Düsseldorf/Essen - Sitzen Sie gerade am Schreibtisch? Falls ja, dann sehen Sie sich einmal um: Stapeln sich Papiere, kleben überall Notizzettel, ist ihr Desktop voller Dokumente?

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Dann könnte es Zeit für eine Art Frühjahrsputz sein. Denn Ordnung am Arbeitsplatz sieht nicht nur gut aus. Sie bringt auch Vorteile für die Arbeit an sich. "Wenn ich eine Grundordnung habe an meinem Arbeitsplatz, habe ich eine gewisse Übersichtlichkeit", sagt der Sozialwissenschaftler Ralph Conrad vom Institut für angewandte Arbeitswissenschaft (ifaa). "Ich finde mich also besser zurecht."

Ordnung spart Zeit

Klar können Sie jetzt das sprichwörtliche kreative Chaos anführen. Für die Konzentration ist Ordnung allerdings oft zuträglich. "Wenn ich ein aufgeräumtes Umfeld habe, bin ich weniger abgelenkt in meinem Job", sagt Conrad auch mit Blick auf die eigene Arbeitserfahrung.

Vor allem aber gilt: "Wenn ich strukturiert und organisiert bin, habe ich eine enorme Zeitersparnis, weil ich ja nichts mehr suche", so Petra Hermann, die in Nordrhein-Westfalen als Ordnungsberaterin für betriebliche und private Büros arbeitet.

Doch was bedeutet Ordnung am Arbeitsplatz? Das hängt von der Tätigkeit an sich ab. Im industriellen Umfeld spielt vielleicht eher Ordnung rund um die Maschinen oder im Werkstattwagen eine Rolle, im Büro die Ordnung in den Unterlagen.

"Es gibt ja noch viele Büros, die analog arbeiten, also mit Ordnern, viel Papier und Akten", sagt Hermann. Um hier für Ordnung zu sorgen, könne man etwa unterschiedliche Ablagekörbe verwenden. Oder Hängeregistraturen, in denen sich beispielsweise Schnellhefter platzsparend einordnen und an Schreibtisch oder Tür hängen lassen. Und für die Post gibt es ebenso einen festen Platz wie für Zeitschriften, die man regelmäßig aussortiert.

Chaos auf dem Computer vermeiden

"Aber für das digitale Büro gilt genauso: Auf meinem PC, auf meiner Bildschirmoberfläche, da muss auch alles strukturiert sein", so Petra Hermann. Das sei nicht nur sinnvoll, um selbst weniger Zeit mit lästigem Suchen zu verbringen. Letztendlich können Kolleginnen und Kollegen dann auch leichter eingearbeitet werden - oder einspringen.

Sie rät: Digitale Dokumente klar benennen, um sie später schnell wiederzufinden. Handelt es sich etwa um eine Reisekostenabrechnung, müsse der Dokumentenname auch genau diesen Begriff enthalten. "Danach könnte ich dann immer noch das Datum setzen", so Petra Hermann.

Um langfristig Ordnung ins Arbeitschaos zu bringen, hilft dann vor allem eines: strukturiertes Vorgehen. Besonders, wenn sich alle gleichermaßen zurechtfinden sollen. Die Experten setzen in Unternehmen dabei auf die 5S-Methode. "Ein Ansatz der bekannt geworden ist durch das Toyota-Produktionssystem", sagt Ralph Conrad. Und der ursprünglich aus Japan kommt.

Von der Fertigung bis zum Homeoffice

Die 5S stehen ursprünglich für die japanischen Begriffe Seiri, Seiton, Seiso, Seiketsu und Shitsuke. Frei übersetzt werden sie meist als: Sortiere aus, stelle ordentlich hin, säubere, bewahre Sauberkeit und übe Selbstdisziplin. In Deutschland ist manchmal auch von 5A die Rede: Aussortieren, Aufräumen, Arbeitsplatz sauber halten, Anordnung zur Regel machen und alle Schritte wiederholen.

