- Gerade im heizintensiven Winter rückt die Frage nach einer sicheren Energieversorgung in den Fokus, und dies weltweit.
- In Deutschland schützen Erdgasspeicher vor spürbaren Engpässen.
- Deren Füllstände aber gehen aktuell zur Neige. Der zuständige Minister Robert Habeck erläutert seinen Notfallplan.
- Was Sie dazu wissen müssen.
Der Winter ist noch lange nicht vorbei, doch die Füllstände der Erdgasspeicher in Deutschland bewegen sich weiterhin auf sehr niedrigem Niveau. Am Dienstag waren sie nur noch zu knapp 45 Prozent gefüllt, wie aus einer Übersicht der europäischen Speicherunternehmen hervorgeht. Zum Vergleich: Vor genau drei Jahren, am 18. Januar 2019, lag der Wert bei 70 Prozent, am 18. Januar 2020 sogar bei 93 Prozent der Speicherkapazität.
Schon seit Anfang Mai 2021 lägen die Füllstände deutlich unter den Vergleichswerten seit Aufzeichnungsbeginn 2011, sagt Sebastian Bleschke vom Branchenverband der Speicherunternehmen, der Initiative Energien Speichern (INES).
Wofür werden die Speicher gebraucht?
Sie gleichen Schwankungen beim Gasverbrauch aus und bilden damit eine Art Puffersystem für den Gasmarkt. Wie gut sie gefüllt sind, hängt von der Jahreszeit ab: Für gewöhnlich sind die Speicher mit Beginn der Heizperiode im Herbst gut gefüllt, im November 2018 etwa lag der Füllstand bei fast 90 Prozent. Bis zum Frühjahr nimmt er dann ab. Ende März 2019 lag er zum Ende des sogenannten Speicherjahres bei 54 Prozent. Ohne Speicher würde die Versorgung an kalten Tagen, wenn alle ihre Heizung aufdrehen, nicht funktionieren, betont Bleschke. Die Speicher liefern dann den Angaben nach bis zu 60 Prozent des in Deutschland verbrauchten Gases.
Wie viele Gasspeicher gibt es in Deutschland?
Laut Branchenverband INES gibt es 47 Untertagespeicher, die von rund 25 Firmen betrieben werden. Zwei Speichertypen kommen zum Einsatz: Kavernenspeicher in Salzstöcken, bei denen das Gas in Hohlräumen lagert, und Porenspeicher, bei denen das Gas in durchlässigen Gesteinen gespeichert wird. Der Anteil der deutschen Gasspeicher an den Kapazitäten der Europäischen Union liegt bei rund einem Viertel. Auch der russische Staatskonzern Gazprom betreibt über eine Tochtergesellschaft zwei Speicher in Deutschland, darunter den bundesweit größten im niedersächsischen Rehden. Auf ihn entfällt rund ein Fünftel der deutschen Speicherkapazität. Seit vielen Monaten ist sein Füllstand sehr niedrig. Am Dienstag lag er bei gut fünf Prozent.
Kommt alles in Deutschland verbrauchte Erdgas aus den Speichern?
Nein, die Speicher ergänzen aber den laufenden Gasbezug aus dem Pipeline-Import. Laut Bundesverband der deutschen Energie- und Wasserwirtschaft (BDEW) lag der Erdgasverbrauch 2021 in Deutschland bei 1003 Terawattstunden. Zum Vergleich: Laut INES können die deutschen Gasspeicher derzeit maximal 255 Terawattstunden Erdgas speichern. Eine strategische Reserve wie beim Öl, die im Ernstfall für drei Monate einen vollständigen Ausfall aller Importe auffangen soll, gibt es für Erdgas nicht. Laut Fabian Huneke vom Beratungsunternehmen Energy Brainpool entspricht die aktuell gespeicherte Gasmenge etwa dem Verbrauch eines Wintermonats.
Warum ist der Gesamtfüllstand der deutschen Speicher so niedrig?
