82 Prozent der Deutschen befürworten den Zoo als wichtige Einrichtung für Freizeit, Arterhaltung und Bildung. Tierschützer dagegen sehen in ihm ein Gefängnis für Tiere. Ist ein Zoo-Besuch daher mit gutem Gewissen noch möglich?
Bereits vor mehr als 2.000 Jahren soll in China der erste Zoo gebaut worden sein. Von da an spielten die "Tiergärten" in allen Epochen eine mehr oder minder große Rolle als Zeitvertreib und Ablenkung für das Volk, als "Garten des Wissens" für die Gelehrten, als "Zeichen der Macht" für die Herrschenden oder als "Modeerscheinung für den Adel". Am 1. August 1844 wird mit dem "Zoologischen Garten" in Berlin der erste Zoo Deutschlands eröffnet. Giraffen, Löwen, Tiger, Eisbären oder Elefanten gucken – millionenfach strömen jährlich Menschen in den Zoo, um diese meist exotischen Tiere aus fernen Ländern zu bestaunen. Weltweit gibt es mittlerweile mehr als 10.000 solcher "Tiergärten". In Deutschland gibt es weit mehr als 200 große und mittelgroße Zoos und Tiergehege. Laut dem "Verband der Zoologischen Gärten e. V." (VdZ) haben 2019 mehr als 36 Millionen Menschen in Deutschland einen Zoo besucht.
Und Zoos sind sehr beliebt bei Jung und gleichermaßen bei Alt. Laut einer Meinungsumfrage, mit der der "VdZ" das Institut "Forsa" beauftragt hat, gehen 75 Prozent der Deutschen "sehr gerne" und 25 Prozent "eher gerne" in den Zoo. Dabei ist vielen Besuchern bewusst, dass der Zoo nur ein Ersatzlebensraum für die Tiere ist – und nicht das Leben in freier Natur darstellt. Vor diesem Hintergrund ist es umso erstaunlicher, dass – laut der Umfrage – 80 Prozent der Deutschen sagen, dass sich durch den letzten Zoo-Besuch ihre Wertschätzung für die Tiere vergrößert hat. Dass der Zoo-Besuch allerdings mit einem guten Gewissen nicht vereinbar ist, steht für Tierschützer außer Frage.
82 Prozent der Deutschen befürworten den Zoo
Die Deutschen haben ein sehr klares Bild vom gesellschaftlichen Auftrag der Zoos. Laut der Umfrage ist für 65 Prozent die Erhaltung und Zucht gefährdeter Tierarten "sehr wichtig". Für weitere 28 Prozent sind diese Aufgaben "wichtig". Für 55 Prozent der Befragten ist es "sehr wichtig", dass sich Zoos – auch außerhalb ihrer Grenzen – für den Artenschutz starkmachen. Ein weiteres Drittel (36 Prozent) findet das "wichtig".
Auch die Bildungsarbeit, die der Zoo leisten soll, ist vielen Besuchern wichtig. Es gibt nirgendwo sonst Einrichtungen, die so geballt und so gezielt so viele Menschen an Umwelt- und Artenschutzthemen heranführen sollen wie Zoos. Laut dem "VdZ" nahmen zuletzt jährlich 1,2 Millionen Menschen an 171.000 verschiedenen Bildungsangeboten der "VdZ" teil.
Schließlich fungieren Zoos in den Augen vieler als eine Art Auffangbecken für eine spätere Auswilderung. Sie sollen so dem Artensterben entgegen wirken. Zusammengefasst befürworten generell 82 Prozent der befragten Deutschen den Zoo als wichtige Stätte für Freizeit und Bildung, in der zudem geforscht und zum Erhalt bedrohter Tierarten beigetragen wird.
Tierschützer beziehen Stellung gegen Zoos
Tierschützer und Tierschutzorganisationen sehen in Zoos ausschließlich Gefängnisse, in denen die tierischen Bewohner täglicher Quälerei ausgesetzt sind. Der bekannte Tierschützer Robert Marc Lehmann bezeichnet die Argumente der Zoo-Befürworter in einem Video auf seinem YouTube-Kanal sogar als "BULLSH*T", in einem anderen Video bezieht er ebenso klar Stellung. Mehr als 750.000 Zuschauer und knapp 35.000 Likes nur bei diesen beiden Videos zeigen, wie wichtig auch seinen Followern dieses Thema ist. Seinen Auftritt zu "Pro und Contra Zoo" bei dem Format "3nach9" im Free-TV bei "Radio Bremen" verfolgten sogar über 1,48 Millionen Zuschauer auf YouTube.
Auch die bekannte Influencerin Alicia Joe erklärt ihren 649.000 Abonnenten in einem Video auf ihrem YouTube-Kanal die aus ihrer Sicht bestehende Doppelmoral der Zoos zwischen Artenschutz und Tierwohl. Insgesamt positionieren sich mit Robert Marc Lehmann neben neben einflussreichen deutschen Influencern wie Alicia Joe, Rezo und Jonas Ems auch vermehrt Tierärzte wie Dr. Karim Montasser gegen Zoos und stellen die Argumente der Zoo-Befürworter infrage. Gegen die öffentliche Kritik wollen die Zoos offenbar ebenfalls öffentlichkeitswirksam vorgehen, wie diese Aufnahmen einer Versammlung der Zoobranche zeigen.
