Spätestens seit der Corona-Pandemie boomt der illegale Welpenhandel in Europa. Dahinter steckt ein enorm lukratives und brutales Geschäft. Eine Expertin schildert die grausamen Details dieser mafiösen Welt und erklärt, worauf man beim Hundekauf achten sollte und woran man unseriöse Händler erkennt.
Während in der Corona-Pandemie viele Wirtschaftszweige strauchelten, boomte eine Branche ganz besonders: der illegale Welpenhandel. Nach Angaben der EU werden jeden Monat schätzungsweise 50.000 Welpen zwischen den europäischen Ländern gehandelt. Allein auf Online-Plattformen werden täglich Hunderte Hundewelpen zum Kauf angeboten. Oftmals steht ein brutales Geschäft dahinter. Birgitt Thiesmann von der Tierschutzstiftung "Vier Pfoten" beschäftigt sich seit 14 Jahren mit dem illegalen Welpenhandel und vergleicht die Strukturen mit denen der Mafia.
Man liest und hört immer wieder vom illegalen Welpenhandel. Was genau versteht man darunter?
Birgitt Thiesmann: Illegaler Welpenhandel ist erst einmal ein Überbegriff, der alles beinhaltet. Die Welpen werden ohne gültige Tollwut-Impfung meist aus Osteuropa grenzüberschreitend transportiert und verkauft. Das ist nicht erlaubt. Deutschland gilt seit 2008 als tollwutfrei, kommen ungeimpfte Tiere über die Grenzen, kann es wieder zu einer Ausbreitung kommen. Welpen können erst im Alter von zwölf Wochen gegen Tollwut geimpft werden und dann dauert es noch mal drei Wochen, bis die Impfung voll greift. Das heißt, ein Welpe unter 15 Wochen darf keine Ländergrenzen übertreten. Die meisten dieser Welpen werden aber schon sehr, sehr jung verkauft. Teilweise werden sie ihren Müttern mit drei, vier Wochen entrissen und dann nach Deutschland, Belgien oder in die Niederlande transportiert. Hinzu kommt, dass Welpen mindestens acht Wochen bei der Mutter bleiben müssen. In dieser Zeit werden die Welpen sozialisiert, sie lernen alles für ihr zukünftiges Leben. Werden sie früher getrennt, ist das schon eine Straftat.
Illegaler Welpenhandel beinhaltet also in erster Linie Verstöße gegen den Tierschutz?
Nein, nicht nur. Da geht es um vorsätzlichen Betrug, um Steuerhinterziehung und natürlich auch um Tierquälerei. Da kommen ganz viele Delikte zusammen. Oft haben wir es mit organisierter Bandenkriminalität zu tun. Im Ausland, meist in Osteuropa, wird die Produktion der Hunde organisiert, dann gibt es Fahrer, Verkäufer. Die arbeiten mit Tierärzten zusammen, die falsche Dokumente ausstellen, tauschen sich untereinander aus. Entscheidende Köpfe haben das ganze Geschäft fest in der Hand und von dort aus zieht sich das Netz sternförmig durch Europa. Wenn ein Händler geschnappt, ins Gefängnis gesteckt oder ihm ein Tierhalteverbot auferlegt wird, dann halten ihm die anderen in dieser Zeit den Rücken frei und verkaufen die Welpen einfach weiter. Die sind organisiert wie die Mafia.
Was Sie beschreiben, erinnert tatsächlich an ein Drogenkartell. Ist der Welpenhandel ein ähnlich lukratives Geschäft?
Unglaublich lukrativ! Ein Hund kostet in Osteuropa vielleicht 50 bis 100 Euro. Die Hunde werden im Keller, in Schuppen oder in alten Ställen unter widrigen Bedingungen gehalten. Die sehen nie einen Tierarzt, weil es wirklich nur um die Produktion geht, also ums Geld. Ein Hund kann zig Welpen produzieren, die dann mit einer enormen Gewinnspanne ins Ausland verkauft werden. Kürzlich haben wir Dackelwelpen aus Ungarn beschlagnahmen lassen, da sollte ein Welpe 1.300 Euro kosten. Und diese Händler sind ja nicht angemeldet, die bezahlen keine Steuern. Das heißt, die Händler investieren so gut wie nichts, haben wahnsinnige Profite und das fast ohne Risiko. Selbst wenn ein Hund stirbt, ist das noch kein wirklicher Schaden. Das ist oft einkalkuliert.
