Sie ist vierfache Deutsche Meisterin, gehört zum Olympiakader – und das mit gutem Grund: In Tokio holte Regine Mispelkamp die einzige Medaille für das deutsche Para-Dressur-Team. pferde.de fragte die 52-Jährige nach ihren reiterlichen Anfängen, was Reiten für sie bedeutet – und welche Momente mit Pferden sie am meisten genießt.

Mehr zum Thema Haustiere

Reiten? Das ist ihr Leben, sagt Regine Mispelkamp. Vielleicht liegt das daran, dass ihr der Pferdevirus quasi in die Wiege gelegt wurde. Ihre Eltern waren begeisterte Reiter, mit drei Jahren saß Mispelkamp selbst zum ersten Mal auf einem Pony. Und auch beruflich setzte sie voll aufs Pferd, machte eine Ausbildung zur Bereiterin. Bis sie die Diagnose Multiple Sklerose bekam. "Das war für mich und mein Umfeld ein Schock", erinnert sie sich.

Ihr erster Entschluss: Augen zu und weitermachen wie bisher. Auch als ihre Trainerin ihr vorschlug, Richtung Para-Reiten zu gehen, wollte Mispelkamp nicht. "Ich hatte schlichtweg Angst, mit einem ‚Outing‘ meine berufliche Existenz zu zerstören", so Mispelkamp. Doch am Ende wagte sie den Schritt – und hat ihn nicht bereut.

Sie gehört mittlerweile zum Olympiakader der Para-Reiter und holte in Tokio mit Bronze für das Para-Team die einzige deutsche Medaille. Doch wie waren ihre Anfänge? Und welche Momente mit Pferden liebt sie besonders? Hier elf Fragen an Regine Mispelkamp…

1. Wie war Ihr erstes Turnier?

An die ersten Dressurturniere kann ich mich gar nicht mehr so richtig erinnern. Aber mein erstes E-Springen habe ich nie vergessen. Ich hatte ein ausgedientes ehemaliges Springpferd, das wie Milton aussah. Nach dem Startklingeln hatte ich Mühe, den ersten Sprung zu treffen, und so haben wir erst einmal eine Runde um den Platz gedreht. Dann haben wir doch den ersten Sprung geschafft, aber beim zweiten Hindernis war das gleiche Problem. Wir haben wieder eine Runde gedreht und damit war es dann auch schon vorbei… (lacht)

2. Was bedeutet Reiten heute für Sie?

Alles! Ein Leben ohne Pferde kann ich mir nicht vorstellen. Und sie ersetzen auch meine Beine für mich.

3. Welche Eigenschaften braucht ein guter Reiter/eine gute Reiterin?

Vor allem Empathie für Tiere. Ich muss die Anmut der Pferde achten und ihnen mit Respekt begegnen. Und ich muss bereit sein, eine Partnerschaft mit den Pferden einzugehen, denn mit reinem Willen geht es nicht. Im Leistungssport muss man auch über seinen Schatten springen können und sich dann noch anstrengen, wenn man glaubt, dass es nicht mehr geht. Und dann braucht man den Spaß an der Bewegung, der Natur und sollte das ganze Drumherum ums reine Reiten auch gerne machen wollen und diese schönen Momente genießen.

4. Was war der schönste Moment in Ihrer Karriere?

Natürlich war Tokio ein Highlight. Aber wenn ich ehrlich bin: Ich denke dabei an Look At Me Now. Er war zuerst gar nicht so einfach und wir hatten zusammen eine lange Durststrecke. Als er dann zum ersten Mal in einer Aufgabe fokussiert bei mir geblieben ist – das war ein ganz besonderer Moment. Da wusste ich: Jetzt hat er dieses Grundvertrauen zu mir, das wir brauchen.

