Neue Zahlen zeigen: Drei von vier Pferden haben Lungenprobleme. Deshalb wird in immer mehr Ställen Heu gewässert - oder bedampft. Doch ist das wirklich so gesund? pferde.de präsentiert die neuesten wissenschaftlichen Erkenntnisse.

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Immer häufiger husten Pferde. Dann wollen immer mehr Pferdebesitzer ihren Partnern auf vier Hufen dauerhaft etwas Gutes tun. Die Folge: An vielen Boxen und auch Paddocks steht das Schild "Heu nass". Und das bedeutet: Das Heu soll gewässert beziehungsweise bedampft werden. Doch ist das wirklich die Lösung? Hier die wichtigsten Argumente.

Pro: Heu wässern für den Stoffwechsel

Wer es einmal macht, sieht sofort, was es bringt: Kommt das Heunetz aus dem Wassereimer, bleibt eine dunkle Brühe zurück. Damit ist klar: Durch das Wässern wird eindeutig viel Staub "rausgewaschen". Und noch etwas bleibt im Wasser zurück: Beim Wässern werden nämlich auch Zuckerverbindungen ausgespült. Und genau das ist das Plus dieser Methode: Wenn Pferde Probleme mit dem Stoffwechsel haben und der Zucker reduziert werden muss, ist das Wässern des Heus eine gute Möglichkeit.

Heu wässern hilft dem Stoffwechsel.
Heu wässern hilft dem Stoffwechsel. © Foto: pixabay.com/Andrea (Symbolfoto)

Wichtig: Wenn Du das Heu wässern willst, solltest Du es für etwa zehn bis fünfzehn Minuten vollständig in maximal zimmerwarmes Wasser (15 bis 20 Grad Celsius) eintauchen. So werden viele Verunreinigungen ausgewaschen.

Contra: Wässern wäscht Mineralstoffe heraus

Das Problem beim Wässern: Du musst die Uhr und die Temperatur genau im Blick haben. Denn wenn das Heu zu lange oder in zu warmen Wasser bleibt, geschieht genau das Gegenteil: Die Mikroorganismen, die eigentlich ausgewaschen werden sollen, vermehren sich stattdessen explosionsartig. Dazu muss das feuchte Heu direkt verfüttert werden.

Ein weiterer Nachteil: Nicht nur Zucker wird ausgewaschen, sondern auch wichtige Mineralstoffe wie zum Beispiel Natrium und Kalium. Wenn Du Deinem Pferd also ausschließlich gewässertes Heu gibst, solltest Du auf eine Extra-Portion dieser lebenswichtigen Stoffe achten. Damit Du die richtigen Mengen für Dein Pferd zufütterst, solltest Du mit Deinem Tierarzt sprechen. Gewässertes Heu hat noch einen Nachteil: Pferde können es schlechter verdauen. Außerdem zeigen Studien, dass Pferde nasses Heu auch nicht so gerne futtern.

Pro: Heu bedampfen – gut für die Pferdelunge

Auch das beste Heu staubt – da sind sich alle Experten einig. Und dieser Staub legt sich auf die Lunge. Die Folge: etwa jedes zweite Pferd in Boxenhaltung leidet an einer chronischen Atemwegserkrankung, so Forscher. Denn in Ställen liegt besonders viel Staub in der Luft, dazu kommen Pilzsporen und Bakterien. Ammoniak und eine hohe Luftfeuchtigkeit schaden ebenso der Lunge. Hier hilft das Bedampfen von Heu. Und: Dazu hat bedampftes Heu weitere Vorteile, so eine Untersuchung des "Kentucky Equine Research Centre". Pferde kauen bedampftes Heu besonders sorgfältig, was zu einer verstärkten Speichelproduktion führt, die den Magen vor zu hoher Säurebelastung schützt.

Dabei wird Heu mit heißem Wasserdampf auf bis zu 100 Grad Celsius erhitzt, um schädliche Mikroorganismen abzutöten und Pilzsporen und Staub an das Heu zu binden. So wird aus gutem Heu ein sehr gutes Futter. Und: Untersuchungen zeigen, dass bedampftes Heu noch 24 Stunden nach Beenden der Bedampfung gefüttert werden kann, ohne dass der Keimgehalt merklich angestiegen wäre.

Heu bedampfen ist gut für die Pferdelunge.
Heu bedampfen ist gut für die Pferdelunge. © Foto: unsplash.com/Shane Rounce (Symbolfoto)

Contra: Bedampfen – ein Mangel an Proteinen

Das Problem: Die Hitze mögen Sporen und Co. nicht – aber sie hat auch "Nebenwirkungen". Das zeigt eine aktuelle Studie von Forschern der "Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg (MLU)". "Ein Großteil der Proteine und darin enthaltenen, wichtigen Aminosäuren kann dann nicht mehr im Dünndarm verdaut werden, geht dem Pferd also durch die Behandlung verloren", erklärt Prof. Dr. Annette Zeyner vom Institut für Agrar- und Ernährungswissenschaften der MLU. "Einzelne dieser Proteinbestandteile sind für Pferde aber essenziell und sie können auch nicht über den Dickdarm aufgenommen werden", Zeyner weiter.

Für ihre Studie untersuchte das Team verschiedene Heuproben. Im bedampften Pferdefutter fanden sie vermehrt Produkte, die bei der sogenannten Maillard-Reaktion entstehen. Die Maillard-Reaktion, benannt nach dem Chemiker Louis Camille Maillard, ist eine sogenannte nicht-enzymatische Bräunungsreaktion. Dabei werden Aminosäuren und reduzierende Zucker unter Hitzeeinwirkung zu neuen Verbindungen umgewandelt. Die Folge: "Proteine bestehen aus Aminosäuren. Durch die Bedampfung werden diese geschädigt und bilden neue Komplexe mit Zuckern im Heu", so Caroline Pisch von der MLU. Dadurch werden die Proteine für Pferde schwer verdaulich. Die Untersuchungen zeigten: Durch das Bedampfen reduzierte sich der Anteil an für den Dünndarm verfügbarem Protein um fast die Hälfte.

Junge Pferde und Mutterstuten brauchen Proteine

Das bedeutet: Es kann zu einer Unterversorgung an Proteinen kommen. Und die wäre zum Beispiel für heranwachsende Pferde oder säugende Stuten problematisch. Denn junge Pferde benötigen Proteine für ihr Wachstum, Stuten brauchen sie für die Milchproduktion. Das Problem: Ein Protein-Mangel ist nicht so einfach festzustellen, da er unspezifische Symptome hat – zum Beispiel ein gestörter Muskelaufbau sowie stumpfes oder struppiges Fell mit sogenannten Hungerhaaren.

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Eine andere Studie hat dazu gezeigt, dass bedampftes Heu zwar den Schimmelpilzgehalt im Heu deutlich denkt. Aber als nicht-medikamentöse Therapie für Asthmatiker reicht das nicht aus. Trotzdem, so die MLU-Forscher, sei das Bedampfen sinnvoll. Denn das bedampfte Heu sei gerade für Atemwegspatienten theoretisch ein sehr gutes Futter, so Prof. Dr. Zeyner. Dem Risiko einer Proteinunterversorgung können Pferdebesitzer vorbeugen – zum Beispiel durch die zusätzliche Fütterung von Bierhefe oder Sojaschrot. Auch hochwertige, proteinreiche Ergänzungsmittel können genutzt werden.  © Pferde.de

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