Pfarrerin und Pferdefrau – das passt richtig gut zusammen. Warum? Weil es in beiden Fällen darauf ankommt, Menschen oder Pferden genau zuzuhören, sagt Dr. Julia Mack-Heil. Und sie weiß, wovon sie spricht. Schließlich hat die 44-Jährige Theologie studiert und kümmert sich heute um Pferdeseelen, die alle anderen aufgegeben haben. pferde.de sprach mit ihr über Pferde als Lehrmeister und warum wir unser Pferd nicht nur kennen, sondern auch verstehen sollten…
Schon als Kind saß Dr. Julia Mack-Heil auf dem Pferd einer Bekannten. Zuerst aus Spaß und nicht sehr oft. Doch mit 14 Jahren erwischte sie der Pferdevirus endgültig. "Da fing ich intensiv an zu reiten." Dass sie daraus mal einen Beruf machen würde – "das hätte ich damals nicht geahnt. Das lief eigentlich immer nebenher", sagt sie lachend.
Dabei hat sie schon früh mit Pferden, genauer: mit Reiten Geld verdient. Was an ihrem eigenen Pferd Lukas lag. Das Fjordpferd hatte sie erst als Reitbeteiligung gehabt – und sich dabei unsterblich in ihn und seine Rasse verliebt. "Sie haben einfach sehr tolle Charaktere", schwärmt sie. Als die Besitzerin Lukas dann verkaufen wollte, stand für Dr. Mack-Heil sofort fest: "Ich kaufe ihn!"
Neben dem Studium gab sie Reitunterricht
Doch das eigene Pferd kostet nicht nur Zeit, sondern auch Geld. Und so verdiente Dr. Mack-Heil neben ihrem Theologie-Studium mit Reitunterricht Geld. "So konnte ich Lukas finanzieren. Und das Unterrichten hat mich sehr fasziniert." Dazu wollte sie aber auch immer mehr wissen. Darum machte sie den Basispass Pferdekunde und das Deutsche Westernreitabzeichen in Bronze, die Ausbildung zum Sportassistenten im Westernreitsport, das Deutsche Longierabzeichen Klasse IV und schließlich wurde sie auch Trainerin C-Westernreiten, Schwerpunkt Leistungssport.
"Das war dann auch der Punkt, an dem ich dachte: ‚Jetzt bin ich Westerntrainerin, jetzt kann ich auch ein junges Pferd selbst einreiten‘ ", erinnert sich Dr. Mack-Heil. So kam Lillebror zu ihr, natürlich ein Fjordpferd: "Er war drei Jahre jung, von einem tollen Züchter und noch roh."
Ihr Pferd brachte sie zum Horsemanship
Die ersten Ausbildungsversuche waren jedoch nicht sehr erfolgreich. "Er war schon damals ein sehr freundliches Pferd, aber überhaupt nicht beeindruckt von meiner Kompetenz", erzählt sie lachend. Stattdessen zeigte er ihr sehr schnell, wenn ihm etwas nicht passte – auf seine ganz eigene Weise: "Er legte sich einfach hin, selbst wenn ich auf ihm saß." Für Dr. Julia Mack-Heil ein Zeichen: Sie hatte zwar bereits viel Pferdewissen – aber es reichte noch nicht.
Der Zufall half ihr weiter: "In meinem Unterricht hatte ich eine Frau, die Horsemanship nach Parelli machte. Und so schlossen wir einen Deal: Ich gebe ihr Unterricht und sie zeigt mir, wie Parelli geht." Mit dem neuen Wissen änderte sich die Beziehung zu Lillebror. "Es war keine "Wunder über Nacht"-Sache, aber Stück für Stück ging es immer besser."
Setze die Beziehung zu Deinem Pferd an erste Stelle
Eine Erfahrung, die sie prägte. Und den Wunsch weckte, noch mehr zu lernen. "Dabei stand ich Parelli erst einmal skeptisch gegenüber. Es gibt ja den Vorwurf, dass es fast eine Sekte ist. Man muss daran glauben – oder man ist draußen." Doch etwas einfach hinnehmen, ohne es zu hinterfragen – das konnte und wollte Dr. Mack-Heil nicht. "Trotzdem war ich neugierig und wollte es wenigstens versuchen", sagt sie.
