Sie sind die ersten Massai-Frauen, die Geld verdienen. Die Rangerinnen von Team Lioness haben eine wichtige Aufgabe: Sie beschützen die Tierwelt in Kenia vor Wilderern und sind eine Schnittstelle zwischen den Einheimischen und den Behörden. Wir haben mit einer Rangerin über ihre Arbeit und ihr Leben gesprochen.
Naomi Simaloi Kuntai lebt ein besonderes Leben. Die 23-Jährige ist eine der ersten Massai-Frauen, die als Ranger im Amboseli-Nationalpark arbeiten. In vielen Dörfern der ostafrikanische Volksgruppe Massai ist es üblich, dass die Frauen kein Geld verdienen. Obwohl sie hart im Haushalt arbeiten und sich um Kinder und Vieh kümmern, erhalten sie keinen Cent und haben kein Mitbestimmungsrecht. Diese starren Traditionen und Rollenbilder brechen die Rangerinnen nun langsam auf. Sie verdienen ihr eigenes Geld und sind dadurch unabhängig. Viele Mädchen werden bereits in Teenageralter zwangsverheiratet und dürfen teilweise keine Schule besuchen.
Die Rangerinnen vereinen Mut und Einfühlungsvermögen. Ihre Arbeit ist nicht nur wichtig für den Erhalt der Tier- und Pflanzenwelt, sondern auch für die Einheimischen. Denn da, wo es zu Konflikten zwischen Mensch und Wildtier kommt, schreiten sie ein. Sie schlichten – zum Beispiel, wenn ein Rind von einem Hirten von einem Löwen gerissen wurde. Sie halten den Hirten davon ab, sich an dem Raubtier zu rächen, indem sie mit ihm reden. Das zeigt auch eine "Arte"-Dokumentation, bei der die Rangerinnen Leah und Purity filmisch begleitet wurden. Wenn eine Dorfbewohnerin mit ihren Ziegen von Hyänen angegriffen wird, leisten die Rangerinnen Beistand.
Team Lioness: Mutig und stark wie Löwinnen
Das "tenBoma Wildlife Security Team" der Artenschutzorganisation "International Fund for Animal Welfare (IFAW)" hat das "Team Lioness" mit Kenias ersten Rangerinnen ins Leben gerufen. Gestartet ist das "Team der Löwinnen" 2019, als die ersten acht Frauen zur Gruppe stießen. Davor bestand es ausschließlich aus Männern. Inzwischen ist die Gruppe auf 16 Rangerinnen angewachsen. "Team Lioness heißt es, weil wir so mutig wie Löwinnen sind, wenn wir unsere Wildtiere beschützen", erklärt Kuntai im Gespräch mit DeineTierwelt. Gemeinsam hätten die Rangerinnen schon erreicht, dass die Wilderei zurückgegangen ist und in ihrem Gebiet nun kaum noch vorkommt, sagt die 23-Jährige. "Was ich am meisten an dieser Arbeit liebe, ist, dass die zukünftigen Generationen auch noch etwas von diesen wilden Tieren haben werden, die sie zum Staunen bringen werden."
Kuntai kommt aus Inkariakrokena in der Oloitoktok-Region an der Grenze zu Tansania, wurde am 23. November 1999 als erstes Kind einer fünfköpfigen Familie geboren. In ihrer Freizeit liest sie gerne Romane und sieht fern. Bevor sie den Olgulului Community Wildlife Rangers (OCWR) und dem Team Lioness beitrat, arbeitete sie als Erzieherin und Kindheitspädagogin im Kindergarten und an der Grundschule von St. Margaret Champions. Dem Team Lioness ist sie im September vergangenen Jahres beigetreten und möchte dort auch bleiben.
Leidenschaft als Beruf
"Schon als ich klein war, hatte ich diese Leidenschaft, eine Rangerin zu werden und eine von denen zu sein, die unsere Wildtiere schützen und sie für zukünftige Generationen erhalten", sagt Kuntai. "Da, wo ich aufgewachsen bin, haben wir sehr nah bei diesen Tieren gelebt und sind ihnen bei unseren täglichen Routinen begegnet, wenn wir Wasser geholt und Feuerholz gesammelt haben."
Die Arbeit als Rangerin ist körperlich fordernd. Jeden Tag laufen sie 25 Kilometer durch die Savanne und halten Ausschau nach Wildtieren. Die Frauen dokumentieren den Bestand. Ihre Sichtungen geben sie über Funk an ihren Betriebsleiter Patrick Papatiti weiter, der für die Organisation zuständig ist. Im Notfall schickt er ihnen Verstärkung. Die Protokolle der Patrouillen oder festgenommene Wilderer werden an die Behörden, genauer gesagt an die staatliche Organisation Kenya Wildlife Service, weitergegeben. "Wer einen Elefanten für die kommerzielle Nutzung tötet, muss mit 20 Jahren Gefängnis oder einer hohen Geldstrafe von 20 Millionen Kenia-Schilling (Anm. d. Red.: 150.000 Euro) oder mit beidem rechnen", sagt Papatiti. Sein Team sage in diesen Fällen vor Gericht als Zeugen gegen die Wilderer aus.
