Bei einem Auto wird nach einem Unfall erst einmal die Frage geklärt: Lohnt sich die Reparatur überhaupt noch? Doch kann so eine Frage auch bei einem Pferd gestellt werden? Also: Ist ein "billiges" Pferd deutliche höhere Behandlungskosten wert? Diese Frage beschäftigte jetzt das Oberlandesgericht (OLG) Celle. Die Richter fällten ein deutliches Urteil.

Mehr zum Thema Haustiere

Wie teuer darf eine medizinische Behandlung werden, wenn das Pferd nur "wenig wert" ist? Nein, diese Frage stellen nicht wir. Denn unsere Antwort wäre eindeutig. Aber genau mit dieser Frage mussten sich jetzt die Richter vom Oberlandesgericht (OLG) in Celle beschäftigen.

Auslöser für das Gerichtsverfahren war ein Hund. Der jagte im Sommer 2019 ein Pferd über die Koppel. Der Wallach floh, stürzte mehrfach und verletzte sich dabei schwer. Sein Besitzer ließ ihn operieren, am Ende musste er 14.000 Euro an die Tierklinik zahlen. Das Geld wollte er von der Hundehalterin zurückhaben. Doch die wollte nicht zahlen, nach dem Motto: "Das Pferd ist doch alt – und kaum noch etwas wert." Der Fall landete vor Gericht und das Landgericht Celle entschied: Die Hundehalterin muss zahlen. Doch die sah es nicht ein und ging in Berufung. Deshalb mussten schließlich die Richter vom OLG entscheiden.

Vom Hund "bis aufs Äußerste" getrieben

Zuerst befassten sie sich mit der Frage, ob der Hund überhaupt Schuld am Unfall war. Die Richter entschieden, "dass die Hundehalterin den gesamten Schaden ersetzen muss, obwohl der Schaden auch auf den eigenen Fluchtinstinkt des Pferdes zurückzuführen war", so das OLG in einer Mitteilung. Denn: Das Pferd hatte sich nicht einfach erschrocken und war dadurch weggelaufen. "Vielmehr wurde es von dem Hund über die Koppel, über den Weidezaun und weiter auf der Straße bis in die nächste Ortschaft ‚auf das Äußerste‘ getrieben." Damit stand für die Richter fest: Diese von dem Hund ausgehende Gefahr überwog den eigenen Verursachungsbeitrag durch das Pferd deutlich.

In Sachen Wert des Pferdes wollten die Richter es dann genau wissen. Sie ließen einen Sachverständigen das Pferd bewerten. Tatsächlich lag der wirtschaftliche "Wert" des damals 24-jährigen Wallachs laut Gutachter bei etwa 300 Euro. Zudem wurde er auch nicht mehr geritten. Eine Aufgabe hatte der Wallach dennoch. "Der Sachverständige beschrieb ihn als ‚Weidekameraden‘, der als ‚Gesellschafter‘ für andere Pferde diene", so das OLG.

Du liebst Pferde genauso sehr wie wir?
Dann bist Du bei Pferde.de genau richtig. Denn hier erhältst Du exklusive Storys aus dem Reitstall und spannende Ratgeber rund um die Welt der Pferde.

Behandlungskosten übersteigen Wert ums 49-fache

Ist also ein "billiges" Pferd hohe Behandlungskosten wert? Ja, sagten die Richter. Sie entschieden, "dass die Behandlungskosten vollständig zu ersetzen sind, obwohl sie den wirtschaftlichen Wert des Tieres um das 49-fache überstiegen." Außerdem machten sie klar, dass wirtschaftliche Rechnungen bei Tieren nicht funktionieren: "Aufgrund der Verantwortung des Menschen für das Tier als Mitgeschöpf und schmerzempfindliches Lebewesen verbietet sich eine streng wirtschaftliche Betrachtungsweise. Vielmehr sind sämtliche Umstände abzuwägen, unter anderem die Erfolgsaussichten der Behandlung, das Alter des Tieres und die Beziehung des Halters zu ihm."

Das Urteil ist bisher noch nicht rechtskräftig.
Das Urteil ist bisher noch nicht rechtskräftig. © Foto: unsplash.com/Tingey Injury Law Firm (Symbolfoto)

Dabei stellten die Richter fest: "Das Pferd war vor dem Unfall in einem sehr guten Zustand." Und die Beziehung zwischen dem Wallach und seinem Menschen war extrem eng: Für seinen Besitzer war der Wallach das erste Pferd. Er hatte ihn bereits kurz als Fohlen nach seiner Geburt gekauft und auf ihm das Reiten erlernt. Auch nach seiner aktiven Reiterzeit hat er das Pferd weiter behalten und als Beistellpferd genutzt. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig.  © Pferde.de

JTI zertifiziert JTI zertifiziert

"So arbeitet die Redaktion" informiert Sie, wann und worüber wir berichten, wie wir mit Fehlern umgehen und woher unsere Inhalte stammen. Bei der Berichterstattung halten wir uns an die Richtlinien der Journalism Trust Initiative.