Pferde erkennen Giftpflanzen und fressen sie daher nicht, heißt es unter Pferdemenschen. Doch warum kommt es trotzdem immer wieder zu Vergiftungsfällen auf Pferdeweiden? Eine Studie der Tierärztlichen Hochschule Hannover hat eine Antwort gefunden.

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Auch Giftpflanzen wollen leben. Und deshalb haben sie einen ganz eigenen Schutzmechanismus. Sie schmecken zum Beispiel bitter. Effekt: Sie werden nicht gefressen. Doch das funktioniert nicht immer. Die Folge: Jedes Jahr gibt es Vergiftungsfälle, weil Pferde auf der Weide eben doch giftige Pflanzen gefuttert haben. Woran das liegt? Das wollte die Wissenschaftlerin Sabine Aboling vom Institut für Tierernährung der Tierärztlichen Hochschule Hannover genauer wissen…

Ihre Annahme: Pferde und Giftpflanzen "kommunizieren" miteinander. "Tödliche Fälle von Weidevergiftungen zeigen, dass die Botschaft nicht immer erfolgreich vermittelt wird", sagte sie. Aber: "Die äußeren Umstände einer Weidevergiftung sind weitgehend unbekannt."

Sie führte eine Überprüfung durch, um die Vergiftungszustände bei Rindern, Schafen, Ziegen und Pferden auf Weiden zu dokumentieren und eine Checkliste von Pflanzen zu erstellen, die entweder an einer Vergiftung oder an einer Koexistenz beteiligt waren und bei denen keine Anzeichen einer Vergiftung auftraten – etwas, das sie als "Nullvergiftung" bezeichnete.

Studie: Vergiftungen in Mitteleuropa untersucht

Diese Nullvergiftung umfasste alle Fälle von Weidetieren mit direktem Kontakt mit giftigen Pflanzen, aber ohne gemeldete oder dokumentierte Symptome einer Pflanzenvergiftung. Eine Nullvergiftung basiert entweder auf der dokumentierten Vermeidung oder auf der dokumentierten unbedeutenden Aufnahme einer giftigen Pflanze durch ein Tier.

Aboling nutzte veröffentlichte Fallberichte als ihre Hauptquellen für ihre Studie. Sie untersuchte dabei Fälle in Mitteleuropa, darunter Österreich, Kroatien, Tschechien, Deutschland, Ungarn, Luxemburg, Polen, der Slowakei und der Schweiz. Und sie entwickelte eine Checkliste giftiger Pflanzen als Instrument für das Risikomanagement. Dabei warnt sie jedoch, dass diese angesichts des Artenreichtums europäischer Graslandschaften möglicherweise nicht vollständig ist.

Vergiftungen sind meist Folge von Hunger.
Vergiftungen sind meist Folge von Hunger. © Foto: unsplash.com/Peter Kisteman (Symbolfoto)

Bei Hunger fressen Pferde auch Giftpflanzen

Ihre Liste giftiger Pflanzen umfasst 52 Taxa, also Arten beziehungsweise Gruppen. Davon gelten 13 Taxa als sicher. Bei ihnen wurde kein Hinweis auf eine Vergiftung gefunden. Elf Taxa werden nachweislich mit keiner Vergiftung in Verbindung gebracht (Positivliste) und 28 Taxa werden mit einer Vergiftung in Verbindung gebracht (Negativliste). Und: Neun Pflanzentaxa führten bei mehr als 100 Tieren zu Vergiftungen.

Das Ergebnis: Vergiftungen waren am häufigsten mit einer eingeschränkten Futterauswahl verbunden (24,7 Prozent), gefolgt von Überweidung (12,9 Prozent), saisonalem Futtermangel (10,6 Prozent) und gleichzeitigem Verzehr von Gras (4,7 Prozent).

Vergiftungen: Folge von Hunger

"Zusammenfassend lässt sich sagen, dass giftige Pflanzen auf Weiden ihre Giftigkeit weitergeben können, wenn den Tieren genügend alternative Futterpflanzen zur Verfügung stehen", so Aboling. Dabei erklärt sie: "Ein einzelnes Tier könnte die Mitteilung der Toxizität durch die Pflanzenart völlig wahrnehmen, aber aufgrund einer begrenzten Auswahl an Futtermöglichkeiten gezwungen sein, die Botschaft zu ignorieren." Denn: Die Daten zeigten, dass schwere gesundheitliche Probleme oder tödliche Vergiftungen durch giftige Pflanzenarten praktisch immer auf Hunger als natürliche Folge des Verzehrs zurückzuführen seien.

Bleibt die Frage: Schaffen es giftige Pflanzen auf Weiden also, ihre Giftigkeit zu kommunizieren? Der Anteil von 40 Prozent, bei denen in allen evidenzbasierten Fällen keine Vergiftung festgestellt wurde, legt dies nahe.

Pferde können Giftpflanzen erkennen

Aboling sagte, ihre Erkenntnisse seien umso relevanter, als die floristische Vielfalt im letzten Jahrzehnt zu einem Ziel der modernen Grünlandbewirtschaftung geworden sei. "Floristische Vielfalt sowie die Bereitstellung ausreichenden Futters und die Vermeidung von Überweidung würden nicht nur eine Futterauswahl zwischen nahrhaften, diätetischen und giftigen Pflanzen ermöglichen, sondern auch ein erfolgreiches Zusammenleben von Pflanze und Tier auf Weiden erleichtern."

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Und: "Die Ergebnisse machen deutlich, dass die Kommunikation zwischen Pflanze und Tier meist einfach aufgrund von Futtermangel scheitert", so Aboling. "Obwohl das Verständnis der Rolle sekundärer Pflanzenstoffe für pflanzenfressende Wirbeltiere noch unzureichend ist, kann die Frage, ob giftige Pflanzen auf Weiden generell ihre Toxizität kommunizieren, empirisch mit Ja beantwortet werden."  © Pferde.de

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