Schon der erste Kurs zeigte ihr: Sie konnte alle Fragen stellen, die sie hatte. Ein Grundgedanke war ihr dabei besonders wichtig: "Setze die Beziehung zu Deinem Pferd an erste Stelle! Das heißt für mich, dass man auf seinen Partner und seine Grundbedürfnisse eingeht. Und dass es eine gute Kommunikation gibt, die der Partner auch versteht."
Durch Lillebror lernte sie ihren Mann kennen…
Sie stieg immer tiefer ein und lernte so auch Parelli-Instruktor Ralf Heil kennen. "Er hat mich fasziniert, weil er Dinge auch oft hinterfragt. Und immer erklären konnte, warum er etwas macht." Aus Freundschaft wird Liebe. "Aus Spaß sagen wir immer, dass Lillebror uns verkuppelt hat", so Dr. Mack-Heil mit einem Lachen.
Für ihn zog sie auch nach Südhessen. "Das war auch beruflich eine Veränderung. Vorher hatte ich eine Vollzeitstelle als Pfarrerin." Für den Umzug in ein anderes Bundesland musste sie auch die Landeskirche wechseln. "Ich hatte Glück, in der Nähe war eine 50-Prozent Stelle frei." Und so blieb sie Seelsorgerin für Menschen – und wurde gleichzeitig auf dem Birkenhof Seelsorgerin für Pferdeseelen. "Das war gut, so konnte ich in das Leben auf dem Hof langsam reinwachsen", sagt sie.
Pferdeseelen mit Vergangenheit
Denn die eigenen Pferde auf dem Birkenhof verbindet meist eins – eine schwere Vergangenheit. "Ralf bekam oft Pferde geschenkt, die keiner mehr haben wollte, weil sie gefährlich oder unreitbar sein sollen." Das ist auch heute noch so: Von den 16 eigenen Pferden, sind nur vier gekauft – der Rest wurde dem Paar geschenkt. Wie Fritz, ein zwölfjähriger Oldenburger. "Er hatte das Pech, dass er ein Pferd mit guten Papieren ist. Er sollte in den Dressursport gehen. Aber mit der normalen Ausbildung kann er nicht umgehen", so Dr. Mack-Heil. "Fritz ist ein sehr emotionales Pferd. Und er verzweifelt erst nach innen – bis alles aus ihm herausbricht."
Sein emotionaler Ausbruch war auch ein körperlicher: Fritz sprang durchs Fenster aus dem Stall. Dabei brach er sich die Nase und verletzte sich schwer an den Hinterbeinen. Trotzdem rannte er davon und landete schließlich in einem Sumpf. "Da steckte er für einen Tag fest. Als er wieder rausgeholt wurde, war er nicht mehr reitbar, hieß es. Deshalb bekam Ralf ihn geschenkt." Auf dem Birkenhof bekam Fritz erst einmal die Zeit, die er brauchte, um anzukommen. Dabei baute er neues Vertrauen auf. "Trotzdem hat er ein Jahr lang die Luft angehalten, wenn Ralf ihn reiten wollte."
Ein Lehrmeister, der zeigt: Es gibt auch Grenzen
Mittlerweile ist Fritz ihr Hauptpferd. "Ich reite viel Dressur mit ihm, das tut ihm gut. Und heute hat er Vertrauen zu mir und würde für mich durchs Feuer gehen." Ein Happy End – mit kleinen Rissen. Dr. Mack-Heil: "Er ist wie eine ganz zarte Porzellantasse mit einem kleinen Sprung. Und dieser Sprung wird immer da sein. Wenn zum Beispiel ein Blatt auf seine Kruppe fällt, spüre ich, wie er zusammenzuckt." Doch genau das ist es, was sie an ihm so liebt. "Er war der wichtigste Lehrmeister, weil er mir zeigt, dass auch unsere Arbeit Grenzen hat. Wir können nicht alles heilen – aber wir können sein Leben lebenswert und schön machen."