Lässt sich beziffern, wie groß das Problem in Deutschland ist?
Leider nicht. Wir werden immer wieder nach Zahlen gefragt, aber das ist ein Schwarzmarkt, das läuft im Verborgenen ab. Man muss sich nur mal die Anzeigen in Online-Portalen anschauen, wie viele Welpen da inseriert werden jeden Tag. Ein Inserat beinhaltet oft auch nicht nur einen Hund, sondern gleich einen ganzen Wurf. Wenn man das hochrechnet, sind das Zigtausende Hunde jeden Monat. Besonders schlimm ist es immer, wenn es Richtung Weihnachten geht. Sobald die ersten Spekulatius und Dominosteine in den Supermärkten auftauchen, beginnt auch die Welpen-Produktion für Weihnachten.
Hat das Problem mit illegalem Welpenhandel durch Corona eigentlich zugenommen?
Mit der Pandemie ist das Geschäft durch die Decke gegangen. Viele Leute saßen im Homeoffice und hatten plötzlich Zeit. Der ganze Markt für Hunde war wie leergefegt. Manche Menschen waren so verzweifelt, dass sie Suchanzeigen aufgegeben haben, um einen Welpen zu finden. "Zahle 4.000 Euro für einen Welpen", das hat die Händler erst recht auf den Plan gerufen.
Sie sagen, auch Tierärzte seien Teil dieser kriminellen Strukturen. Das heißt, wenn ich in Online-Kleinanzeigen lese, "Welpen aus veterinärmedizinisch kontrollierter Zucht" - dann muss das gar nichts bedeuten?
Genau, da muss man wahnsinnig vorsichtig sein. Es werden Dokumente gefälscht, es wird mit allen Tricks gearbeitet. Natürlich steckt nicht hinter jeder Anzeige ein krimineller Handel, für den Außenstehenden ist es aber sehr schwer, die Spreu vom Weizen zu trennen. Diese illegalen Händler haben sich mittlerweile so gut angepasst, dass man ihre Anzeigen von denen seriöser Anbieter nicht mehr unterscheiden kann. Meistens sind es reinrassige Welpen, vor allem kleine Rassen. Malteser, Spitz, französische Bulldogge oder Mops. Inzwischen sind aber auch diese ganzen Mischlinge, Cockapoo und Goldendoodle und wie sie alle heißen, schwer in Mode und daher auch attraktiv für Kriminelle.
Wenn ich nun einen Hund will - wo suche ich am besten?
Meiden Sie Online-Plattformen und Kleinanzeigen. Die illegalen Händler arbeiten mit ganz tollen Bildern, die oft aus dem Internet gestohlen sind, und klauen auch Texte seriöser Anbieter. Da werden komplett falsche Angaben gemacht. Meistens heißt es, die Welpen wachsen in der Familie auf. Oft werden Muttertiere präsentiert, die nicht die Muttertiere sind. Auch angebliche Ahnentafeln sind extrem leicht zu fälschen. Es gibt keine rechtliche Stelle, die das überprüft.
Was sollte ich also stattdessen tun?
Gehen Sie ins Tierheim, die platzen gerade ohnehin aus allen Nähten. Viele denken, da gibt es nur kranke oder verhaltensgestörte Hunde, aber das stimmt nicht. Sie können die Hunde dort persönlich kennenlernen, mit ihnen Gassi gehen. Sie wissen ganz genau, was für einen Hund Sie bekommen und haben immer einen Ansprechpartner, falls irgendwas ist. Ich kann das nur empfehlen. Mein Hund Rudi kommt aus dem Tierschutz. Er ist jetzt 13 Jahre alt und ein echter Sechser im Lotto.
Woran erkenne ich unseriöse Händler?
