Beim Thema Schlittenhund-Touren scheiden sich häufig die Geister. So steht die traditionelle Fortbewegung durch Hochleistungssportler auf vier Pfoten immer wieder im Zentrum der Frage, artgerechte Auslastung oder Tierquälerei und touristisches Ausbeutung der Tiere?
Mal Hand aufs Herz: Wer hat nicht schon mal von einer Schlittenhund-Tour geträumt? Durch tief verschneite Landschaften fernab der Zivilisation zu gleiten. Keine Alltagsgeräusche hören zu müssen, sondern Ruhe zu genießen. Die Sonne, den Wind und die Kälte auf der Haut zu spüren. Der Gedanke an all das, was wir mit einer Schlittenhund-Tour assoziieren, löst positive Gedanken und Gefühle in uns aus. Angetrieben von vierbeiniger Muskelkraft, anstatt von lauten und stinkenden Motoren, erinnert uns diese Art der Fortbewegung auch an eine Zeit, in der die Natur den Rhythmus des Reisens bestimmt hat und nicht die Stärke der Maschine.
Namenhafte Reisekonzerne wie beispielsweise "Tui", "Aida" oder "Hurtigruten GmbH", aber auch Anbieter von Spezialreisen sowie unzählige kleine Firmen vor Ort bieten mittlerweile Schlittenhund Touren in den unterschiedlichsten Regionen der Welt an. Typische Reiseländer für dieses Abenteuer sind Finnland, Norwegen, Schweden, Grönland, Kanada und Argentinien. Aber selbst bei uns in Deutschland steht mittlerweile "Wandern mit Huskys" oder Schlittenhund-Touren auf dem Programm lokaler Veranstalter.
Allen Anbietern ist eins gemeinsam: Neben dem unvergesslichen Abenteuer in schönster, intakter Natur bewerben sie diese Art des Reisens als besonders tierfreundlich. Ganz im Gegensatz zu den vielen dubiosen Urlaubsvergnügen, in denen Tiere, aber bestimmt nicht das Tierwohl im Vordergrund stehen. Aber stimmt das? Sind Schlittenhund-Touren wirklich hundefreundlich und artgerecht? "Peta" bezweifelt das und bestätigt mit verstörendem Videomaterial aus Norwegen ihren Vorwurf der Tierquälerei. DeineTierwelt zeigt Dir die "Für und Wider"-Argumente von Schlittenhund-Touren, damit Du Dir Deine eigene Meinung bilden kannst.
Sind Schlittenhund-Touren artgerechte Fortbewegung…?
Grundsätzlich kann man alle Hunde als Schlittenhunde bezeichnen, sobald sie vor einen Schlitten gespannt werden. Mittels Geschirr und Leine sind die mittelgroßen Hunde mit dem Schlitten verbunden und sausen zusammen mit dem Gespann-Lenker, dem sogenannten "Musher" durch tief verschneite Winterlandschaften.
Als Schlittenhunde eigenen sich bestimmte Rassen, die sich aufgrund ihrer Herkunft, ihrer Merkmale und ihres natürlichen Verhaltens besonders gut für den "Zughundesport" eignen. Die "Fédéracion Cynologique Internationale" (FCI) erkennt allerdings nur vier Rassen als klassische Schlittenhunde an: Siberian Husky, Alaskan Malamute, Samojede und der Grönlandhund. Schlittenhunde sind eng mit dem Wolf verwandt. Sie sehen dem wilden Vorfahren unserer Haushunde nicht nur ähnlich — sie bellen normalerweise auch nicht. Stattdessen heulen und jaulen Schlittenhunde wie Wölfe.
Die Vierbeiner zeigen ein ausgeprägtes Sozialverhalten und möchten wie Wölfe im Rudel zusammenleben. Auch bei Schlittenhunden herrscht eine strenge Rangordnung, die immer wieder – teils auch mit den Zähnen — "ausdiskutiert" wird. Die Hunde schätzen zwar die Nähe zu ihrer Familie, sind aber weniger personenbezogen und deutlich eigenwilliger als andere Rassen.
Werden bei Schlittenhund-Rennen hauptsächlich Mischlinge aus den genannten Rassen eingesetzt, haben sich bei Schlittenhund-Touren die ursprünglich nordischen Schlittenhunde bewährt. Diese sind rassebedingt optimal an die eisigen Temperaturen angepasst und können auch bei größeren Distanzen dauerhaft den Schlitten ziehen. Denn typisch für Schlittenhunde ist ihre hohe Ausdauer und ihre enorme Leistungsbereitschaft. Sie besitzen einen ausgeprägten Bewegungsdrang und einen unbedingten Laufwillen. Rennen liegt ihnen im Blut, denn genau dafür werden sie seit Jahrhunderten gezüchtet.
Der typische Schlittenhund besitzt raues Deckhaar mit reichlich Unterwolle, wird bis ungefähr 70 Zentimeter groß und bis zu 45 Kilogramm schwer. Dank seiner Widerstandsfähigkeit und des starken Herz-Kreislaufsystems kommt er trotz sportlicher Höchstleistungen mit vergleichsweise wenig Futter zurecht.