Nicht "nur" Tiere eingesperrt: Rassistische Geschichte von Zoos
Welche dunkle, rassistische, kolonialistische Gesichte Zoos haben, erklärt die US-amerikanische YouTuberin Bailey Sarian. Denn im 19. Jahrhundert erlebten sogenannte "Menschenzoos" und "Völkerschauen" einen erneuten Aufschwung. Rassistisch diskriminierte Menschen (zusammengefasst BIPoC, also People of Color, schwarze und indigene Menschen) wurden aus ihrer Heimat verschleppt und in Zoos in Europa und Nordamerika zur Schau gestellt und ausgebeutet. Zoodirektor Carl Hagenbeck veranstaltete unter anderem in Berlin und Hamburg etliche "Völkerschauen". 1958 fand die letzte große Zurschaustellung indigener Menschen auf der Weltausstellung in Brüssel statt, auf der ein "kongolesisches Dorf" errichtet wurde.
Von Wildtieren bleibt im Zoo nichts mehr übrig
Laut Peter Höffken von der Tierschutzorganisation "Peta" gibt es "keinen anderen Ort in Deutschland, wo Lebewesen eingesperrt sind, ohne etwas verbrochen zu haben, als den Zoo." Auch "Peta" geht mit den Argumenten der Zoo-Befürworter hart ins Gericht.
So gibt es eine ganze Reihe von Tieren, denen man ansieht und an deren Verhalt man merkt, dass sie im Zoo leiden. Der Menschenaffe, der den ganzen Tag an einem Fleck sitzt. Der Pelikan, der nicht fliegen kann, weil ihm die Flügel gestutzt wurden. Der Eisbär, der im Kreis läuft. Der Elefant, der mit dem Kopf wippt oder hin und her wackelt. Diese unnatürlichen und psychotischen Verhaltensstörungen werden "Zoochosen" genannt und lassen sich ausschließlich bei Tieren in Gefangenschaft erkennen. Kindern, die Tiere solche Verhaltensstörungen sehen, begeistern sich – laut "Peta" – nicht für den Artenschutz.
Spätere Auswilderung von Zootieren?
Laut den Tierschützern leiden die Wildtiere nicht nur unter zu kleinen Gehegen, sondern auch unter den fehlenden, natürlichen Reizen. Von einem "wilden" Leben kann keine Rede mehr sein, wenn Beutetiere fehlen oder sich die Landschaft niemals verändert. Auch an eine spätere Auswilderung von im Zoo geborenen Tieren ist nicht zu denken, da sie ihre natürlichen Instinkte verlieren. Außerdem sind die meisten Tiere in den Zoos nicht vom Aussterben bedroht. Sie sind eingesperrt, um die Sensationsgier der Menschen befriedigen.
Gesunde Zootiere getötet?
Auch das Töten von Tieren, die nicht ins Zuchtprogramm passen oder eigens als Futter für Löwen, Tiger und Co. gezüchtet werden, zeigt – für die Tierschützer – die Doppelmoral der Zoos. Auf der einen Seite werben sie für Artenschutz und auf der anderen Seite töten sie junge und gesunde Tiere. Das kritisiert auch der "Deutsche Tierschutzbund": "In Europa betrifft das jährlich tausende Zootiere. Viele Zoos, die im Verband der Zoologischen Gärten organisiert sind, fordern sogar offen, das Töten von Tieren ‚rein aus Managementgründen‘ zu legalisieren."
Schließlich sind Zoos Wirtschaftsunternehmen, die Arbeitsplätze schaffen und dafür profitabel sein müssen. Dafür werden die Tiere zu Kunststücken gezwungen oder Tier-Babys zur Schau gestellt. Doch für die Arterhaltung müssen immer wieder Tiere aus der freien Wildbahn "entnommen" werden. Denn ansonsten könnte Inzucht unter den Zoo-Tieren zu schweren Missbildungen führen. Auch dieses Argument spricht für "Peta" klar gegen die Tierhaltung im Zoo.
Alternativen zum Zoo
Und natürlich gibt es für die Haltung von Tieren EU-weite Auflagen, nach denen Zoos die Tiere ihren "biologischen Bedürfnissen entsprechend" halten müssen. Doch die Frage, ob es moralisch und ethisch vertretbar ist, dass Wildtiere im Zoo leben, beantwortet diese EU-Richtlinie nicht.
Ob Zoos daher sinngemäß oder sinnvoll sind, sollten wir schlussendlich auch von den möglichen Alternativen abhängig machen. Warum Wildparks nicht besser sind als Zoos, erklärt "Peta" hier. Denn auch dort werden Tiere auf zu engem Raum gehalten, in dem sie nicht artgerecht ihren Instinkten nachgehen können, so die Tierrechtsorganisation. Wölfe, die aus Platzmangel auf und abrennen sind ein Beispiel für verhaltensgestörte Tiere. Teilweise werden Tiere in sogenannten Jagdgattern, also eingezäunten Gebieten in Wildparks, sogar gejagt.
Auch Streichelzoos bedeuten enormen Stress für Tiere. Dass ein Wolf kein Kuscheltier ist, bewies dieser Vorfall in einem Tierpark in Celle, bei dem ein Achtjähriger gebissen wurde. Aber es gebe auch tierfreundliche und seriöse Auffangstationen, die Wildtiere aus schlechter Haltung aufnehmen und keine Publikumsinteraktionen mit ihnen erlauben. So handhabt es zum Beispiel "Animal Advocacy and Protection" (AAP), die gerettete Wildtiere in Auffangstationen in Spanien und den Niederlanden unterbringt.
Gnadenhöfe sind eine Alternative zum Zoo. Diese Höfe retten und beherbergen liebevoll Nutztiere, die sonst geschlachtet oder eingeschläfert worden wären. Ob Hühner, Schweine, Kühe, Pferde oder Hunde – schnell können die Besucher zu Tieren, die sich völlig natürlich in artgerechter Umgebung verhalten, eine intensive Bindung aufbauen. Bei aller Diskussion sollte außer Frage stehen, dass es für unsere Kinder wichtig ist, Tiere in der Realität zu sehen und zu erleben. © Deine Tierwelt
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