"Die Produktionsgewinne liegen nach so einer Aktion der Erfahrung nach zumindest bei fünf Prozent, jedenfalls in der Fertigung", sagt Ralph Conrad. Doch selbst wenn sie aus dem industriellen Bereich kommt: "Die Methodik lohnt sich auch zum Selbststudium", so der Sozialwissenschaftler. Und man könne sie letztendlich vom Betrieb übers Homeoffice bis zum Aufräumen in den eigenen vier Wänden einsetzen. Wie geht man also vor?

Man fängt mit dem Aussortieren an - auf dem Schreibtisch, in den Regalen und Schubladen. Dafür nimmt man alle Gegenstände einmal in die Hand und überlegt, ob man sie wirklich braucht. Klingt einfach, hat aber seine Tücken, vor allem wenn alle mitmachen sollen. Denn könnte man die alte Zeitschrift nicht noch mal durchblättern wollen? Und vielleicht wird der Kalender von 2020 irgendwann wichtig?

Im Büro müssen sich alle zurechtfinden

"Man muss da wirklich diszipliniert rangehen", sagt Ralph Conrad. "Wenn ich mir nicht sicher bin, gibt es die Möglichkeit auch mit einem sogenannten Red-Tag zu arbeiten." Das bedeutet einen Datumsaufkleber am Gegenstand zu befestigen und etwa nach einem halben Jahr einen Blick darauf zu werfen: "Habe ich diesen Gegenstand denn eigentlich benutzt in dieser Zeit oder nicht?", so Conrad.

Aussortieren heißt den Experten zufolge übrigens nicht, alle Familienfotos vom Schreibtisch zu verbannen. Und ordentlich hinstellen nicht, dass der Ordner genau fünf Zentimeter von der Regalkante entfernt stehen muss. "Wichtig ist, dass er zu finden ist, wenn man an so einen Arbeitsplatz kommt", sagt Conrad.

Doch bei den Standards sollte man sich gemeinsam mit den Kollegen festlegen. "Standards setzt man, indem man beispielsweise sagt, auf dem Schreibtisch befinden sich nach den acht Stunden Arbeitszeit keine losen Zettel wieder", so Conrad. Am Computer kann das bedeuten, sich einzelne Dateien alle drei Monate einmal anzuschauen: "Brauche ich das noch, kann das weg, kann das vielleicht zugeordnet werden in einen Überordner?"

Die ersten drei Schritte der Methode seien noch recht einfach. Die beiden letzten letztendlich die "Champions League", sagt Conrad. "Das ist dann Selbstdisziplin üben, die Standards einhalten." Oder anders: "Dafür zu sorgen, dass es nicht nach sechs Wochen wieder genauso oder noch schlimmer aussieht."

Passendes Ordnungssystem finden

"Das kann bedeuten, dass man diese ersten drei S-Aktionen in einem gewissen Turnus dann immer wieder macht", so Conrad. Man sortiert also jedes halbe Jahr einmal durch, stellt alles an seinen Platz und macht sauber.

Wird die Methode in Unternehmen eingeführt, ist auch die Führungskraft gefragt. Sie muss überblicken, dass Standards eingehalten werden. Und vor allem: mit gutem Beispiel vorangehen, so Hermann. Doch auch Geduld ist wichtig: "Man muss schon zwischen acht und zwölf Wochen Zeit geben, um Veränderungen zu implementieren", sagt Petra Hermann.

Klappt es mit der neuen Ordnung also nicht sofort, sei das nicht unbedingt schlimm. "Nach zwei Wochen würde ich sagen, gib dir mal noch ein bisschen Zeit." Dann könne man auch noch mal prüfen, ob man sich für ein System entschieden hat, das einem selbst entspricht - und es notfalls ändern.

Der Arbeitsaufwand dafür? "Wenn man mal so eine erste Aktion macht, je nach Umfang zwischen zwei Stunden und einem Arbeitstag", sagt Ralph Conrad. Zeit, die man aber als Investition sehen könne.  © dpa

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