Die Liebe zu Pferden liegt ihr im Blut – und die Vielseitigkeit. Dazu ist Ingrid Klimke eine brillante Reiterin. Genau das macht sie zum Vorbild für viele Pferdefreunde. pferde.de sprach mit ihr über ihre Anfänge, die schönsten Momente und was wir von Pferden lernen können.
Egal, was Ingrid Klimke macht – sie macht es mit ganzem Herzen. Und das spürt jeder, der sie einmal erlebt hat: Ingrid Klimke liebt ihren Beruf, ihre Familie, ihre Pferde, ihr Team. Was sie dagegen nicht mag, ist in Schubladen zu denken. Sie guckt immer über den berühmten Tellerrand.
Dabei beweist Ingrid Klimke, dass man auch auf mehreren Gebieten zu den Besten gehören kann. Bei ihr heißt das: Sie holte in der Vielseitigkeit EM-Gold und auch bei Olympia Mannschafts-Gold. Und Ingrid Klimke gehört mit Franziskus auch zum deutschen Dressur-Olympiakader.
Doch wie kam sie aufs Pferd? Und wie war ihr erstes Turnier? Hier elf Fragen an Ingrid Klimke…
1. Wie kamen Sie aufs Pferd?
Ganz klar: Durch meine Eltern. Meine Mutter sagt immer: Ich konnte eher reiten als laufen. Sie hat mich schon als kleines Kind immer mit vorne auf den Sattel genommen. Durch sie habe ich die Liebe zu Pferden sozusagen schon mit der Muttermilch aufgesogen. Und natürlich auch von meinem Vater. Es liegt mir in den Genen, von beiden Seiten.
2. Wie war Ihr erstes Turnier?
(Lacht.) Das war 1973 – in Aachen! Da gab es eine Jugendreiterprüfung für die Kinder der dort startenden Reiter. Ich war damals fünf Jahre alt und ging mit Atlas, einem Dülmener Wildpferdepony, an den Start. Es war ein Schulpferd und machte seiner Rasse alle Ehre. Beim Einzelgalopp hat er so losgebockt, dass ich runtergefallen bin und weinend im Sand saß.
3. Springen, Dressur, Vielseitigkeit – haben Sie sich da nicht entscheiden können?
Das wollte ich tatsächlich nie – und werde es auch nie. Mein Vater kam aus der Vielseitigkeit, die damals noch Military hieß. Er legte immer Wert darauf, dass Reiter alle Disziplinen trainieren. Aus Vernunftsgründen hat er sich dann später für die Dressur entschieden. Als ich meine ersten Vielseitigkeiten geritten bin, war er immer vor Ort und aufgeregt dabei. Im Herzen blieb er ein Military-Reiter. Für mich ist es gleich, ob Springen, Dressur oder Vielseitigkeit – ich hatte und habe immer Freude an der Arbeit mit den Pferden. Das ist mir das Wichtigste.
4. Welche Eigenschaften braucht ein guter Reiter oder eine gute Reiterin?
Auf jeden Fall die Begeisterung, die Liebe und Leidenschaft zum Pferd. Reiten ist die einzige Sportart, bei der wir nicht mit einem Sportgerät antreten, sondern mit einem Sportpartner. Als Reiter muss mir klar sein: Ohne mein Pferd als Partner wäre ich nur ein Fußgänger. Zusammen können wir alles schaffen, ohne meinen Partner erreiche ich nichts.
Dazu sollte ein guter Reiter Sportlichkeit mitbringen, Ehrgeiz und Durchhaltevermögen. Aber auch Geduld. Es dauert Jahre, bis man mit seinem Pferd zu einem guten Team zusammenwächst. Wichtig ist dabei eine positive Lebenseinstellung, denn gemeinsam wird man Höhen und Tiefen verarbeiten müssen. Nicht zu unterschätzen ist die Persönlichkeit des Pferdes, auf die man sich einstellen können muss – und dabei hilft Kreativität. Das eine Pferd lernt sehr schnell, das andere Pferd braucht seine Wiederholungen. Deshalb muss man für jedes Pferd seinen eigenen Weg finden. Fehlt das Vertrauen, erreichen beide nichts.
5. Was war der schönste Moment in Ihrer Karriere?
Ehrlich, da gibt es nicht den einen Moment. Ich hatte das Glück, dass ich schon viele tolle Momente mit unterschiedlichen Pferden erleben durfte. Es sind sicherlich die ersten Olympischen Spiele in Sydney mit Sleep Late. Das war ein unglaublich schweres Gelände und Sleep Late ist dort einfach mit null Fehlern mit mir durchgaloppiert. Da war ich sehr gerührt. Genauso aber auch mit FRH Butts Abraxxas die Olympischen Spiele in Athen oder in London, das war einzigartig. Aber auch die Olympischen Spiele mit SAP Hale Bob in Rio de Janeiro. Oder im letzten Jahr zum Beispiel bei der Deutschen Meisterschaft in Stuttgart als wir, Franziskus FRH und ich, die Kür gewonnen haben. Was Franz dort gezeigt hat, da wusste ich: Das ist unser Tag.
