarteten Erklärungen.
Die wenigsten Abgaben gab es laut Bericht bislang in Mecklenburg-Vorpommern mit einer Quote von 4,2 Prozent. Brandenburg liegt bei 5,2 Prozent. Berlin kommt auf 6,7, Thüringen auf 7,4 und Sachsen auf 7,6 Prozent. Sachsen-Anhalt und Hamburg liegen mit 8,9 Prozent gleichauf. Es folgen das Saarland (9,5 Prozent) und Baden-Württemberg (9,6 Prozent).
Lediglich in sechs Ländern liegt die Abgabequote den Angaben zufolge bei über zehn Prozent. Am besten steht Hessen mit 13,9 Prozent da. Es folgen Niedersachsen (12,7 Prozent), Schleswig-Holstein (11,9 Prozent) und Bayern (11,6 Prozent). Bremen kommt auf 10,4 und Rheinland-Pfalz auf 10,6 Prozent. Nordrhein-Westfalen lieferte dem Bericht zufolge keine Daten.
Laut "FAS" sind die Zahlen der einzelnen Bundesländer nicht völlig vergleichbar, weil einige Erklärungen auf Papier hinzuzählen oder Grundsteuererklärungen für landwirtschaftliche Flächen mit einrechnen und die Stichtage leicht variieren.
Bundesländer geben sich entspannt: Experte warnt vor hohem Aufwand
Über die Abgabequoten sind die Bundesländer derzeit noch nicht alarmiert: Es sei nachvollziehbar, dass in Anbetracht der Sommer- und Ferienzeit viele Steuerpflichtige die Frist ausnutzten, schrieb die Hamburger Finanzbehörde der "FAS".
Schleswig-Holsteins Finanzministerin Monika Heinold (Grüne) sagte der Zeitung: "Die Erfahrung zeigt, dass die Dynamik bei der Abgabe von Steuererklärungen mit Ende der Fristen immer deutlich zunimmt."
Bis zum 31. Oktober sind es zwar noch etwas über zwei Monate. Holger Freitag, Vertrauensanwalt des Verbands privater Bauherren (vpb), warnt jedoch davor, den Aufwand für das Zusammensuchen der Unterlagen zu unterschätzen.
"Wer nichts hat, sollte sich kümmern. Die Ämter sind nicht darauf ausgelegt, dass 30 Millionen Immobilienbesitzer losstürmen." Es könnte also mancherorts zeitlich knapp werden. Eigentümer sollten lieber jetzt mit dem Zusammenstellen anfangen und es nicht auf die lange Bank schieben.
Woher bekommen Eigentümer die notwendigen Daten?
Die Angaben müssen Immobilieneigentümer grundsätzlich selbst beschaffen. Das dürfte aufwendig werden. Fläche, Nutzung, Baujahr und Sanierungen stehen meistens in den Bau- und Kaufunterlagen, ebenso wie Mit- und Sondereigentumsanteile bei Eigentumswohnungen.
Aber schon bei Anbauten ist vielleicht Nachmessen erforderlich und auch Bodenrichtwerte gilt es erst einmal zu recherchieren. Dabei hilft das amtliche Bodenrichtwertinformationssystem (Boris) des jeweiligen Bundeslands.
Regulär sind diese Angaben zahlungspflichtig. "Für die Grundsteuer stellen die Behörden die Daten jedoch kostenlos bereit", sagt Sibylle Barent vom Eigentümerverband Haus & Grund Deutschland. Flurstück und Flurnummer können über das Katasteramt besorgt werden.
Nach Auskunft der Geschäftsführerin der Bundessteuerberaterkammer (BStBK) Claudia Kalina-Kerschbaum planen einige Bundesländer, bereits in den Informationsschreiben relevante Angaben für die Grundsteuer zur jeweiligen Immobilie mitzuteilen.
Das würde Eigentümern die Arbeit erleichtern. Eigentümerinnen und Eigentümer sollten die Daten aber anhand der eigenen Unterlagen auf Richtigkeit überprüfen und bei Bedarf korrigieren, rät Kalina-Kerschbaum .
Wie kommen die Unterlagen zum Finanzamt?
Die Abgabenordnung sieht die Übermittlung der Grundsteuerfeststellungserklärung über das elektronische Elster-Portal vor. Dort wollen die Bundesländer Formulare zum Eintragen der Grundsteuerangaben hinterlegen. Entsprechend den verschiedenen Steuermodellen wird es abweichende Formulare geben.
Die Abgabe in Papierform wird in Ausnahmefällen möglich sein. Etwa, wenn jemand weder einen PC noch PC-Kenntnisse hat. Wer die Papier-Option nutzen will, stellt einen formlosen, begründenden Antrag bei der Finanzverwaltung, so Haus & Grund. Auch hier gilt: Frühzeitig kümmern, damit man die Formulare zügig erhält. Neben Papier gibt es zum Elster-Portal weitere Alternativen: Verwandte oder Freunde um Dateneingabe bitten - oder den Steuerberater.
Wozu nutzt der ganze Aufwand?
Basierend auf den Auskünften der Eigentümerin oder des Eigentümers erstellt die Finanzverwaltung dessen Grundsteuerwertbescheid. Den sollen Eigentümer voraussichtlich von 2023 an bekommen. Das Dokument ist zentral: Es bildet die Grundlage für den Messbescheid. Aus diesem berechnen die Kommunen am Ende die Grundsteuer, die dann von 2025 an zu zahlen ist.
Weil also der Wertbescheid über die Höhe der Steuer mitentscheidet, sollten Eigentümerinnen und Eigentümer ihn gründlich prüfen. "Wer Fehler entdeckt, kann binnen eines Monats nach Bekanntgabe Einspruch beim Finanzamt einlegen", sagt Claudia Kalina-Kerschbaum. Spätere Reklamationen seien ausgeschlossen.
Was passiert bei falschen Angaben?
"Unrichtige Daten fallen dem Eigentümer auf die Füße", sagt vpb-Fachmann Holger Freitag. Wer zu viel Fläche oder zu hohe Werte ansetze, zahle später wahrscheinlich zu viel Grundsteuer. Und wer zu wenig ansetze, begehe Steuerhinterziehung.
Kritik an Grundsteuerreform: "Zu kompliziert und nicht bürgerfreundlich"
Die Grundsteuerreform war im Herbst 2019 unter der Koalition von Union und SPD vom Bundestag beschlossen worden. Damals war der heutige Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) Finanzminister.
Die Neuregelung geht auf das Bundesverfassungsgericht zurück. 2018 kippten die Karlsruher Richter die bisher geltende Grundsteuererhebung auf Basis von Einheitswerten. Diese seien zu alt und ungerecht: Im Westen stammen sie aus dem Jahr 1964, im Osten aus dem Jahr 1935.
Aus der Union kommen angesichts der Debatte um eine Fristverlängerung kritische Töne zu der Reform. "Es zeigt sich: Das vom damaligen Finanzminister Scholz und der SPD durchgesetzte Modell der neuen Grundsteuer ist zu kompliziert und nicht bürgerfreundlich", sagte Mathias Middelberg (CDU).
Der stellvertretende Vorsitzende der Unionsfraktion befürchtet, dass eine Fristverlängerung allein das Problem nicht lösen würde. Er forderte: "Die Steuerpflichtigen müssen vor allem zügige und pragmatische Hilfestellung bekommen." (dpa/thp)
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