- Mit der Coronakrise hat das Arbeiten im Homeoffice so richtig Fahrt aufgenommen.
- Doch anders als im Büro lenken zu Hause viele private Dinge von der Arbeit ab und die Grenze zur Freizeit verläuft fließend.
- Was können Angestellte und Freiberufler tun, damit sie in kürzerer Zeit mehr schaffen und pünktlich in den Feierabend kommen?
Glaubt man den Umfragen, klappt das mit dem Arbeiten im Homeoffice soweit ganz gut. So ergab eine Studie des Fraunhofer-Instituts für Arbeitswirtschaft und Organisation, dass sich zwei Drittel der insgesamt 2.100 Befragten zu Hause besser konzentrieren können und es einem Drittel in den eigenen vier Wänden besser gelingt, kreative Gedanken zu fassen. Das mag unter anderem daran liegen, dass der Lärmpegel geringer ist als im Großraumbüro und die Kollegen weit weg sind.
Allerdings lauern zu Hause ganz andere Ablenkungen, mal abgesehen von der oft zusätzlichen Kinderbetreuung: Private Gegenstände geraten genau dann ins Blickfeld, wenn man gerade an einer schwierigen Aufgabe sitzt. Also erstmal schnell die Blumen gießen, kurz den Aufwasch machen oder Facebook checken, um ein kurzes Erfolgserlebnis zu haben.
Diese Art der Ablenkung ist im Büro weniger möglich. Aber was hilft für eine bessere Konzentration?
Klare Tagesstruktur hält länger fit
Eines der größten Probleme beim Homeoffice: Arbeitszeit und Privatleben fließen ineinander. Langfristig kann das zu Burn-out führen, zumindest aber zu sinkender Effektivität. Hannah Schade, Sozialpsychologin am Leibniz-Institut für Arbeitsforschung der TU Dortmund, empfiehlt im Gespräch mit unserer Redaktion deshalb, eine klare Tagesstruktur festzulegen - mit einem festen Beginn der Arbeit am Morgen, mit einer fest eingeplanten Mittagspause und einem klaren Ende, das zeitlich eingehalten wird.
Gerade der festgelegte Endzeitpunkt sei wichtig für die Gesundheit. "Sie dürfen nicht das Gefühl haben, dass Sie den ganzen Tag arbeiten", begründet die Psychologin.
Das Problem ist, dass es zu Hause weniger Kontrolle der Arbeitszeiten gibt. So lässt man es morgens etwas langsamer angehen und verlagert immer mehr Arbeit in den Abend. "Sie müssen verhindern, dass die Arbeit den Feierabend kostet", betont Hannah Schade. Verbindliche Zeiten für Arbeit und Feierabend führten nicht nur zu einer besseren Erholung, sondern auch zu einer fokussierteren Arbeitsweise, weil man keine Ausflüchte mehr habe, Aufgaben nach später verschieben zu können.
Erholsame Pausen erhöhen Effizienz
Bei den Pausen ist wichtig: weg vom Bildschirm. "Ein Ortswechsel tut gut oder etwas Bewegung", sagt Arbeitspsychologin Schade. So fördere ein Spaziergang im Grünen die Erholung der Augen und des Geistes. Wer soziale Kontakte in der Zeit des Homeoffice vermisst, der könne die Pause für Telefonate mit Freunden oder Kollegen nutzen. Ein anderer könne sich bei einer Meditation oder etwas Yoga am besten erholen.
Das Homeoffice habe zu einer Renaissance der eigenen Pause geführt. "Jetzt kann jeder selber schauen, was einem für die Zwischen-Erholung gut tut", sagt Schade. Im Büro seien Arbeitnehmer oft gezwungen, mit den Kollegen oder dem Chef Essen zu gehen. Aber das sei nicht für jeden erholsam.
Kleine Häppchen zum Start
Wer anfangs Probleme hat, sich im Homeoffice länger zu konzentrieren, der kann seine Aufgaben zunächst in Häppchen einteilen. Schade empfiehlt dafür die Pomodore-Technik aus dem Zeitmanagement. Sie geht zurück auf den Italiener Francesco Cirillo, der diese Methode in den 1980er Jahren entwickelt hat. Pomodore steht dabei für eine aufziehbare Küchenuhr, die zu dieser Zeit wohl oft in Form einer Tomate verkauft wurde.