Armut treibt Kenianer zur Wilderei
Das Problem in Kenia, so der Ranger-Chef gegenüber DeineTierwelt, sei die hohe Arbeitslosigkeit und Armut. Über 90 Prozent der Bevölkerung in seiner Region seien arbeitslos. Laut "Statista" liegt die Arbeitslosenquote im ganze Land in diesem Jahr bei 5,53 Prozent. Aufgrund schlechter Ausbildungsstrukturen haben junge Menschen massive Schwierigkeiten, trotz des Wirtschaftswachstums einen Job zu finden, wie der "Deutschlandfunk" berichtet. Die Elfenbein-Wilderei sei dank der Arbeit der Ranger und der Regierung, mit der Hilfe der Gemeinden zurückgegangen, sagt Papatiti.
Die Wilderer, die zuvor Elfenbein geschmuggelt haben, würden aber nun versuchen, Schlupflöcher zu finden. Papatiti und seine Kollegen nehmen an, dass dasselbe Team von Wilderern nun auf Buschfleisch von Wildtieren wie Giraffen und Zebras umgestiegen ist, um sich selbst über Wasser zu halten. Für eine Giraffe bekommen die Wilderer 300.000 Kenia-Schilling, das sind umgerechnet etwa 2.300 Euro. Für vier Giraffen bekomme man rund 9.200 Euro. Das sei viel Geld, sagt er. Die Massai würden zwar kein Wildtierfleisch essen, aber andere Gemeinden schon. Daher sei es wichtig, dass die Ranger sich Informationen von den Dorfbewohnern holen.
Dialog ist besser als Kampf
Dabei helfen die Rangerinnen: Sie haben einen besseren Zugang zu den Dorfbewohnerinnen. "Uns fällt es leicht, mit den Einheimischen ins Gespräch zu kommen und von ihnen Informationen zu erhalten", sagt Rangerin Kuntai. "Während Männer in Konfliktsituationen dazu tendieren, schnell ärgerlich zu werden, bleiben wir ruhig und freundlich. Die Frauen in den Dörfern sind unsere Schwestern und Mütter und vertrauen uns eher als den Männern. Sie bekommen mit, was mit den Wildtieren los ist", führt sie fort. Dafür ist ihr Vorgesetzter sehr dankbar: "Mit den Leuten zu sprechen ist effektiver, als mit ihnen zu kämpfen", sagt Papatiti.
Doch es war nicht immer leicht für die Rangerinnen. Besonders am Anfang seien sie von den Menschen aus den umliegenden Dörfern diskriminiert worden. Sie hätten es zunächst verurteilt, dass Frauen und Männer in einem Team zusammenarbeiten, heißt es in der "Arte"-Dokumentation. Inzwischen hätten sich die Frauen aber Respekt verschafft, sagt Kuntai.
Rangerinnen beweisen ihr Können
"Viele Menschen hier glaubten einfach nicht, dass auch Frauen diese Natur- und Tierschutzarbeit leisten können. Sie glaubten, dass das nur Männer machen können, weil sie stark sind und die Arbeit sehr hart ist. Aber wir haben ihnen mittlerweile gezeigt, dass wir das genauso können und dass wir unseren Job perfekt machen", führt die Wildtierhüterin aus. Nun hätten die Menschen erkannt, welche Wichtigkeit die Wildtiere haben und seien den Rangerinnen dankbar.
Auch sie selbst habe erkannt, was in ihr steckt. Sie sei sich nun sicher, dass sie alles schaffen könne, was sie erreichen wolle. Wie selbstbewusst und selbstbestimmt sie und ihre Kolleginnen sind, veranschaulicht auch, dass nur fünf der 16 Rangerinnen im Alter von 20 bis 30 Jahren verheiratet sind. Leah aus dem "Arte"-Film habe bisher alle Heiratsanträge abgelehnt und sich von ihrem Gehalt einfach selbst Ziegen gekauft. Das bringe Anerkennung in ihrem Dorf. Denn eigentlich bekommen Frauen erst mit der Hochzeit Tiere geschenkt. Aber die Unabhängigkeit kommt auch mit einem Preis. Bei ihren Einsätzen riskieren sie ständig ihr Leben. Nicht nur Wilderer sind eine Gefahr.
Was war die gefährlichste Situation, in der die junge Rangerin je war?
"Bei einem unserer Kontrollgänge sind wir einer Herde Büffel sehr nah gekommen", berichtet Kuntai. "Ein Büffel begann, uns zu jagen. Zum Glück ist uns nicht passiert, weil wir gut ausgebildet sind. Einige von uns haben sich flach auf den Boden gelegt und andere sind auf Bäume geklettert. Das war schon sehr angsteinflößend", sagt sie.
Dieses Risiko ist der Schutz der kenianischen Flora und Fauna den Frauen wert. Um ihren Erhalt kämpfen sie unermüdlich. Ihr Ziel: Noch mehr junge Frauen zum Mitmachen zu inspirieren. "Es ist eine schöne Erfahrung, dass wir als Rangerinnen andere junge Mädchen und Frauen empowern können, an sich selbst zu glauben. Wir wollen unser Team gerne um weitere Frauen erweitern und gewinnen immer mehr an Bekanntheit", freut sich Kuntai. "Die Welt muss wissen, dass irgendwo im Busch Männer und Frauen sich an den Händen halten, um die Wildtiere zu beschützen – nicht nur für unsere Gemeinde, sondern auch für die ganze Welt", sagt Papatiti. © Deine Tierwelt
"So arbeitet die Redaktion" informiert Sie, wann und worüber wir berichten, wie wir mit Fehlern umgehen und woher unsere Inhalte stammen. Bei der Berichterstattung halten wir uns an die Richtlinien der Journalism Trust Initiative.