Kreativ, perfektionistisch, aber auch ausdauernd und genau: Das zeichnet viele Autisten aus. Die Mehrheit von ihnen ist aber trotz dieser in der Berufswelt geschätzten Kompetenzen arbeitslos. Denn sie haben in der Regel Schwierigkeiten bei der sozialen Interaktion. Doch es gibt auch Firmen, die das Potential von Autisten nutzen.
So machte der Softwarekonzern SAP vor kurzem damit Schlagzeilen, dass er ab kommendem Herbst Menschen mit Autismus als Softwaretester, Programmierer und Spezialisten für Datenqualitätssicherung einstellen will. Das Unternehmen arbeitet dabei mit der dänischen Firma Specialisterne zusammen, die sich darauf spezialisiert hat, Autisten auf technologieorientierte Arbeitsplätze zu vermitteln. Auch das Berliner Unternehmen Auticon bietet diesen Menschen Jobs als Softwaretester an.
"Als erstes Unternehmen in Deutschland beschäftigen wir ausschließlich Menschen mit Autismus als Consultants im IT-Bereich", erklärt Tilman Höffken von Auticon. Denn die Stärken vieler Autisten liegen gerade im logisch-analytischen Denken. "Sie können sich über lange Zeit äußerst gut konzentrieren ... auch bei vermeintlich monotonen Arbeiten. Deshalb sind Menschen mit Autismus gerade für die Bereiche Software-Testing und Qualitätssicherung besonders gut geeignet."
Jobscoachs vermitteln
Auticon kennt sich auch mit den Besonderheiten von Autisten aus und berücksichtigt ihre spezifischen Probleme. So sind sie oft hypersensibel gegenüber optischen und akustischen Reizen wie Neonlicht oder Telefonklingeln. Aus diesem Grund minimiert das Unternehmen auch die Reize in den Büroräumen. "Unsere Consultants haben keine Telefone am Arbeitsplatz, aber einen extra Ruheraum", erklärt Höffken.
Da Menschen mit Autismus die Emotionen anderer häufig falsch deuten, können im Berufsalltag Missverständnisse und Probleme entstehen. Auch dieser Tatsache trägt Auticon Rechnung: "Alle bei uns beschäftigten Consultants werden von Jobcoachs unterstützt. Diese informieren unsere Kunden über den Autismus der Menschen, die für sie tätig werden. Sie vermitteln aber auch in Konfliktfällen", so Höffken.
Studienabbrüche und Hartz-IV-Bezug
"Wir wissen, dass viele Autisten nicht schnurgerade Lebensläufe haben, sondern Studienabbrüche und zeitweiser Hartz-IV-Bezug an der Tagesordnung sind. Auch darauf nehmen wir in unseren Bewerbungsverfahren Rücksicht", betont Höffken. Allerdings erwarte Auticon von seinen Bewerbern Programmierkenntnisse. Da die Firma inzwischen expandiert, sucht sie aktuell neue Mitarbeiter für Düsseldorf und München sowie für den geplanten Standort Frankfurt.
Autisten in die Arbeitswelt integrieren: Das will auch die eingetragene Genossenschaft autWorker. Sie berät arbeitsuchende Betroffene und potenzielle Arbeitgeber und hilft bei der Vermittlung von Arbeitsplätzen. "Oft scheitern Autisten im Vorstellungsgespräch, weil die Firmenvertreter sie als unfreundlich oder desinteressiert wahrnehmen. Aber das sind sie gar nicht", betont Marco Antons von autWorker. Deshalb informiert die Hamburger Genossenschaft interessierte Firmen über das Thema "Autismus und Arbeit".
Außerdem bietet autWorker regelmäßig Workshops für Autisten an. "Viele Betroffene sind sich der eigenen Fähigkeiten gar nicht bewusst. Deshalb helfen ihnen unsere Veranstaltungen, individuellen Stärken zu entdecken", berichtet Antons. Ihre Hobbys und Spezialinteressen stehen dabei genauso im Mittelpunkt wie typisch autistische Fähigkeiten wie Ausdauer, Genauigkeit oder das Finden von kreativen Lösungswegen. "Außerdem verbessern unsere Workshops auch die Kommunikationsfähigkeit der Teilnehmer."
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