5. Gab es auch mal einen Moment, in dem Sie aufgeben wollten?

(lacht) Ja – und das war auch mit Look At Me Now. Wir ritten eine Prüfung, auf der Diagonalen kam der starke Galopp und er hat so losgebockt, dass ich fast runtergefallen wäre. Das war der Moment, wo ich dachte: Auch wenn er bereits S ausgebildet ist – das war’s! Wenn jetzt einer kommt und ihn haben will, dann gebe ich ihn weg. Es kam aber keiner (lacht). Und er hat es vielleicht auch gemerkt. Danach hatte ich einen Test of Choice mit ihm. Das hat ihn irritiert, dass er während der Aufgabe plötzlich korrigiert wurde. Da entstand bei ihm eine positive Konzentration. Und ich habe verstanden, wie ich mit ihm umgehen muss: Auf dem Abreiteplatz kann er rumbocken – dann ist er in der Prüfung konzentriert.

6. Welche Ziele haben Sie noch?

Ich habe noch große Ziele! Ich möchte noch weiter im Regelsport reiten, mein Pferd Highlander Light weiter ausbilden und natürlich die Quali für Olympia in Paris schaffen. Wenn es um die Pferde geht, bin ich bis 2028 sehr gut versorgt…

7. Was sind Ihre Lieblings-Momente mit Pferden?

Wenn ich ganz alleine mit ihnen bin – zuhause, auf der Galoppbahn oder auch auf einem Turnier. Ich genieße es, wenn Pferde einfach Pferde sein dürfen. Und ich bin immer glücklich, wenn ein Pferd von innen heraus strahlt. So wie Highlander Delight‘s. Als ich ihn bekam, hat er andere nicht überzeugt. Der trabt nicht, hieß es. Aber ich habe da etwas gespürt und an ihn geglaubt. Und jetzt strahlt er. Und gibt so viel zurück…

8. Haben Sie ein Seelenpferd?

Das ist schwer. Meine Pferde bedeuten mir alle sehr viel und mit jedem gab es besondere Momente. Aber wenn ich einen Namen nennen muss, dann wäre es Highlander Delight‘s. Bei der letzten Quali ging es mir gesundheitlich schlecht. Eine Spritze in meinem Rücken war etwas daneben gegangen. Das hat er gemerkt und mich durch die Prüfung getragen. Ein ganz unglaubliches Gefühl war das.

9. Immer wieder gibt es Kritik am Reitsport. Wie wichtig ist Ihnen das Wohl Ihrer Pferde – und was machen Sie alles, damit es ihnen gut geht?

Das Wohl meiner Pferde steht für mich an erster Stelle. Wie heißt es so schön: Ein Pferd bleibt ein Pferd, ein Reiter ist ohne Pferd nur ein Mensch. Sie machen uns erst zu Reitern. Und deshalb ist es unsere größte Pflicht, ihnen alles zu geben, was sie brauchen. Dabei gucke ich auch ganz individuell hin, was jedes einzelne Pferd mag und was nicht. Damit meine ich nicht nur Futter, sondern auch Training, Weide und alles. Ich gehe genau auf diese Bedürfnisse ein.

10. Was können wir von Pferden lernen?

Es gibt nichts Besseres, als Kinder in den Reitstall zu schicken. Von Pferden lernen wir Verantwortung, Pflichtbewusstsein und Disziplin – alles Grundwerte, die im Leben nicht schaden. Und Pferde prägen uns, sorgen dafür, dass wir auf der Erde bleiben und auch uns selbst reflektieren.

Du liebst Pferde genauso sehr wie wir?
Dann bist Du bei Pferde.de genau richtig. Denn hier erhältst Du exklusive Storys aus dem Reitstall und spannende Ratgeber rund um die Welt der Pferde.

11. Welchen Sport machen Sie außer Reiten?

Yoga, dazu habe ich einen Personal Trainer, mit dem ich zum Beispiel Kraft, Ausdauer und Dehnung mache. Im Sommer jogge ich auch, im Winter setze ich mich eher zuhause auf den Hometrainer…  © Pferde.de

JTI zertifiziert JTI zertifiziert

"So arbeitet die Redaktion" informiert Sie, wann und worüber wir berichten, wie wir mit Fehlern umgehen und woher unsere Inhalte stammen. Bei der Berichterstattung halten wir uns an die Richtlinien der Journalism Trust Initiative.