Der Branchenverband INES nennt mehrere Gründe: So war der April 2021 ungewöhnlich kalt, so dass zu Beginn der Auffüllsaison noch einmal viel Gas entnommen wurde. Anschließend seien - anders als in den Vorjahren - im Sommer die Preise gestiegen. Der Gasmarkt habe deshalb verhalten reagiert und nicht so viel eingespeichert, sagt Bleschke.
Das Beratungsunternehmen Energy Brainpool sieht auch im Verhalten des russischen Gasproduzenten Gazprom einen wichtigen Grund. "Die Gasflüsse über die deutschen Grenzen sind unüblich niedrig für diese Jahreszeit - mit Ausnahme von Nord Stream 1, die sind konstant hoch", sagt Fabian Huneke.
Es sei verwunderlich, dass vor dem Hintergrund der hohen Preise und der hohen Nachfrage die Gaslieferkapazitäten Richtung Europa so wenig genutzt würden. "Wenn Gazprom sich marktrational verhalten würde, würden sie die Gaslieferungen nach Europa auch durch die Pipelines, die durch Belarus und die Ukraine führen, verstärken." Den Grund für dieses Verhalten sieht der Energiemarktexperte in der Ukraine-Krise.
Ist Russland der einzige Gaslieferant Deutschlands?
Nein, aber der mit Abstand größte. 2020 kamen laut Monitoringbericht von Bundesnetzagentur und Bundeskartellamt gut zwei Drittel des nach Deutschland importierten Gases aus Russland. Gut 20 Prozent entfielen auf Norwegen, knapp 12 Prozent auf die Niederlande. Zu beachten ist, dass Deutschland auch Transitland ist: Rund 45 Prozent der verfügbaren Gasmenge wurden 2020 durch Deutschland durchgeleitet. Und auch in Deutschland wird Erdgas gefördert. 2020 lag die Menge bei gut fünf Prozent des inländischen Erdgasverbrauchs.
Hohe Gaspreise, leere Speicher: Droht ein Versorgungsengpass?
Experten wollen das zumindest nicht ausschließen. "Solange die russischen Gaslieferungen nach Europa auf dem normalen oder einem leicht unterdurchschnittlichen Niveau weitergehen, ist kein Versorgungsengpass zu erwarten und es bleibt bei einer Energiepreiskrise", sagt Fabian Huneke vom Beratungsunternehmen Energy Brainpool. "Sollten die russischen Gaslieferungen aufhören oder fast aufhören, wird daraus auch eine Mengenkrise."
Allerdings drohe dem russischen Staatshaushalt dann wegen der ausbleibenden Devisen auch eine Art Versorgungsengpass, so Bleschke weiter. Es gebe derzeit jedoch keine Hinweise, dass der russische Gasproduzent Gazprom seine Verträge nicht erfülle. Auch Bleschke hält den Ausfall aller russischen Gaslieferungen für "sehr unwahrscheinlich".
"Wir beobachten die Lage am Gasmarkt sehr genau", teilt eine Sprecherin des Bundeswirtschaftsministeriums auf Anfrage mit. "Die Versorgungssicherheit in Deutschland ist weiter gewährleistet." Auch die Bundesregierung hat keine Anhaltspunkte für Vertragsbrüche. "Die Langfristlieferverträge werden nach unseren Informationen eingehalten."
Was kann die Politik tun?
Zurzeit seien die staatlichen Möglichkeiten auf diesem Gebiet noch sehr begrenzt, sagte Bundeswirtschaftsminister
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Sollten Gaslieferungen aus Russland ausbleiben, hält Habeck nach eigenen Worten ein Ausweichen auf andere Bezugsquellen für möglich. So seien die neu geschaffenen EU-Anlandungskapazitäten für Flüssiggas (LNG) in den Niederlanden, Polen und Italien erst zu 30 Prozent ausgelastet. "Würde man die auf 100 Prozent hochfahren, wäre es kapazitätsmäßig möglich, weite Teile der Importe über LNG abzuwickeln." Da sei aber noch nicht die Frage des Preises berücksichtigt. (dpa/hau)
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