Gut trainierte Hunde ziehen den Schlitten an einem Tag bis zu 200 Kilometern. Auf kurzen Distanzen erreichen sie Spitzengeschwindigkeiten von bis zu 40 Kilometern pro Stunde. Bei längeren Distanzen haben sie immer noch ein Durchschnittstempo von 16 bis 23 Kilometer pro Stunde. Für die Befürworter von Schlittenhund-Touren entspricht daher das Laufen und die Zugarbeit der Natur der Schlittenhunde. Für Sie wäre es Tierquälerei, diese agilen Tiere in einer engen Stadtwohnung ohne ausreichenden Auslauf zu halten.
… oder Tierquälerei?
"Peta" bezeichnet in einer aktuellen Stellungnahme Schlittenhund-Touren als Tierquälerei. Videomaterial aus Norwegen zeigt unzählige Schlittenhunde an kurzen Eisenketten, die wild umherspringen. Sie leben in kargen Holzhütten ohne Dämmung und werden für touristische Schlittentouren ausgebeutet. Bereits mit fünf oder sechs Monaten werden sie dazu gezwungen, Schlitten zu ziehen. Falsche Bewegung und Überlastung können im jungen Alter gefährliche Verletzungen verursachen. Auch während der Touren gehen viele Hunde an ihre Belastungsgrenze und darüber hinaus. Pfotenverletzungen, Knochenbrüche oder Gelenkentzündungen können die Folge der sportlichen Höchstleistung sein. Beim "Idarod", dem längsten Hundeschlittenrennen der Welt, sterben zum Beispiel jedes Jahr erneut Hunde.
Zusätzlich leiden zahlreiche Schlittenhunde an rassebedingten Krankheiten. Beim Husky werden auffallend oft Dysplasien oder Rückenmarkserkrankungen festgestellt. Samojeden sind anfällig für Diabetes und einige andere Krankheiten. Aus diesem Grund sehen viele Tierschützer bei Schlittenhunden den Tatbestand der Qualzucht als erfüllt an. "Die hohe Belastung kann zu Schäden an ihren Bändern, Sehnen und Gelenken führen", so "Peta". Denn die Fellnasen befänden sich oft noch im Wachstum. Zudem kritisieren die Tierschützenden, dass sich die Hunde vor der Schlitten nicht aus dem Weg gehen könne, was in Beißvorfällen eskalieren könne. Auch am Charity-Schlittenhunderennen "Baltic Lights" auf Usedom Anfang März üben die Tierschützer scharfe Kritik: "Blutige Pfoten, Bänderrisse oder Überlastungserscheinungen sind dabei keine Seltenheit und werden billigend in Kauf genommen."
Ein Leben an der kurzen Eisenkette
Und schließlich betrifft ein weiterer Vorwurf die Hundebesitzer selbst. Noch im Wachstumsalter werden Hunde an ein Leben an der kurzen Kette (in Deutschland gemäß § 7 Absatz 1 der Tierschutzhundeverordnung verboten) oder im Zwinger gewöhnt. Die Tiere können jedoch durch diese reizarme und triste Umgebung schwere Verhaltensstörungen wie dauerhaftes Bellen oder Im-Kreis-Laufen entwickeln. Sie haben außer dem Training oder den Touren keinerlei Beschäftigung oder Auslauf. Ausgediente Hunde, die keine Leistung mehr erbringen können, werden ins bestenfalls ins Tierheim abgeschoben, meistens jedoch eingeschläfert. Laut der Tierrechtsorganisation seien in der Vergangenheit solche unter Verhaltensstörungen leidenden Schlittenrenn-Hunde zudem geschlagen, erschossen und auch ausgesetzt worden.
"Peta" forderte daher die großen Tourismus-Verbände im Dezember schriftlich dazu auf, Schlittenhund-Touren nicht mehr anzubieten. Außerdem appelliert die Tierschutzorganisation an Reisende, solche Touren nicht mehr zu buchen. Annika Lewald, Fachreferentin für tierische Mitbewohner bei "Peta Deutschland" macht es deutlich: "Während die Menschen ihren Urlaub genießen, fristen die Hunde ein trauriges Dasein an der Kette." Unter dem Instagram-Post von "Peta" zeigen sich viele Follower entsetzt über die Praktiken bei Schlittentouren. Einige Stimmen hingegen protestieren, dass die Darstellung "zu pauschalisiert sei" und es verantwortungsvolle Anbieter gäbe.
Der Schlittenhund ist ein Hochleistungssportler auf vier Pfoten
Schlittenhunde sind faszinierende Vierbeiner. Ihr ursprüngliches Aussehen, ihr unbedingter Leistungswille sowie ihre sportliche Ausdauer machen sie zu etwas ganz Besonderem. Als brave Haus und Familienhunde eignen sich die meisten von ihnen nicht. Sie gehören in die Hände erfahrener Halter, die mit den speziellen Bedürfnissen dieser tierischen Hochleistungssportler auf vier Pfoten umzugehen wissen. Ob sie zur Auslastung unbedingt schwere Schlitten mit Touristen hinter sich herziehen wollen, ist fraglich.
Mittlerweile sind sich viele Hundefarmen vor allem in Norwegen den Bewegungs- und Abwechslungsproblemen ihrer Schlittenhunde außerhalb der Saison durchaus bewusst und bieten eine Art "Buddy-Programm" an. Im Sommer, wenn die vierbeinigen Hochleistungssportler nichts zu tun haben, dürfen sich Urlauber einen Schlittenhund für ein paar Tage ausleihen, um ihn als Begleiter auf Touren durch die faszinierende Natur Norwegens mitzunehmen. Dennoch werden sie während der Saison wieder vor die Schlitten gespannt. © Deine Tierwelt
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