Die Pfarrerin achtet jeden Tag darauf, dass es ihm gut geht. "Fritz liebt Beständigkeit – und Wiederholungen. In der Dressur fange ich deshalb immer gleich an. So merkt er, dass alles gut ist. Und erst wenn er abschnaubt und sich entspannt, kommt mal eine neue Lektion." Ganz anders dagegen ist zum Beispiel ihr Lillebror: "Er liebt es knackig und kniffelig."
Kinderpony? Nicht mit Remény…
Wieder anders ist Remény, eine sechsjährige Ponystute. "Wir haben sie von einem Reitverein bekommen." Damit wurden sie zu ihren Lebensrettern. "Sie wurde über eBay aus Ungarn gekauft, sollte eigentlich ein Kinderpony sein. Aber genau das war sie nicht. Als sie ankam, war sie völlig verstört, hat gebissen und getreten, wollte nur sich selbst schützen. Für den Verein war sie damit eine Belastung. Sie hatten keinen Platz für sie. Und so blieben zwei Alternativen: Ab zum Händler – und dann wahrscheinlich zum Schlachter…"
Reménys Glück: Eine Frau aus dem Reitverein war überzeugt, dass es für die junge Stute einen Plan C geben müsse – und fragte auf dem Birkenhof an. "Sie sagte, dass Remény schlechte Erfahrungen gemacht hat – und das jetzt auch nicht noch mit ihrem Leben bezahlen soll." So kam die Stute nach Stephanshausen. "Sie war mager, total geschoren, selbst die Tasthaare waren entfernt. Wenn etwas war, hat sie sofort gehustet, hatte Stress-Asthma." Die ersten Trainingseinheiten mit Remény waren anstrengend – für Mensch und Pferd. "Sie hat immer erst einmal ‚Nein‘ gesagt. Einmal um mich herumlaufen? ‚Nein‘. Sie wollte nichts mitmachen", erinnert sich die Pferdekennerin.
Vom ängstlichen Pony zur selbstbewussten Stute
Dass es Remény heute besser geht, sieht man auf den ersten Blick. "Als sie ankam, war sie ein Häufchen Elend. Hatte braunes, stumpfes Fell. Heute ist sie eine lackschwarze kleine Stute. Und sie hatte damals so ein weißes Auge. Das kommt auch vor, wenn Pferde über einen längeren Zeitraum im Fluchtmodus sind. Heute ist das Auge kaum noch weiß." Auch die Arbeit bringt Remény Spaß. "Sie hat richtig Lust", sagt die Theologin. Aus dem ängstlichen Pony ist eine selbstbewusste Stute geworden. Eine coole Socke, wie Dr. Mack-Heil sagt. "Das ängstliche Verhalten hatte sie gelernt. Es war ihre Überlebens-Strategie."
Auch mit der Herde kam Remény zunächst nicht zurecht. "Wenn ein anderes Pferd ihr guten Tag sagen wollte, hat sie sich umgedreht und richtig heftig ausgekeilt." Was half? "Immer ruhig bleiben. Wir haben viel mit ihr gemacht, auch medizinisch. Sie wurde in der Klinik durchgecheckt, der Osteopath kam und sie bekam Kräuter für die Atmung. Aber einen großen Teil Arbeit hat uns die Herde abgenommen", sagt die Pfarrerin. Denn dort blieb Reménys Auskeilen nicht ohne Folgen: "Die Herde war ganz deutlich: Die macht Stress? Dann wird sie auf Abstand gehalten. Aber Pferde sind Herdentiere. Und so wollte auch Remény dazugehören…"
Pferdeseelen brauchen klare Kommunikation
Eine andere Strategie hatte Dusty entwickelt. Der einfarbige Painter buckelte und warf seine Besitzer immer wieder ab. "Sie waren so ratlos, dass sie schließlich fragten, ob sie ihn nicht zu uns bringen können", sagt Dr. Mack-Heil. Wie sie mit dem Buckler klarkam: "Es war faszinierend, aber bei uns hat Dusty nicht einmal gebuckelt. Doch, einmal: Vor lauter Freude hat er im Tiefschnee mal einen kleinen Buckler gemacht. Aber sonst? Nichts!" Was Dr. Mack-Heil nicht überrascht: "Wir haben immer wieder Pferde, die bei uns ihre Probleme gar nicht zeigen."
