Im Nationalpark Eifel gab es eine spektakuläre Sichtung. 150 Jahre nach ihrem Aussterben in Deutschland konnten jetzt erstmals wieder Gänsegeier beobachtet werden. Doch können die großen Greifvögel überhaupt dauerhaft zurückkommen?

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Den Lebensraum der Gänsegeier (Gyps fulvus) – auch Königsgeier genannt – vermuten die meisten von uns wohl am ehesten in Nordamerika, auf dem Balkan oder in den Anden. Und das ist kein Wunder, denn Gänsegeier gelten in Deutschland seit 150 Jahren als ausgestorben. Doch bereits seit 2022 wird das Großprojekt "Die Rolle des Aases in unserem Ökosystem" der Universität Würzburg in 16 großen Nationalparks Deutschlands durchgeführt. Auch der Nationalpark Eifel im Südwesten Nordrhein-Westfalens nimmt an dem Forschungsprojekt aktiv teil. Und dieser Nationalpark verkündet auf seiner Jahrespressekonferenz eine Sensation: Gleich 21 Gänsegeier zählten die Wissenschaftler mithilfe einer Wildtierkamera in dem Nationalpark. Offenbar handelte es sich um junge Tiere, die aus Spanien und Frankreich kamen. Das aktuelle Projekt hatte die großen Greifvögel angelockt. Denn im Rahmen dessen wurde am 6. Juni 2023 ein Reh-Kadaver ausgelegt. Ob die großen Greifvögel jedoch dauerhaft in Deutschland bleiben, ist jedoch fraglich.

Ihren Namen haben die Greifvögel aufgrund ihres charakteristischen Gefieders, das an den Hals einer Gans erinnert. Ihre Flügelspannweite kann beeindruckende 2,50 bis 3,00 Meter betragen. Gänsegeier gehören damit zu den größten flugfähigen Vögeln in Europa. Die majestätischen Greifvögel spielen in ihren Ökosystemen eine zentrale Rolle. Sie fressen Kadaver und tragen somit dazu bei, die Verbreitung von Krankheiten zu reduzieren. Sie haben eine spezielle Anatomie und sind aufgrund ihres starken Verdauungssystems dazu in der Lage, selbst bereits stark verwestes Aas zu fressen. So fungieren sie als eine Art gefiederte Gesundheitspolizei.

In Deutschland gibt es kein Aas für sie.
In Deutschland gibt es kein Aas für sie. © Foto: unsplash.com/Joseph Bouvier (Symbolfoto)

Kein Aas für Gänsegeier in Deutschland

Gänsegeier waren noch im Mittelalter im Süden Deutschlands – vor allem in der Region Mosel und am Mittelrhein – weit verbreitet. Sie folgten den großen Schafherden und übernahmen eine wichtige Aufgabe als natürliche Kadaverbeseitiger. Doch nach und nach wurden die majestätischen Greifvögel aktiv bejagt, Vergiftungsaktionen taten ihr Übriges. Sie sind daher bereits seit dem 19. Jahrhundert gänzlich aus Deutschland verschwunden.

Neben dem Fehlen der geeigneten Brutplätze vorwiegend in Felsen, ist es aber vor allem die fehlende Nahrung, die eine dauerhafte Wiederansiedlung in Deutschland der Gänsegeier schwierig macht. Denn im Jahre 2002 wurden strenge Hygienemaßnahmen im Kampf gegen BSE EU-weit eingeführt. Daher müssen in Deutschland größere Tierkadaver schnell nach dem Auffinden in speziellen "Tierkörperbeseitigungsanstalten" entsorgt werden. Diese Maßnahmen entziehen den großen Aasfressern die Lebensgrundlage. Denn die Spezialisten können nur Tierkadaver fressen, für die Jagd auf lebendige Beute sind sie nicht schnell und wendig genug.

In Spanien und Frankreich gibt es daher seit Jahren genehmigte Futterplätze, die regelmäßig mit toten Weidetieren bestückt werden. Und auch in Deutschland wirbt der NABU dafür, verstorbene Weidetiere oder überfahrenes Wild nicht mehr zu "entsorgen", sondern den Gänsegeiern als Nahrungsquelle anzubieten.

Vermehrte Sichtungen über Deutschland

Bereits seit 2007 berichtet der NABU, dass Gänsegeier von Norddeutschland bis hin zum Bodensee wieder über Deutschland fliegen. Dies seien jedoch zumeist Tiere, die Falknern oder Zoos entflogen sind, da sie einen Ring trugen. Doch immer wieder finden sich auch Geier, die unberingt sind. Zumindest als Zwischenstopp auf ihre Durchreise durch Deutschland. Hauptsächlich besiedeln die Gänsegeier eine Zone von der iberischen Halbinsel über den Balkan und die Türkei bis nach Arabien.

Gerade in Spanien laufen bereits seit den 1980-Jahren spezielle Schutz- und Fütterungs-Programme für die Vögel. Und die zahlen sich aus: Mittlerweile beträgt die Populationsgröße in Spanien 22.000 Brutpaare. In Portugal brüten weitere 400 Paare, knapp 200 in Griechenland, 300 – 500 in der Türkei und etwa 200 in den Balkanstaaten. Aufgrund von erfolgreichen Auswilderungs-Maßnahmen gibt es mittlerweile auch in Frankreich – vor allem in den Pyrenäen und den Cevennen – wieder etwa 600 Brutpaare.

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So zeigt auch hierzulande die spektakuläre Sichtung im Rahmen des Projekts "Die Rolle des Aases in unserem Ökosystem", wie wichtig es für den natürlichen Erhalt vom Ökosystem ist, dass tote Tiere in der Natur verbleiben. Nur mit solch einfachen Mittel ist es gelungen, dass streng geschützte und seltene Arten in die Schutzgebiete zurückkehren. Nach Abschluss des Projekts wollen die Ökologen dann eine Handlungsempfehlung zum Schutz der Gänsegeier herausgeben. Hoffen wir, dass sich die majestätischen Greifvögel 150 Jahren nach ihrem Aussterben in Deutschland bald wieder heimisch fühlen können. Denn im Gegensatz zum weit verbreiteten "Pleitegeier" sind uns die Gänsegeier herzlich willkommen.  © Deine Tierwelt

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