• Schon beim Bewerbungsschreiben ist es eine knifflige Frage, welchen Gehaltswunsch man angeben sollte.
  • Verhandlungen über eine Gehaltserhöhung, wenn man bereits länger in einem Unternehmen arbeitet, werden nicht unbedingt leichter.
  • Ein Psychologe und Karriereberater gibt Tipps für eine zielführende Gehaltsverhandlung - und verrät, wie Sie auf keinen Fall reagieren sollten.
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Herr Hesse, oft verlangt bereits die Stellenanzeige, dass Bewerber ihren Gehaltswunsch angeben. Besonders Berufsanfängern fällt es schwer zu ermitteln, was ein realistischer Betrag wäre. Was empfehlen Sie?

Jürgen Hesse: Das Internet ist voll mit guten Quellen. Mehrere renommierte Zeitungen bieten online einen Gehaltsrechner an. Machen Sie sich schlau, egal ob Sie Anfänger sind oder schon gestandener Profi. Denn es verändert sich immer etwas im Laufe von mehreren Monaten und ganz sicher innerhalb eines Jahres. Es ist zusätzlich sinnvoll, Kollegen zu fragen. Auch wenn Sie gerade erst das Studium abgeschlossen haben, kennen Sie vielleicht Freunde, die das gleiche studiert haben und bereits arbeiten.

Wie formuliert man den Gehaltswunsch im Bewerbungsschreiben am besten?

Man formuliert das in Form einer Spanne. Menschen, die ein Bruttogehalt von bis zu 3.500 Euro monatlich erwarten, dürfen noch von Monatsgehältern sprechen. Möchten Sie aber gerne 4.000 Euro im Monat und mehr verdienen und das am liebsten mal 13 oder 13,5 – mit Urlaubsgeld und Prämien –, dann sollten Sie immer von Jahresbruttogehältern sprechen. Generell werden Gehälter nur brutto verhandelt. Dabei darf eine Spanne von 10 bis maximal 20 Prozent angegeben werden.

Gehaltsvorstellung formulieren: Starten Sie das Vorstellungsgespräch nie mit der Frage nach dem Gehalt

Und wie verhandelt man das Gehalt später im Bewerbungsgespräch?

Sie sollten warten, bis der Arbeitsplatzanbieter – früher sagte man "Arbeitgeber", aber Sie sind es ja, der seine Arbeitsleistung geben will – das Thema anspricht. Also fangen Sie nie ein Vorstellungsgespräch mit der Frage nach dem Gehalt an. Ich sage immer: Der Arbeitsplatzanbieter muss sich erstmal in Ihr Angebot verlieben. Wenn Ihr Angebot interessant ist, wird meist im zweiten Gespräch die Gehaltsfrage verhandelt. Sie dürfen dann nicht zu stark von dem abweichen, was Sie zuvor geschrieben haben. Wenn Sie "zwischen 35.000 und 40.000 Euro" angegeben haben, können Sie im Gespräch etwas davon abrücken und sagen, "Ich wäre glücklich zwischen 38.000 und 41.000". Zu groß sollte der Unterschied aber nicht sein.

Im Rahmen der Verhandlung kann der Bewerber fragen, ob es Prämien, eine Erfolgsbeteiligung oder Sondervergünstigungen für Mitarbeiter gibt. Dabei sollten Sie nicht vergessen, dass es im Wesentlichen darum geht, einen interessanten Job zu erobern, der einem vermittelt: Hier kann ich was lernen und die Arbeit wird mir Spaß machen. Untersuchungen sagen, dass Geld erst an der vierten Stelle bei den Dingen steht, die Menschen motivieren, zur Arbeit zu gehen. Das Wichtigste ist immer der Vorgesetzte, an zweiter Stelle kommen die Kollegen und als Drittes die Identifikation mit dem, was man tut. Und danach erst kommen die Konditionen, also Arbeitszeit, Ort und das Gehalt.

In welchen Momenten Sie nicht verhandeln sollten

Wie ist es, wenn man schon länger im Unternehmen ist: Wann ist ein guter Zeitpunkt, um über eine Gehaltserhöhung zu sprechen?