6. Gab es auch mal einen Moment, an dem Sie aufgeben wollten?
(Lacht.) Ja, das war auch mit Braxxi. 2010 waren wir bei der WM in Kentucky und dort lief es richtig gut. Die Bronzemedaille war zum Greifen nah. Ich hatte die Hoffnung, dass es beim Abschlussspringen diesmal mit null Fehlern ausgeht. Doch am Ende wurden es zwei Fehler und es gab keine Medaille. Das Besondere am Pferdesport ist jedoch, dass die Verbindung mit dem Pferd und die tiefe Kameradschaft, also das Miteinander mit dem Pferd, einen so verbindet, dass einem die Pferde auch ganz schnell wieder aus den Niederlagen rausholen und es weitergeht. Die Pferde machen es einem leicht, wieder nach vorne zu schauen.
7. Welche Ziele haben Sie noch?
Jeden Morgen fahre ich in den Stall, mit dem Ziel, meine Pferde noch besser zu verstehen und noch enger mit ihnen zusammenzuwachsen. Es sind die vielen kleinen Momente, die ich allein ohne Rampenlicht erlebe. Die Freude, wenn ich meine Pferde ausbilde. Ich frage mich dann immer, was wir alles gemeinsam erreichen werden. – Im Moment zum Beispiel mit Freudentänzer, einem zehnjährigen Hengst. Er ist mein Herzenspferd und ich bin gespannt, wie unser Weg noch aussehen wird.
Natürlich schaue ich aber auch immer auf die sportlichen Ziele und Blicke im nächsten Jahr nach Paris. Es ist eine Ehre, für Deutschland zu starten und es ist immer ganz besonders, mit dem Team zusammen zu sein.
8. Was sind Ihre Lieblings-Momente mit Pferden?
Ich bin unglaublich gerne mit den Pferden in der Natur. Wenn ich ausreiten gehe, die Seele baumeln lasse, gemeinsam mit den Pferden die Natur genießen kann und durch den Wald galoppierte. Auf einem Pferd zu sitzen und andere Tiere zu beobachten, das ist wirklich schön. Pferde haben etwas Beseelendes, bei ihnen findet man Ruhe. Einmal im Jahr unternehme ich mit unserem Partner pferdesafari.de GmbH eine spannende Reise, so sind wir vor allem in Afrika unterwegs.
9. Haben Sie ein Seelenpferd?
Ich habe das große Glück, dass ich schon mit sehr vielen Pferden eng zusammengewachsen bin, es gibt also nicht das eine Seelenpferd. Ich mag alle meine Pferde. Ich kann kein Pferd reiten und ausbilden, wenn ich keine Verbindung zu ihm habe. Deshalb würde ich auch kein Pferd annehmen, das ich nur auf einem Video gesehen habe. Ich muss es reiten und spüren. Bei der Arbeit wächst man dann mit dem Pferd zusammen. Aber ein besonderes Seelenpferd habe ich schon: Weisse Düne, eine Schimmelstute. Sie war siebenjährig Weltmeisterin der jungen Vielseitigkeitspferde. Durch sie kam ich zum Horsemanship. Sie ist wirklich ein ganz besonderes Pferd, bei dem ich mich jeden Tag freue, sie zu sehen.
10. Was können wir von Pferden lernen?
Alles, was wir im Leben brauchen. Für mich sind sie irgendwie Seelenheiler. Die Sorgen können noch so groß sein, wenn ich morgens in den Stall komme und meine Hotties begrüßen mich, ist alles vergessen. Pferde spiegeln den Reiter, auch in seiner Art. Ich praktiziere, wie schon erwähnt, Horsemanship und mag die Freiarbeit. Bei dieser Arbeit spürt man sofort, ob man mit dem Pferd verbunden ist, sonst funktioniert es nicht. Wenn ich mich nicht auf das Pferd einstelle und wir auf einer Wellenlänge sind, kann eine Zusammenarbeit nicht klappen. Ich muss mit meiner Aufmerksamkeit voll und ganz beim Pferd sein, um etwas zu erreichen.
11. Welchen Sport machen sie außer Reiten?
Früher bin ich viel gelaufen und geschwommen, das mache ich heute nicht mehr. Aber ich mache zweimal die Woche ein spezielles Programm als Ausgleichsport, auch Physio und Pilates. Ich finde es gut, dass es heute mehr im Bewusstsein ankommt, dass Reiter fit sein müssen. Man will alles tun, damit es dem Pferd gut geht – aber dabei wird manchmal vergessen, dass es auch dem Reiter gut gehen muss. Da sind Jessica von Bredow-Werndl und Benjamin Werndl ja auch sehr aktiv. Sie zeigen diese Aufgeschlossenheit, dass Reiter mehr für sich machen sollten als ‚nur‘ reiten. © Pferde.de
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