Wenn Sie ganz bestimmte Vorstellungen haben und eine bestimmte Rasse wollen, dann sollten Sie sich sehr viel Zeit für die Suche nach einem seriösen Züchter nehmen. Der Züchter sollte eine eigene Website haben und man sollte die Welpen und die Mutter vor Ort besuchen können. Seriöse Züchter wollen auch, dass man den Welpen mehrmals besucht und fragen nach, wie und wo der Hund genau leben wird. Unseriöse Händler wollen die Welpen einfach nur loswerden, denen kann es gar nicht schnell genug gehen. Die drücken einem die Welpen oft vor der Haustür oder im Park in die Hand und sind weg, sobald sie das Geld in der Hand haben. Aber dann ist es natürlich schon zu spät. Daher sollten Sie sich nie darauf einlassen, den Händler irgendwo ohne konkrete Wohnadresse zu treffen. Oft bekommt man unterwegs plötzlich eine andere Adresse mitgeteilt oder es heißt, die Türklingel sei kaputt. Spätestens dann sollten Sie stutzig werden. Sie sollten auch unbedingt einen Kaufvertrag mitnehmen und sich den Ausweis des Händlers zeigen lassen. Eine Vorlage für einen solchen Kaufvertrag findet man auf unserer Webseite. Ein illegaler Händler wird einen solchen Vertrag niemals ausfüllen.
Wenn man in eine solche Situation gerät und Zweifel an der Seriosität des Händlers hat, ist es aber wahrscheinlich schwer, dem Impuls zu widerstehen, das Tier zu retten.
Das kann man niemandem verdenken, aber es ist wichtig, dass die Tiere nicht direkt vom Händler gekauft werden, das kurbelt die gesamte Produktion an. Die Nachfrage bestimmt immer das Angebot. Leute, die auf illegale Welpenhändler hereingefallen sind, können einem wirklich leidtun. Häufig sind die Welpen schon todkrank, wenn man sie bekommt. Dann macht man richtig was durch, ganz abgesehen von den Kosten, die schnell in die Zigtausende gehen können. Viele dieser Welpen leiden zum Beispiel an Parvovirose [eine schwere Magen-Darm-Infektion; Anm.d.Red.], weil sie nicht geimpft wurden. Man hat einen Welpen, an den man sein Herz verloren hat und schaut ihm beim Sterben zu. Die Erkrankung ist nicht behandelbar, man kann nur hoffen, dass es der Welpe irgendwie schafft. Aber ganz oft schaffen sie es nicht. Deswegen sollte man vorher sicherstellen, dass man erst gar nicht erst in die Situation kommt.
Wenn ich das Gefühl habe, an einen illegalen Händler geraten zu sein - was mache ich dann?
Wenn einem die Anzeige komisch vorkommt, kann man das bei den Portalen melden. Oft werden die Anzeigen auch gelöscht, allerdings meist sehr viel später. Solange die Anzeige online ist, können aber potenzielle Käufer Kontakt aufnehmen. Und selbst wenn der Account gelöscht wird, kann jeder jederzeit einen neuen erstellen. Das ist völlig unreguliert. Trotzdem sollte man es den Online-Portalen immer melden, zumindest als ersten Schritt. Leute können sich auch an uns wenden. Wir kriegen allerdings so viele Meldungen, dass wir es nicht schaffen, jedem einzelnen Fall intensiv nachzugehen. Insofern wäre es natürlich gut, wenn man zumindest eine Adresse oder einen Kontakt herauskriegt und es dem zuständigen Veterinäramt meldet. Aber eine echte Adresse herauszubekommen, ist eben oftmals nicht so einfach.
Sehen Sie bei den rechtlichen Rahmenbedingungen in Deutschland Verbesserungsbedarf?
In Deutschland gibt es keine bundesweite Kennzeichnungs- und Registrierungspflicht. Jedes Bundesland macht seine eigenen Gesetze. Trotz Chip ist also oft nicht nachvollziehbar, zu wem ein Hund gehört. Da ist Deutschland EU-Schlusslicht, zusammen mit Polen und Estland. Das ist beschämend. Wir von "Vier Pfoten" haben sehr dafür gekämpft, mittlerweile steht diese Forderung im Koalitionsvertrag. Jetzt muss sie nur noch umgesetzt werden. Auf der anderen Seite müssen die Online-Plattformen dringend reguliert werden. Wir wollen den Verkauf von Tieren dort nicht grundsätzlich verbieten. Das würde nicht in die heutige Zeit passen und wenn man es verbietet, findet der Handel eben auf anderen, dunkleren Kanälen statt, die dann überhaupt nicht mehr zu kontrollieren sind. Deswegen fordern wir, dass Hund und Händler eindeutig registriert sein müssen und zwar mit dem Namen auf dem Ausweis. Aber davon sind wir noch weit entfernt.
Weil die Online-Plattformen nicht mitziehen?