Man sollte nicht darauf warten, dass der Chef auf einen zukommt, sondern das proaktiv machen. Etwa nach zwei Jahren im Unternehmen ist der erste gute Moment, um über das Gehalt zu sprechen. Dabei ist es wichtig, dass ich schaue, wie meine Ausgangsposition ist. Habe ich gerade etwas Besonderes für das Unternehmen getan, dann ist das ein sehr guter Moment. Natürlich kommt es auch darauf an, in welcher Situation das Unternehmen ist. Habe ich gerade einen wichtigen Kunden beruhigt, der ärgerlich war, aber das Unternehmen steht gerade Hacke auf Spitze, die Steuerfahndung kommt und prüft die Bücher, dann ist das trotzdem der falsche Moment.

Berücksichtigen Sie es auch, wenn Ihr Vorgesetzter privat mit Schwierigkeiten zu kämpfen hat, vielleicht gerade eine Scheidung durchkämpft. Dann ist er wahrscheinlich nicht besonders großzügig gestimmt. Sprechen Sie das Thema nie im Fahrstuhl an, nie vor der Mittagspause – wenn Ihr Gesprächspartner gerade gegessen hat, ist er entspannter – und auch nicht, wenn im allgemeinen Weltgeschehen gerade etwas Schlimmes passiert ist, wie beispielsweise ein Kriegsausbruch.

Hinterlassen Sie keine verbrannte Erde

Wie baue ich das Gespräch konkret auf?

Sie vereinbaren einen Termin. Dabei müssen Sie nicht sagen, dass es um eine Gehaltsverhandlung geht, sondern vielleicht: "Ich möchte mich über meine Perspektiven im Unternehmen unterhalten." Wichtig ist, dass Sie gut vorbereitet sind. Sie können damit anfangen zu erzählen, welche Erfolge Sie in den letzten zwei Jahren hatten, dann überleiten mit: "Sie ahnen ja, was auf Sie zukommt – ich möchte mit Ihnen über Möglichkeiten sprechen, meinen Beitrag und meine Rolle auszubauen, mehr Verantwortung zu übernehmen und in dem Zusammenhang auch über mein Gehalt sprechen."

Die Vorgesetzten ahnen das vor dem Gespräch und legen sich vielleicht Ausflüchte bereit. Es gibt typische Ausreden, wie: "Wenn ich Ihnen mehr gebe, dann wollen Frau Müller und Herr Maier auch mehr Geld." Da müssen Sie gute Argumente parat haben. Verfallen Sie nicht in eine Kampfhaltung, sondern seien Sie kompromissbereit und achten Sie auf eine gute Gesprächsatmosphäre. Es bringt nichts, Ihren Vorgesetzten zu brüskieren. Wer weint, unflätig wird und beim Rausgehen die Tür zuknallt, verhält sich kontraproduktiv. Wenn der erste Termin nicht zu dem Ergebnis geführt hat, das Sie sich gewünscht haben, bleiben Sie wenigstens im Gespräch. So können Sie das Thema zu einem späteren Zeitpunkt erneut angehen. Das wird schwieriger, wenn Sie schon beim ersten Mal verbrannte Erde hinterlassen.

Wie viel Prozent Erhöhung werden als angemessen empfunden?

Realistisch sind Erhöhungen, die wir auch von Tarifverhandlungen von Gewerkschaften kennen. Die können schon mal bei fünf Prozent liegen. Dabei müssen Sie trotzdem die individuelle Situation betrachten und vorher recherchieren, wie es Ihrer Branche und Ihrem Unternehmen gerade geht.

Über den Experten: Jürgen Hesse leitet seit 1992 das Hesse/Schrader-Büro für Berufsstrategie, das auf Bewerbungs- und Karriereberatung spezialisiert ist. Der Diplom-Psychologe ist außerdem Autor zahlreicher Bücher zu den Themen Bewerbung, Beruf und Karriere.
Hinweis: Dies ist ein Artikel aus unserem Archiv
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