Das liege an der klaren Kommunikation, sagt sie. Und die brauchen Pferdeseelen. "Wir haben Dusty von Anfang an Klarheit gegeben. Haben ihm gesagt, welche Spielregeln bei uns gelten. Und er hat zwar mal getestet, ob wir das wirklich so meinen. Als er wusste, dass wir es so meinen, hat er es sofort akzeptiert. Für ihn war es wichtig: ‚ Die sprechend fließen Pferd, dann sind diese Menschen kompetent.‘"
"Wir vermenschlichen Pferde oft"
Diese Fähigkeit zur Kommunikation ist Grundlage. "Und die tragen wir eigentlich alle in uns. Wir können Körpersprache. Aber im Laufe der Jahre verlassen wir Menschen uns immer mehr auf das gesprochene Wort und die Köpersprache geht verschütt. Das kann aber jeder wieder lernen." Noch einen weiteren Fehler machen viele Pferdebesitzer. "Wir vermenschlichen Pferde oft", erklärt Dr. Mack Heil und führt fort: "Das heißt, wir vergessen, dass sie Fluchttiere sind und wir Menschen instinktiv eher Raubtiere sind." Das gehe schon bei kleinen Dingen los: "Wenn wir uns sicher fühlen wollen, ziehen wir uns in eine kuschelige Ecke zurück. Pferde legen sich dagegen mitten aufs freie Feld – weil sie so Feinde schnell erkennen können."
Heute lebt Dr. Julia Mack-Heil jeden Tag mit den Pferden. "Meine Stelle als Pfarrerin ruht." Denn irgendwann musste sie sich entscheiden zwischen Kanzel und Pferdehof. Mitten im Unterricht zu einem Trauerfall verschwinden – das geht nicht. Doch so ganz ohne Kirche geht es dann doch nicht. Im letzten Jahr gab es auf dem Birkenhof einen ökumenischen Segnungs-Gottesdienst für Tiere. "Das war ein ganz tolles Erlebnis. Wir konnten unsere Dankbarkeit für die Natur und die Schöpfung, die uns so viel schenkt, zeigen", sagt Dr. Mack-Heil.
Sie heilt immer noch Seelen – eben Pferdeseelen
Dr. Mack-Heil heilt auch heute noch Seelen – eben Pferdeseelen. Und sie hilft den Menschen, indem sie das Verständnis zu ihren Pferden fördert. "Dazu gehört manchmal auch das Gegenteil von dem, was man eigentlich tun möchte." Zum Beispiel beim Hängertraining. "Die meisten lernen: Hänger ans Auto hängen, Rampe runter, Pferd raufführen", beginnt Dr. Mack-Heil das verbreitete Prozedere.
Aber: "Wir machen es anders. Wir stellen den Hänger hin, ohne Auto. Dann kann das Pferd ihn erst einmal beschnuppern. Dann lassen wir die Rampe runter und lassen das Pferd entscheiden, ob es reingehen möchte oder nicht. Die meisten gehen sehr schnell rein. Manche bleiben nur ein paar Sekunden, aber das ist okay. Sie bekommen so Vertrauen und bleiben auch länger auf dem Hänger."
Der Unterschied: "Das Pferd geht nicht nur körperlich auf den Hänger. Es geht auch mit dem Kopf und dem Herzen hinauf." Hängertraining gehöre für sie auch zum Jungpferde-ABC. "Unsere können das alles sehr gut. Wir haben eher ein etwas anderes Hängerproblem", sagt Dr. Mack-Heil lachend. "Wenn unsere Pferde einen Hänger sehen, wollen sie rauf – auch wenn es nicht ihr Hänger ist…" Bei allem, was sie macht, achtet die ehemalige Pfarrerin auf die Pferde – und passt sich an. "Es gibt unterschiedliche Typen und darauf stelle ich mich immer wieder neu ein. Das ist so faszinierend. Es wird nie langweilig. Das macht mich glücklich. Und die Pferde…" © Pferde.de
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