Seit einem Reitunfall ist Birgit Quasnitschka ab dem zwölften Brustwirbel gelähmt. Aufs Reiten wollte sie trotzdem nie verzichten. pferde.de sprach mit ihr über die Kunst, das Leben zu genießen – und ihre große zu Liebe zu "kleinen" Pferden.

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Ein typisches Pferdemädchen war Birgit nie. "Im Gegenteil. Tiere waren früher nicht mein Ding", sagt sie heute lachend. "Meine Schwester war schon immer pferdeverrückt, aber mich haben sie nicht interessiert." Und trotzdem kam Birgit mit neun in den Sattel. "Meine Klassenkameradinnen gingen reiten, da wollte ich halt mitmachen. Zum Glück waren sie in einer Isländer-Reitschule. Auf ein Großpferd wäre ich wohl nicht gestiegen. Aber die Isländer waren handlicher und ein guter Kompromiss", erinnert sie sich zurück.

Damals interessierte sie sich viel mehr fürs Turnen. "Das habe ich als Leistungssport gemacht." Doch mit jeder Reitstunde tölteten sich die Isländer mehr in ihr Herz. "Bis zur zehnten Klasse habe ich pro Woche zwei- bis dreimal geturnt und bin auch zwei- bis dreimal geritten. Dann musste ich mich entscheiden. Und blieb bei den Pferden." Warum? "Mich hat es gereizt, dass ich beim Reiten immer auch die Gunst des Pferdes brauche. Beim Turnen war nur ich alleine wichtig, beim Reiten sind wir ein Team, das funktionieren muss", sagt Birgit.

Von anderen Reitern oft belächelt…

Dabei war das Reiten damals vor allem ein riesiger Spaß. "Zu der Zeit gab es in der Isländer-Szene eigentlich kaum dressurmäßiges Reiten. Von den anderen Reitern wurden wir deshalb oft belächelt", sagt der Isländer-Fan. Auch wenn es für Birgit nur Isländer gab – sie wollte mehr. "Deshalb habe ich auch klassisch in der Großpferdereitschule reiten gelernt. Und ich habe eine Trainer-Ausbildung gemacht. Wir haben damals aus Spaß gesagt: Wir mussten selber Trainer werden, da es keine gab…"

Oft wird sie von anderen Reitern belächelt.
Oft wird sie von anderen Reitern belächelt. © Foto: Privat

Dazu gab sie bereits mit 16 Jahren anderen Kindern Reit-Unterricht. Und mit 18 kaufte sie sich ihr erstes eigenes Pferd – "Grani, ein Rappe und natürlich ein Isländer! Er war gerade abgesetzt, ich habe ihn selbst ausgebildet." Später folgt Schimmel Skuggi. "Er war sehr sensibel – und konnte durchaus auch mal Haken schlagen", sagt die Trainerin.

Im Krankenhaus die Diagnose: querschnittgelähmt

Vor 22 Jahren dann der verhängnisvolle Reitunfall mit Skuggi. "Ich bin am langen Zügel geritten. Dann lagen Rohre auf dem Boden. Er hat sich erschreckt, legte eine 180 Grad-Drehung hin und raste los, auf einen Obstbaum zu. Er wollte rechts weiter, ich links. Am Ende sind wir eigentlich in den Baum geritten und ein Ast hat mich aus dem Sattel katapultiert."

Mit dem Rettungshubschrauber kam sie in die Klinik. Die Diagnose: Birgit ist ab dem zwölften Brustwirbel querschnittgelähmt. "Im ersten Moment war das ein Schock", sagt Birgit. Und natürlich hat sie sich auch mal "Was-wäre-wenn"-Gedanken gemacht. "Wäre ich nicht so eine gute Reiterin, hätte es mich bei der 180 Grad-Drehung schon aus dem Sattel geworfen. Dann wäre ich gestürzt, aber das wäre es auch gewesen. Aber ich habe die Drehung eben gesessen…"

Der Unfall verunsicherte sie gar nicht.
Der Unfall verunsicherte sie gar nicht. © Foto: Privat

