Nageltritt, Hufrehe – eigentlich sollte Friesenwallach Jelte geschlachtet werden. Doch er hatte Glück: Der österreichische Tierschutzverein holte ihn in die Pferdeklappe. Und die Mitarbeiter schafften ein kleines Wunder: Jelte bekam ein neues Zuhause bei seinem Herzensmenschen. Ein Happy End für vier Hufen.
Es gibt Schicksale, die machen auch erfahrene Tierschützer fassungslos. Die Geschichte vom Friesen Jelte gehört dazu. Der schicke Rappe hatte nämlich erst fürchterliches Pech – und dann kam auch noch menschliche Fehler dazu. Doch von Anfang an: "Jelte erlitt einen Nageltritt", erzählt Ingrid Schätzle, die Hofleiterin der Pferdeklappe. Ob der schöne Friese bei einem Ausritt auf einen Nagel gestiegen ist, oder ob ein Hufschmied beim Beschlagen einen Nagel falsch gesetzt hat – das kann heute nicht mehr festgestellt werden. Der Nageltritt war behandelbar – wenn es denn die richtige Behandlung gewesen wäre…
Ein falscher Kleber griff das Hufbein an
Doch beim Anbringen der Eisen wurde ein spezieller Kleber verwendet, dazu auch noch eine Platte aufgeklebt. Das Fatale: Der Kleber hat das Hufbein von innen angegriffen und weggeätzt. Dazu entzündete sich die Hufe und es wurde eine Hufrehe ausgelöst. Die Folge: Jelte litt fürchterlich. Sein Schicksal schien bereits besiegelt: "Er sollte zum Schlachter", so Matthias Leinich, Pressesprecher vom Österreichischen Tierschutzverein. Doch Jeltes Familie suchte verzweifelt nach einem Ausweg. Im Internet fand sie die Pferdeklappe des Vereins.
"Für uns war sofort klar: Wir nehmen Jelte – und versuchen alles, um ihm ein tolles Leben zu ermöglichen", so Leinich. Das hieß als erstes: Jelte hatte einen Termin bei Stefan Seelos, dem Hufschmied der Pferdeklappe. Er guckte sich die Hufe an – und konnte es kaum fassen: "Ich arbeite nun seit über 30 Jahren als Hufschmied, aber so etwas habe ich noch nie gesehen. Beim Beschlag dieses Pferdes ist so ziemlich alles falsch gemacht worden, was man falsch machen kann."
In Österreich darf sich jeder Hufschmied nennen
Was ihn besonders ärgerte: "Für mich ist eines klar: Derjenige, der diesen Beschlag gemacht hat, hat definitiv keine fundierte Ausbildung genossen. Sonst würde man ja nicht mal auf solch eine Idee kommen." Wie so etwas passieren kann? Das Problem ist eine Regeländerung in Österreich. "Ich habe noch eine Meisterprüfung gemacht und zusätzlich einen Lehrabschluss als Kunstschlosser – einfach, um mir noch mehr Wissen anzueignen. Leider wurde 2017 die Gewerbeordnung reformiert und der Beruf des Hufschmiedes wurde zu einem freien Gewerbe umgewandelt." Das heißt: "Jeder und jede darf sich nun Hufschmied nennen. Egal, welche Qualifikation und Erfahrung jemand hat."
Er ist überzeugt, dass Jelte durch fehlendes Fachwissen so leiden musste. Der Hufschmied nahm sich vor, alles tun, damit der hübsche Friese doch noch eine Chance hat. "Er hat ihn zu seinem Projekt gemacht", so Pressesprecher Leinich. So begann der Hufschmied mit der aufwändigen Rekonstruktion des Hufes. "Unser Glück war, dass Jelte wahnsinnig brav und kooperativ ist. Dadurch konnten wir ihn sehr gut versorgen."
Viele Extras für Jelte – und viel Liebe
Nicht die einzige Spezialbehandlung für Jelte. Der jetzt zwölfjährige Wallach brauchte viele Extras: "Das beginnt bei einem eigenen Futter, der Untergrund muss ganz ein spezieller sein und natürlich machen wir eine intensive Bewegungstherapie", erklärt Schätzle. Natürlich bekomme er auch viel Liebe. Die Herzen der Mitarbeiter hat Jelte nämlich im Sturm erobert. "Er ist ein ‚Poser‘, wie er im Buche steht. Er liebt es, sich zu präsentieren und ist sich seiner Schönheit mehr als nur bewusst", sagt die Hofleiterin.
Sein Charme wirkt auch bei Hufschmied Seelos. "Ach, den hätte ich gerne", kam schon früh von ihm. Doch er hat selbst schon mehrere Pferde – und eigentlich keinen Platz für den Friesen. "Aber jeder spürte: Die beiden gehören zusammen", so Hofleiterin Schätzle. Und noch etwas sprach für "seinen" Schmied: Die Anforderungen, um Jelte ein neues Zuhause bieten zu können, waren groß. Perfekte medizinische Versorgung, ein Hufschmied mit großem Fachwissen, umfangreiche Erfahrung mit der Krankheit Hufrehe und den dazu notwendigen Futter- und Weiderichtlinien.
Jelte kommt zu seinem Herzensmenschen
Deshalb stand für die Hofleiterin fest: Hufschmied Seelos ist der perfekte Adoptant für Jelte. "In einer ruhigen Minute habe ich Stefan gefragt und er war dann sofort Feuer und Flamme", erzählt die Hofleiterin. So war klar: Jelte kommt zu seinem Herzensmenschen. Ein bisschen musste Jelte noch warten: Erst nach dem Behandlungsende wechselte er von der Pferdeklappe zu Seelos, damit die Hufrehe durch den Umzugsstress nicht wieder aufkommt. Jetzt genießt der Friese sein Leben in den Tiroler Bergen. "Mit ‚seinem‘ Hufschmied hat er das große Los gezogen, das er auch verdient!", sagt die Schätzle. © Pferde.de
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