Am Anfang stellt man die Küchenuhr oder den Timer am Handy auf 25 Minuten und muss diese Zeit konzentriert arbeitend durchhalten. Danach folgen 5 Minuten Pause, und das ganze beginnt von vorn. Der Vorteil: Die anstrengenden Konzentrationsphasen werden in überschaubare Teile zerlegt und durch eine kurze Auflockerung unterbrochen. Später kann man die Zeitspannen für die konzentrierte Arbeit immer weiter verlängern.
Ein anderes Problem: Soziale Medien oder privat genutzte Programme auf dem Rechner können von der Arbeit ablenken. Kurze Push-Nachrichten oder Facebook-Feeds führen dazu, dass man schnell den Faden verliert und unkonzentriert wird. Eine Lösung sind diverse Blocker-Apps wie beispielsweise FocusMe. Damit werden Programme wie soziale Medien aufgelistet und man kann jeweils einstellen, zu welchen Zeiten sie ausgeschaltet werden.
Partner für die soziale Kontrolle suchen
Anders als im Büro sitzt man im Homeoffice meist allein am Schreibtisch und niemand kontrolliert, ob man mit dem Projekt vorankommt. Diese fehlende soziale Kontrolle ist nicht zu unterschätzen. Es gibt sogar Internet-Programme wie Focusmate, die diese Kontrollfunktion ersetzen.
Hierbei wählt man sich einen bekannten oder unbekannten Partner aus und legt eine Zeit fest, in der man gemeinsam mit ihm arbeiten will. Dabei können sich die beiden, die an ganz unterschiedlichen Sachen sitzen können, beim Arbeiten auf dem Bildschirm sehen.
Der Effekt: Durch die soziale Kontrolle soll es sich unangenehm anfühlen, eher als der andere eine Pause zu machen. Daher hält man die vereinbarte Arbeitszeit durch, so zumindest die Theorie.
Man muss auch nicht unbedingt eine solche Internet-Seite nutzen. Die Methode funktioniert genauso über eine Kommunikations-App wie Teams oder Zoom mit Kollegen, die ebenfalls im Homeoffice sitzen. Auch mit ihnen kann man gemeinsame Zeiten festlegen und sich dann gegenseitig am Bildschirm beim Arbeiten anzeigen lassen.
Rituale stimmen den Geist auf Arbeit ein
Mit Jogging-Hose an den Schreibtisch setzen, das hält Hannah Schade für keine gute Idee. Es helfe stattdessen, sich auch im Homeoffice mit der passenden Arbeitsbekleidung von der Freizeit-Phase abzugrenzen. "Es muss ja nicht gleich das Sakko mit Fliege sein", sagt sie.
Generell sei morgens ein kleines Einstiegsritual am Schreibtisch sinnvoll, um den Geist auf den Arbeitstag einzustimmen, rät die Psychologin. Das könne ein Telefonat mit einem Kollegen sein, ein Einstiegskaffee zum Checken der E-Mails oder das Aufstellen einer To-Do-Liste. Sie selbst habe einen Sekretär zu Hause, den sie morgens zum Arbeitsstart aufklappt und abends wieder zuklappt - als Zeichen, dass der Arbeitstag zu Ende ist, erzählt Schade.
Schreibtisch sollte genug Licht haben
Apropos Arbeitsplatz. Wie sollte der richtig aussehen? Laut der oben genannten Fraunhofer-Studie ist die Performance bei Personen, die ein separates Arbeitszimmer haben, signifikant höher. Nun hat nicht jeder ein eigenes Arbeitszimmer zur Verfügung. Hier hilft eine aufgeräumte Ecke oder ein Tisch, der vor allem für die Arbeit genutzt wird.
Wichtig ist das richtige Licht, betont Mirjam König, Augenoptik-Ingenieurin am Leibniz-Institut für Arbeitsforschung der TU Dortmund. Der Bildschirm sollte so aufgestellt sein, dass es keine störenden Reflexionen auf dem Monitor gibt und dass die Blickrichtung auf den Monitor parallel zum Fenster verläuft. Das Tageslicht fällt also von der Seite auf den Schreibtisch. "Stellen Sie den Monitor nicht direkt unter die Deckenleuchten", sagt sie.