"Ich habe mich darauf konzentriert, was geht" Doch in diesen Gedanken blieb sie nie hängen. Im Gegenteil: "Mir war relativ schnell klar, was ich alles noch kann. Und genau darauf habe ich mich konzentriert – auf das, was geht. Und nicht auf das, was nicht geht." Birgit sagt auch, dass sie noch Glück im Unglück hatte: "In der Reha habe ich andere querschnittgelähmte Patienten kennengelernt. Zum Beispiel einen Jungen, gerade 17 Jahre alt, der nach einem Autounfall vom Hals abwärts gelähmt war. Da wusste ich, dass ich zur Nobel-Gruppe gehöre…"

Das Leben nehmen, wie es ist und das Beste daraus machen – für Birgit mehr als ein Sinnspruch. Sie lebt danach. "Ein Jahr nach dem Unfall bin ich schon wieder Ski gefahren." Und zwei Jahre später stieg sie auch wieder in den Sattel. Angst? Hatte sie trotz Reitunfall nicht, auch kein schlechtes Gefühl. "Ich wusste ja, dass der Unfall eine ‚dumm gelaufen‘-Situation war. Deshalb war ich Skuggi auch nie böse." Trotzdem ist sie ihn nie wieder geritten. "Man muss wissen, was geht. Und das ging nicht", sagt sie lächelnd.

Neues Leben nach dem Reitunfall

Dafür hatte sie noch Grani, ihr erstes Pferd. "Bei ihm habe ich mich sicher gefühlt." Noch sicherer wurde es, als eine Stallkameradin ihr einen Pony-Westernsattel gab. "Damit sitze ich besser." Heute ist Smári ihr tierischer Begleiter, ein Isländer-Fuchs, zwölf Jahre alt. "Er geht ganz in seiner Aufgabe an meiner Seite auf", sagt Birgit. Das merkt sie bereits beim Aufsteigen. Mit dem Rollstuhl fährt sie dafür eine Rampe hoch, so ist der Rollstuhl auf Rückenhöhe des Pferdes. "Smári presst sich dann immer ganz eng an die Rampe, damit ich es leichter habe."

Ihr Traum ist es WM-Richterin zu sein.
Ihr Traum ist es WM-Richterin zu sein. © Foto: Privat

Durch den Reitunfall hat sich ihr Leben einmal komplett gedreht. "Ich habe damals Mathematik und Sport auf Lehramt studiert. Aber mir war klar: Ich kann nicht im Rollstuhl Sport unterrichten. Also habe ich geguckt, was ich mit meiner Ausbildung noch machen kann. Und habe dann meinen Magister in Sportwissenschaften gemacht, mit dem Nebenfach Pädagogik und Psychologie. Seitdem bin ich selbstständig als Trainerin, Sportrichterin und auch Mentaltrainerin tätig", sagt sie.

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Ihr Traum? Richterin bei der WM zu sein

Dazu gibt sie nach wie vor Reit-Unterricht – und ist auch als Richterin international im Einsatz. "Die Prüfung habe ich zum Glück schon vor meinem Unfall gemacht. Mich hat das Richten immer fasziniert, schon als ich noch auf Turnieren für die Richter geschrieben habe." Dazu engagiert sie sich beim Islandpferde-Reiter- und Züchterverband e.V., ist erste Vorsitzende in ihrem Ortsverein, Sportwartin im Landesverband Hessen und stellvertretenden Richtressortleiterin im Isandpferde-Reiter- und Züchterverband (IPZV) Dachverband. Was sie sich noch wünscht? "Einmal als Richterin bei einer Weltmeisterschaft dabei sein." Vor zwei Jahren hätte es fast geklappt, damals war sie bereits fest nominiert. Doch dann fiel die WM wegen Corona aus. Doch jetzt wird Wunsch in Erfüllung gehen: Sie wurde für 2023 als Richterin für die WM in Holland nominiert. Und sie genießt ihr Leben auf dem Rücken von Smári. "Ohne Isländer geht es für mich nicht mehr", sagt sie lachend. Sie wird weiter in den Sattel steigen. "Warum soll ich nicht reiten, nur weil ich nicht laufen kann?"  © Pferde.de

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