Ja, die wollen nicht so recht. Vor vielen Jahren waren wir mit Ebay Kleinanzeigen, die ja international stattfinden, in Verhandlungen. Wir haben eine Modelllösung auf die Beine gestellt, die eben diese eindeutige Verifizierung beinhaltet. Aber sie sind leider nicht darauf eingegangen. Sie haben andere Ansätze versucht, zum Beispiel, dass nur gewerbliche Züchter und Tierschutzorganisationen Welpen inserieren dürfen, die jünger als zwölf Monate sind. Aber dann gibt der Händler halt ein falsches Alter an, das wird offenbar nicht engmaschig kontrolliert. Vielen illegalen Händlern ist aber offenbar schon das zu viel Arbeit. Die Anzeigen auf Kleinanzeigen sind zurückgegangen, das illegale Geschäft verlagert sich gerade mehr zu Quoka. Wir haben versucht, mit Quoka in Kontakt zu kommen, aber da ist bis jetzt nichts passiert.
Gibt es das gleiche Problem eigentlich auch mit anderen Tierarten?
Bei Katzen gibt es das auch, aber was momentan besonders boomt, ist der Handel mit Exoten. Löwen, Pumas, Affen, Schlangen, alles, was man sich vorstellen kann. Es ist in Deutschland nicht verboten, diese Tiere zu halten. Natürlich keine Wildfänge, die aus ihrem natürlichen Lebensraum entnommen wurden und keine illegal geschmuggelten Tiere. Aber die Haltung ist nicht generell verboten. Wir haben gerade erst eine Pressemitteilung herausgebracht, in der es um die Beschlagnahmung eines weißen Tigers ging. Auch solche exotischen Tiere werden illegal gezüchtet und in Deutschland verkauft.
Wie geht es mit den Tieren weiter, die von illegalen Händlern beschlagnahmt werden?
Wenn wir sicher sind, dass es sich um einen illegalen Verkauf handelt, informieren wir die Polizei und das Veterinäramt vor Ort. Wir vereinbaren mit den Händlern einen Treffpunkt, die Polizei kommt hinzu und beschlagnahmt die Welpen. Die Welpen kommen dann erst einmal im Tierheim in Tollwut-Quarantäne und werden aufgepäppelt und medizinisch versorgt. Nach einigen Woche dürfen Sie dann weitervermittelt werden. Wenn gegen den Händler aber kein Handelsverbot oder Halteverbot auferlegt wurde und er sie nicht freiwillig an das Tierheim abgetreten hat, kann er die Hunde zurückholen, sofern er die entstandenen Kosten begleicht. Dann ist das Schicksal dieser Tiere ohnehin besiegelt.
Was passiert dann mit den Tieren?
Weil sie dann schon älter sind, lassen sie sich nicht gewinnbringend verkaufen. Die Welpen verlieren ganz schnell an Wert. Hunde, die an diese Händler zurückgehen, kommen dann sehr wahrscheinlich in die Vermehrung. Die sitzen in Verschlägen, sehen weder Tageslicht noch Tierarzt und bekommen kein vernünftiges Futter. Diese Hündinnen werden als reine Gebärmaschinen missbraucht. Viele Tiere werden krank, haben offene Tumore, entzündete Augen. Die schreien teilweise vor Schmerzen. Oft werden ihnen dann ohne Betäubung die Stimmbänder durchgeschnitten, damit das Geschrei aufhört. Und wenn die Hunde nicht mehr können, dann werden sie einfach entsorgt. Jeder, der einen Hund will, sollte sich mal anschauen, woher diese Hunde kommen. Wir haben viele Filme darüber gemacht, aber die Nachfrage ist deswegen noch lange nicht gesunken. Ganz im Gegenteil.
Wenn durch Corona so viele Hunde gekauft wurden, die inzwischen schon wieder in Tierheimen landen - wieso ist die Nachfrage nach Hunden dann immer noch so groß?
Das hört nie auf. Das hat natürlich auch mit den Medien, dem Fernsehen oder Social Media zu tun. Viel nehmen sich irgendwelche Stars oder Influencer zum Vorbild. So schön das Leben mit einem Hund ist, es muss einem vorher klar sein, was das bedeutet. Es kostet Zeit, Geld und eine Menge Arbeit.
Verwendete Quellen:
- Telefoninterview mit Birgitt Thiesmann von "Vier Pfoten"
- Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft: "Welpenhandel: leider oft keine saubere Sache"
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