König weist darauf hin, dass für schriftliche Tätigkeiten mehr Licht benötigt wird als für die Arbeit am Computer. Deshalb sei es sinnvoll, Lese- und Schreibarbeiten am Arbeitsplatz näher am Fenster zu erledigen und den Monitor weiter im Raum zu platzieren. "Rechtshänder sollten ihren Schreibtisch so stellen, dass das Fenster links von ihnen ist, bei Linkshändern sollte das Fenster rechts sein. Damit wird ein Schattenwurf der schreibenden Hand vermieden", erklärt die Ingenieurin.
Und wenn es mit der Arbeit mal spät wird, sollte der Raum beleuchtet sein und der Monitor nicht zu grell leuchten. Große Helligkeitsunterschiede seien für das Auge sehr anstrengend, warnt König. Die Ingenieurin hat ein Programm im Internet entwickelt, mit dem man sich Schritt für Schritt den richtigen Arbeitsplatz zu Hause einrichten kann.
Mehr Kommunikation gegen Einsamkeit
Ein Problem im Homeoffice ist die Einsamkeit. Bei einer Forsa-Umfrage in Bayern hatten 70 Prozent der Befragten angegeben, dass ihnen bei der Arbeit im Homeoffice direkter Kontakt und sozialer Austausch mit Kollegen fehlt.
Besonders trifft es alleinstehende Menschen. Bei ihnen spielt der Kontakt bei der Arbeit eine große Rolle. "Manche Beschäftigte fühlen sich daher jetzt sozial isoliert", erklärt Esin Taskan-Karamürsel, Leiterin des Sachgebiets Psyche und Gesundheit in der Arbeitswelt bei der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung (DGUV).
Der gefühlten sozialen Isolation könne man mit modernen Kommunikationsformen entgegenwirken: "Statt eine Mail zu schreiben, kann man mit dem Kollegen eine Unterhaltung per Video führen", sagt die Psychologin und ergänzt: "In berufliche Gespräche kann man bewusst Smalltalk einfließen lassen. Das führt dazu, dass sich die Kollegen besser wahrgenommen fühlen."
Führungskräfte müssen Bedeutung des Jobs erläutern
Menschen bleiben in Belastungssituationen wie Corona eher gesund, wenn sie ihre Arbeitssituation als sinnvoll, verstehbar und handhabbar begreifen. Man spricht dann von einem Kohärenzgefühl. Allerdings leiden durch die räumliche Distanz im Homeoffice die Beziehung zum Team und das Gefühl der Integration. Den Arbeitnehmern fehlt nicht nur die soziale Kontrolle, sondern auch die Orientierung und das ein oder andere direkte Lob für die geleistete Arbeit, das die Menschen zur Bestärkung brauchen.
Führungskräfte müssten deshalb versuchen, die Beschäftigten während der Pandemie besonders mitzunehmen, ihnen Ziele, Sachverhalte und daraus folgende Regelungen immer wieder zu erklären und einzuordnen. "Wenn Beschäftigte dieses Kohärenzgefühl haben, ist die Wahrscheinlichkeit höher, dass sie am Ende weniger beansprucht sind und mit der Situation besser umgehen können", sagt Psychologin Taskan-Karamürsel.
Verwendete Quellen:
- Telefonat mit Sozial- und Arbeits-Psychologin Dr. Hannah Schade vom Leibniz-Institut für Arbeitsforschung der TU Dortmund
- E-Mail-Austausch mit Augenoptik-Ingenieurin Mirjam König vom Leibniz-Institut für Arbeitsforschung der TU Dortmund
- Studie zu Homeoffice aus Nutzersicht vom Fraunhofer-Institut für Arbeitswirtschaft und Organisation
- Ergonomic Vision: Besser sehen und arbeiten am Computer
- Analyse mit diversen Umfragen zum Arbeiten im Homeoffice von der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung (DGUV)
- Interview mit der Psychologin Esin Taşkan-Karamürsel im DGUV-Forum 3/2021
"So arbeitet die Redaktion" informiert Sie, wann und worüber wir berichten, wie wir mit Fehlern umgehen und woher unsere Inhalte stammen. Bei der Berichterstattung halten wir uns an die Richtlinien der Journalism Trust Initiative.