Düsseldorf/Berlin - Gemeinsam sind wir stark, das ist das Motto von Gewerkschaften. Doch die Zahl ihrer Mitglieder sinkt seit Jahren.
Allein der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) mit seinen acht Mitgliedsgewerkschaften verlor innerhalb von zehn Jahren Hunderttausende: Waren im Jahr 2012 noch 6,15 Millionen Menschen Mitglied in einer DGB-Gewerkschaft, lag ihre Zahl im Jahr 2022 nur noch bei rund 5,64 Millionen. Dabei kann sich eine Gewerkschaftsmitgliedschaft für Beschäftigte lohnen.
Die wichtigsten Fragen und Antworten - vom Streikgeld bis zur Fortbildung.
Was sind eigentlich Gewerkschaften?
Gewerkschaften sind Zusammenschlüsse von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern. "Freie Gewerkschaften sind unabhängig von Arbeitgebern und vom Staat", so Malte Lübker von der gewerkschaftsnahen Hans-Böckler-Stiftung in Düsseldorf. Gewerkschaftsvertreter verhandeln gemeinsam mit Arbeitgebern beispielsweise Löhne und Gehälter.
Und das hat Tradition: In Deutschland reicht die Geschichte der Gewerkschaftsbewegung bis in die Mitte des 19. Jahrhunderts zurück, einer der ersten großen Streiks fand 1873 statt. Buchdrucker erkämpften hier zum ersten Mal einen Flächentarifvertrag.
Heute ist das Recht auf die Bildung von Gewerkschaften im Grundgesetz garantiert (Artikel 9, Absatz 3). Neben der größten Dachorganisation der deutschen Gewerkschaften, dem DGB, gibt es auch den Dachverband DBB Beamtenbund und Tarifunion mit rund 1,3 Millionen Mitgliedern und den Christlichen Gewerkschaftsbund Deutschland mit rund 280 000 Mitgliedern. Hinzu kommt eine Vielzahl kleinerer unabhängiger Gewerkschaften - etwa für Feuerwehrleute oder Hebammen.
Wer kann Mitglied in einer Gewerkschaft werden?
Im Prinzip jeder einzelne Beschäftigte, ob Mini- oder Midijobber, Teilzeit- oder Vollzeitberufstätiger. Sogar Solo-Selbstständige können teilweise Mitglied werden. Und: "In Gewerkschaften sind zum Teil auch Studierende organisiert", sagt Carolin Fulda vom Institut der deutschen Wirtschaft in Köln. Viele Gewerkschaften haben zudem inaktive Mitglieder, etwa Rentnerinnen und Rentner. Außerdem können auch Arbeitslose Mitglied von Gewerkschaften sein.
Einzige Bedingung für eine Gewerkschaftsmitgliedschaft: Es muss eine Verbindung zwischen Beruf und Gewerkschaft bestehen. Das heißt: Wer in der Metall- und Elektroindustrie beschäftigt ist, könnte etwa in der IG Metall Mitglied werden - aber nicht in der Gewerkschaft der Polizei.
Was bringt Beschäftigten eine Mitgliedschaft?
Beschäftigte in Gewerkschaften haben die Möglichkeit, sich kollektiv für faire Löhne und Gehälter einzusetzen, für angemessene Arbeitszeiten und Arbeitsbedingungen. Um ihre Forderungen durchzusetzen, können Gewerkschaften Arbeitskämpfe - also Streiks - organisieren.
Beschäftigte, die in einer Gewerkschaft sind, können bei Konflikten mit Arbeitgebern zudem kostenlos Rechtsberatung und Rechtsvertretung in Anspruch nehmen. "Um eine solche Rechtsberatung oder -vertretung gratis nutzen zu können, muss man eine Zeit lang Mitglied in der Gewerkschaft sein - in der Regel mindestens drei Monate", so Carolin Fulda. Viele Gewerkschaften bieten ihren Mitgliedern zudem Fortbildungen an.
Welche Pflichten gehen mit der Gewerkschaftsmitgliedschaft einher?
Wer Mitglied einer Gewerkschaft ist, muss auch Mitgliedsbeitrag zahlen. Dieser richtet sich bei Beschäftigten nach der Höhe des Lohns und liegt in der Regel bei einem Prozent des Bruttolohns, so Fulda. Der Prozentsatz kann aber zwischen den Gewerkschaften variieren. Auch für Rentnerinnen, Pensionäre, Krankengeldbezieher oder Erwerbslose gelten je nach Gewerkschaft andere Regelungen.
Außerdem gilt: "Mitglieder dürfen kein gewerkschaftsschädigendes Verhalten zeigen", so Lübker. Davon ist die Rede, wenn ein Mitglied gegen die Satzung verstößt - oder Streikbruch begeht. Ein solches Verhalten kann sogar gewerkschaftsintern ein Untersuchungsverfahren zur Folge haben. Die Konsequenzen daraus können sein, dass das Mitglied etwa eine schriftliche Rüge erhält oder von der Gewerkschaft ausgeschlossen wird.
Übrigens: Eine Gewerkschaft, die streiken will, benötigt generell die Zustimmung von 75 Prozent ihrer Mitglieder.
Was hat es mit dem Streikgeld auf sich?
Der Arbeitgeber muss Streikenden anteilig für die Streikdauer keinen Lohn oder kein Gehalt zahlen. Als Ausgleich dafür bekommen diejenigen, die sich am Arbeitskampf beteiligen, Geld aus der Streikkasse der Gewerkschaft. Wie hoch das Streikgeld ausfällt, hängt von der Dauer des Streiks und der Höhe des geleisteten Beitrags ab. Aber: "Es liegt keinesfalls eins zu eins zum Verdienstausfall", so Lübker.
Bin ich durch eine Gewerkschaftsmitgliedschaft im Job besonders geschützt?
Nein. "Aber von Vorteil kann die arbeits- und sozialrechtliche Beratung und Vertretung für einen Beschäftigten durch die Gewerkschaft bei Konflikten mit dem Arbeitgeber sein", sagt Fulda.
Muss ich meinem Arbeitgeber mitteilen, dass ich in einer Gewerkschaft bin?
Im Regelfall nein. Ausnahmen gibt es nur in seltenen Fällen - etwa, wenn bestimmte Vorteile aus Tarifverträgen nur für Gewerkschaftsmitglieder gelten oder in einem Betrieb zwei Tarifverträge parallel zur Anwendung kommen. "Dann richtet sich danach nicht zuletzt die Bezahlung, oder es gibt für Mitglieder einen oder zwei Urlaubstage extra", so Lübker. © dpa
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