In Deutschland wird mehr vererbt als je zuvor. Viele schielen neidisch auf die Menschen, die große Häuser und viel Geld erben. Was kaum jemand erzählt: Selbst ein kleines Erbe kann Familien auf eine harte Probe stellen. Alte Konflikte brechen auf, neue kommen dazu. Aber das muss nicht sein.

Eine Kolumne
Diese Kolumne stellt die Sicht von Ulrike Sosalla dar. Informieren Sie sich, wie unsere Redaktion mit Meinungen in Texten umgeht.

Eine Freundin hat das, was rund um den Tod ihrer Eltern geschah, mit einer riesigen Flutwelle verglichen: "Es kommt auf einen zu, man rennt und rennt, um nur nicht überrollt zu werden." Wie das bei Wellen so ist, weiß man lange nicht, wie hoch sich das Wasser noch auftürmen wird und ob man schnell genug läuft. Und dann irgendwann bricht die Welle – im besten Fall, wenn man selbst nicht mehr direkt darunter ist.

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Ein Todesfall in der Familie oder im engen Freundeskreis ist eine Ausnahmesituation für alle Beteiligten. Trauer, manchmal auch Reue oder Groll, dazu die vielen Telefonate, Mails und Behördengänge, die plötzlich notwendig werden. Kein Wunder, dass viele Menschen sich überfordert fühlen.

Zur Trauer kommt, dass häufig Konflikte in der Familie aufbrechen. Und das passiert beileibe nicht nur bei Großfamilien, dicken Erbschaften und spektakulär enthüllten Testamenten. In einem weiter entfernten Zweig meiner Familie sind die vier Geschwister legendär, die über das - nicht besonders wertvolle - Tafelservice ihrer gerade verstorbenen Mutter in einen monatelangen Streit gerieten, der dazu führte, dass zwei von ihnen jahrelang nicht miteinander sprachen.

Ein erfahrener Mediator bringt es im "Finanztest"-Interview auf den Punkt: "Um Geld geht es meist nur vordergründig", so ein Fazit aus seiner Praxis. Sondern um alte Verletzungen, lang gehegten Groll, das Gefühl, immer zu kurz gekommen zu sein – die Möglichkeiten sind schier endlos. Selbst in gut funktionierenden Familien branden ungeahnte Gefühle auf, wenn ein naher Angehöriger stirbt.

Die gute Nachricht: Es gibt Möglichkeiten, um der Welle zu entkommen, bevor sie über einem zusammenschlägt. Praktisch und dazu sehr hilfreich ist es, die Bürokratie mithilfe einer Checkliste anzupacken. Und emotional ist allen am meisten geholfen, wenn die Familienmitglieder miteinander sprechen – und sich Gefühlsausbrüche in den schwierigen Wochen nach einem Todesfall gegenseitig nicht nachtragen.

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Überblick verschaffen

Wenn man weiß, wie hoch die Welle ist, wirkt sie nur noch halb so beängstigend. Deshalb ist der erste und wichtigste Schritt herauszufinden, was nach einem Todesfall alles getan werden muss. "Finanztest" hat als ersten Anhaltspunkt eine kostenlose Liste zusammengestellt, welche Aufgaben sofort, nach einigen Tagen und welche nach Wochen angegangen werden können.

Sich erst einmal zu informieren, ist auch deshalb wichtig, weil es Regeln gibt, die man nicht unbedingt im Kopf hat. Oder hätten Sie gewusst, dass man jedes Testament und jedes sonstige Dokument, das einen letzten Willen darstellen könnte, beim Nachlassgericht abgeben muss?

Hilfe holen

Wenn Ihnen die Aufgaben über den Kopf zu wachsen drohen, brauchen Sie Hilfe – besser früher als später. Manche Aufgaben kann das Bestattungsinstitut übernehmen, gewöhnlich bietet es das auch an. Dazu zählen etwa die Todesanzeige in der Zeitung, die Meldung an die Rentenversicherung, in einigen Gemeinden auch einen Teil der Behördengänge. Andere Aufgaben können Sie vielleicht an gute Freunde oder weiter entfernte Verwandte abgeben.

Sachlich bleiben

Zugegeben, das ist leichter gesagt als getan – gerade wenn es Streit gibt. Doch in schwierigen Situationen zahlt es sich aus, tief durchzuatmen und ruhig zu bleiben. Denken Sie immer daran, die anderen Beteiligten sind auch mit ihren Nerven am Ende – und jeder Mensch reagiert anders. Empfehlenswert ist, alle Punkte, die nicht zeitkritisch sind, mit etwas Abstand anzugehen. Das gilt vor allem für den Umgang mit dem Erbe und die manchmal schwierigen Gespräche mit den Mit-Erben.

Eine wichtige Frist sollten Erben im Kopf haben: Ein Erbe ausschlagen - etwa, weil man nur Schulden erben würde - darf man nur innerhalb von sechs Wochen. Die Frist beginnt, wenn der Erbfall eingetreten ist. Bei nahen Verwandten ist das in der Regel der Todestag. Gerichte gehen davon aus, dass alle, die das Verwandtschaftsverhältnis kennen, über ihr gesetzliches Erbrecht Bescheid wissen. Ausnahmen gibt es, wenn im Testament nicht verwandte Personen genannt sind oder die Verwandten im Ausland leben.

Eventuell Vermittler einschalten

Manchmal schlagen die Wellen unter den Erben zu hoch, um ihnen auf eigenen Beinen zu entkommen. Wenn Gespräche nichts bringen, kann es sinnvoll sein, einen Mediator oder eine Mediatorin einzuschalten. Sie blicken von außen auf die Situation, sind geschult darin, die richtigen Fragen zu stellen und wenden Vermittlungsstrategien an, um Lösungen für festgefahrene Probleme zu finden.

Am besten ist natürlich, der große Streit bleibt aus. Dafür können Familien einiges tun. Zum Beispiel: Unangenehme Punkte rechtzeitig ansprechen. Meine Großmutter war darin vorbildlich - auch wenn das zu ihren Lebzeiten nicht alle so empfunden haben. Schon gar nicht ihre Schwiegertochter, als sie dieser mitteilte, dass sie ihr Testament so gestaltet hatte, dass die Schwiegertochter keinen Anteil am Haus der Familie erben würde - sondern nur die Söhne und Enkel. Immerhin blieb dadurch der Schock nach der Testamentseröffnung aus und es gab ein glückliches Ende: Die Familie fand für das Haus eine einvernehmliche Lösung und alle Beteiligten sprechen noch miteinander.

Ulrike Sosalla ist stellvertretende Chefredakteurin von "Finanztest" und damit ausgewiesene Fachfrau für Finanzfragen. Das Verbrauchermagazin "Finanztest" gehört zur Stiftung Warentest, die seit 30 Jahren Finanzdienstleistungen testet. Test.de und "Finanztest" sind komplett anzeigenfrei und gewährleisten damit absolute Unabhängigkeit gegenüber Banken, Versicherungen und der Industrie. Die Newsletter der Stiftung Warentest können Sie hier abonnieren.
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