Homeoffice bleibt ein umstrittenes Thema in Deutschland. Vor allem bei Führungskräften scheint Misstrauen vorzuherrschen. Denn obwohl die meisten Chefs zufrieden mit der Produktivität sind, planen sie trotzdem, ihre Angestellten vollständig zurück ins Büro zu holen. Woher kommt die Skepsis?
Kein Pendeln mehr, Vereinbarkeit von Familie und Beruf, bessere Klimabilanz – viele Arbeitnehmer wissen die Vorteile des Homeoffice zu schätzen. Firmenchefs dagegen scheinen zurück zur Präsenzpflicht zu streben. Das zeigt eine aktuelle Umfrage der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft KPMG unter 1.325 CEOs großer Unternehmen.
Demnach erwarten 68 Prozent der deutschen Top-Entscheider, dass ihre Angestellten innerhalb der nächsten drei Jahre wieder Vollzeit ins Büro zurückkehren werden. Nur etwa ein Viertel der Befragten kann sich weiterhin hybride Arbeitsmodelle vorstellen. Und nur drei Prozent sehen im Homeoffice ein dauerhaftes Zukunftsmodell.
Ein überraschender Trend. Vor allem in Zeiten, in denen "Remote Work" als eines der Top-Argumente gilt, um Fachkräfte zu gewinnen. In Deutschland liegt die Skepsis gegenüber dem Homeoffice laut der Umfrage sogar noch höher als im internationalen Vergleich – wenn auch nur gering.
Elon Musk, Wolfgang Grupp – prominente Unternehmer zweifeln am Homeoffice
Das zeigen auch einige prominente Beispiele, etwa der Chef der Textilfirma "Trigema", Wolfgang Grupp. Wer im Homeoffice arbeiten könne, sei unwichtig, sagte dieser kürzlich in einem Interview mit dem "Tagesspiegel".
Doch auch in den USA bleibt das Thema aktuell. Sogar
Was genau ist jedoch so wichtig? Die Produktivität jedenfalls scheint nicht zu leiden, wenn von zu Hause gearbeitet wird. Das ergibt die aktuelle Konjunkturumfrage des "ifo Instituts für Wirtschaftsforschung".
Untersuchung: Die meisten Unternehmen rechnen mit gleichbleibender Produktivität
Demnach erwarten 60,1 Prozent der Unternehmen, dass die Produktivität der Mitarbeiter gleich bleibt, wenn diese vom hybriden Arbeiten vollständig ins Büro zurückkehren. Weniger als ein Drittel glaubt, die Produktivität werde steigen.
"Wenn man die gleiche Frage vor fünf Jahren gestellt hätte, hätte man sicher ein fundamental anderes Ergebnis erhalten", sagt Mathias Dolls vom ifo Institut. Generell müsse man jedoch unterscheiden zwischen Homeoffice an fünf Tagen in der Woche und hybriden Modellen. Die hybriden Modelle seien wesentlich akzeptierter, so Dolls.
"Die mehrheitlich positiven Erfahrungen mit der Produktivität sind ein wichtiger Grund, warum sich das Homeoffice in vielen deutschen Unternehmen etabliert hat", schreibt Dolls auf der ifo-Website. Dass sich die Homeoffice-Quote wieder verringere, habe man beim ifo noch nicht beobachtet, ergänzt er im Gespräch mit unserer Redaktion. Diese läge relativ stabil bei 24 bis 25 Prozent.
Warum also wollen viele Arbeitgeber dies ändern?
Zurück ins Büro: Haben Unternehmer zu wenig Vertrauen?
"Wir kommen aus einer nahezu 100-prozentigen Präsenzkultur, Führungskräfte mussten sich mit Beginn der Pandemie – quasi über Nacht – an die Führung auf Distanz gewöhnen." Das sagt Anna Lütgen vom Personalberatungsunternehmen "Hays". Für einige Führungskräfte sei es deshalb schwer zu greifen, was von Mitarbeitern zu Hause eigentlich geleistet wird.
"Die jahrelang eingeübte Praxis, seine Mitarbeitenden eng zu führen und sie innerhalb ihrer Leistungen zu kontrollieren, spielt dabei eine große Rolle", sagt Lütgen. "Es geht also am Ende um Ergebnisorientierung und Vertrauen."
Das notwendige Vertrauen in ihre Mitarbeiter scheint so manchen Unternehmenspatriarchen also schwer zu fallen. Dabei hänge es gerade von den Arbeitgebern selbst ab, dass hybride Modelle funktionieren. Das betont Mathias Dolls: "Die wissenschaftliche Literatur zeigt, dass es wichtig ist, wie das hybride Homeoffice gemanagt wird."
Die "Kooperationsstudie 2022" des Institut Kienbaums ISM in Zusammenarbeit mit dem Bundesverband der Personalmanager stützt diese These. Demnach berichteten 62 Prozent der Führungskräfte von einer gesteigerten Arbeitsbelastung durch Remote Work in der Pandemie.
Lesen Sie auch:
Führungskräfte fühlen sich oft mit Remote-Work überlastet
Insbesondere Themen wie Teambuilding (75 Prozent), die Gestaltung von Kultur (75 Prozent) oder Mitarbeiterbindung (66 Prozent) hätten sich in den Augen der Führungskräfte während der Pandemie negativ verändert.
Daraus resultiere oftmals eine "Unsicherheit über die eigenen Führungsqualitäten", sagt Anna Lütgen. Die Folge laut Kienbaum-Studie: "Führungskräfte erleben Remote Work grundsätzlich weniger positiv, als sie glauben, dass ihr Team es tut."
"Die Bindung ans Unternehmen und die Integration in Arbeitsteams profitiert deutlich von der Anwesenheit im Büro", sagt Anna Lütgen. "Auch Wertschätzung für gute Leistungen lässt sich leichter im Team bei persönlicher Anwesenheit vermitteln, wo man die Anerkennung der Kolleginnen und Kollegen besser spüren kann."
Arbeitgeber versuchen deshalb vermehrt Anreize zu setzen, um Angestellte zurück ins Büro zu bringen. Moderne Büroflächen, Ruhezonen oder Kreativräume gehören dazu. Manchmal kann auch schon eine kleine Aufmerksamkeit viel bewirken – wie etwa ein Deutschland-Ticket für die Angestellten.
Über die Gesprächspartner:
- Dr. Mathias Dolls ist stellvertretender Leiter des ifo Zentrums für Makroökonomik und Befragungen und Leiter des Aufgabenschwerpunkts Ungleichheit und Umverteilung.
- Anna Lütgen ist Director Business Delivery beim Personalberatungsunternehmen Hays.
Verwendete Quellen:
- Interview mit Mathias Dolls
- Interview mit Anna Lütgen
- kpmg.com: CEOs erwarten vollständige Rückkehr ins Büro in den kommenden drei Jahren
- ifo.de: ifo Konjunkturumfrage 17. Oktober 2023. Mehrheit der Unternehmen sieht gleiche Produktivität im Büro und im Homeoffice
- tagesspiegel.de: Trigema-Chef Grupp im Gespräch: „Wenn einer im Homeoffice arbeiten kann, ist er unwichtig"
- businessinsider.com: Elon Musk blasts the work-from-home crowd, saying they are 'detached from reality'
- Institut Kienbaum: Kooperationsstudie 2022. Remote Leadership. Das mittlere Management in der Sandwich-Position
"So arbeitet die Redaktion" informiert Sie, wann und worüber wir berichten, wie wir mit Fehlern umgehen und woher unsere Inhalte stammen. Bei der Berichterstattung halten wir uns an die Richtlinien der Journalism Trust Initiative.