Wer im Job unglücklich ist, fühlt sich diesem unguten Gefühl häufig ausgeliefert. Schließlich kann man an den Arbeitsumständen wenig ändern - oder? Die Journalistin Isabell Prophet, die für ihr Buch "Die Entdeckung des Glücks" Erkenntnisse aus der Glücksforschung auf die Arbeitswelt angewendet hat, sagt: doch. Dazu müsse man aber erst einmal genau wissen, was einen überhaupt stört.
Frau Prophet, in Ihrem Buch schreiben Sie, dass man vielen Menschen nicht auf Anhieb anmerkt, dass sie in ihrem Job unglücklich sind - unter anderem, weil sie sich oft selbst erstmal gar nicht so unglücklich fühlen. Woran merkt man, dass der Job einen unglücklich macht?
Isabell Prophet: Es gibt ein sehr deutliches Symptom des Unglücks. Wir alle erzählen Geschichten aus unserem Arbeitsalltag. Sie zeigen, wie wir ihn wahrnehmen - sie prägen aber auch, wie wir ihn im Kopf behalten. Wie es mir wirklich geht, erfahre ich, wenn ich mir selbst zuhöre.
Und zwar nicht, wenn die flüchtige Bekannte von früher fragt. Sondern wenn meine beste Freundin oder mein Partner abends nach Hause kommt und wir uns über unsere Tage austauschen.
Ihnen erzähle ich die Wahrheit und was ich ihnen erzähle, wird zu meiner Deutung der Ereignisse. Deshalb wissen enge Freunde und Verwandte oft schon, dass wir kündigen sollten, bevor wir es selbst erkennen.
Ist denn Zufriedenheit im Job das Gleiche wie Glück?
Zufriedenheit bedeutet ja erst einmal, dass alles irgendwie in Ordnung ist. Nichts zu klagen. Zufrieden kann ich aber auch mit der Leistung meines Staubsaugers sein. Warum sollten wir uns damit begnügen?
Wir können mehr haben. Glück im Job bedeutet, dass ich mich morgens auf den Tag freuen kann. Und es bedeutet, dass ich am letzten Tag der Woche beschwingt nach Hause gehe.
Welche Faktoren haben Einfluss darauf, ob ich in meinem Job glücklich bin?
Die Menschen um uns herum haben in der Regel den größten Einfluss darauf, wie wir uns fühlen. Wir sind als soziale Wesen geboren worden. Wenn wir lernen, Konflikte fair zu lösen, statt ihnen nur aus dem Weg zu gehen, dann ist viel gewonnen.
Einen großen Einfluss hat auch mein Gefühl der Sicherheit. Das wiederum hängt davon ab, wie erwartbar mein Chef handelt - können die Kollegen seine Launen oder Reaktionen schlecht vorhersehen, schlägt das auf die Stimmung.
Auch die organisatorische und räumliche Gestaltung des Arbeitsplatzes ist wichtig. Wer kann mir auf den Bildschirm gucken?
Viel zu oft wird von Mitarbeitern erwartet, dass sie sich abhärten. Ein Mensch wird seine Grundbedürfnisse aber nicht abhärten können. Jemandem etwas Schutz zu geben - und sei es nur durch eine schmale Stellwand - kann einen enormen Gewinn für die Produktivität und das Wohlbefinden bedeuten.
Welche Faktoren kann ich selbst beeinflussen? Oder anders gefragt: Wie kann man die eigene Situation verbessern, ohne zu kündigen?
Viele Menschen unterschätzen, wie wichtig ihre eigenen Bedürfnisse für ihre Leistung sind. Natürlich sind wir alle erwachsen und müssen durch manche Alltagssituation auch einfach durch.
Aber nur wer weiß, was ihn stört, kann etwas tun. Das hat viel mit Selbstwahrnehmung zu tun, die geht uns im Alltag zunehmend verloren. Wenn ich meinen Job behalten will oder muss, obwohl ich mich unwohl fühle, muss ich also identifizieren, was falsch läuft.
Ganz oft hat es etwas mit zwischenmenschlichen Beziehungen zu tun. Da kann schon eine neue Kollegin helfen - vielleicht ist sie nett und das Sozialgefüge ändert sich? Oder ich begrabe einen alten Groll. Das wirkt befreiend.
In Ihrem Buch schlagen Sie auch Übungen vor, die man im Büro machen kann, um das Wohlbefinden zu steigern. Können Sie Beispiele nennen?
Atmen wird unterschätzt. Atmen wir aus, verlangsamt der Vages-Nerv unseren Herzschlag. Wir werden ruhiger. Und da sind wir wieder beim Thema Selbst- und Körperwahrnehmung: Wer sich für einen Augenblick auf den Atem konzentriert, der spürt sich wieder.
Das hilft uns, mit Stress und Konflikten besser umzugehen. Wer sich selbst schlecht fühlt, der sollte vielleicht seinem Nachbarn etwas Gutes tun. Studien haben gezeigt, dass uns kleine gute Taten glücklich machen. Außerdem stärken sie das Gefühl der Verbundenheit in einer Gruppe.
Für einige Menschen ist ihr Arbeitsalltag so unerträglich, dass sie ohne Aussicht auf einen anderen Job kündigen. Würden Sie das empfehlen?
Das hängt vom persönlichen Empfinden ab. Kann ich damit leben, ein paar Monate arbeitslos zu sein und Hilfe aus der Arbeitslosenversicherung zu empfangen? Vielleicht setzt mich das unter Stress.
Oder gibt es in absehbarer Zeit keinen anderen Job für mich? Dann könnte es auch wirtschaftliche Folgen für mich haben. Trotzdem tun uns Veränderungen gut.
Dahinter stecken neurologische Prozesse: Das Gewohnte gilt nicht mehr, mein Gehirn muss sich neu vernetzen. Experimente legen nahe, dass im Zweifelsfall der Wechsel glücklicher macht.
Es ist wichtig, sagen Sie, dass man in ein Unternehmen geht, das zu einem passt. Wie kann man das im Vorhinein herausfinden?
Es ist furchtbar schwierig, vorher alle relevanten Informationen über einen neuen Job zusammenzutragen. Das Problem: Wir versuchen es gar nicht erst. Schritt eins wäre, unsere ehrlichen Bedürfnisse zu klären.
Schritt zwei wäre, zu recherchieren. Was sagen ehemalige Mitarbeiter, vielleicht im Internet? Wie sehen die Menschen aus, an denen ich bei meinem Vorstellungsgespräch vorbeigehe. Sind sie mir sympathisch? Will ich wirklich diesen Job oder einfach irgendeinen?
Glücksforscher sagen, dass es zu 50 Prozent von den Genen abhängig ist, ob ich ein eher glücklicher oder unglücklicher Mensch bin. Können Sie erklären, wie die Gene mit dem Glück zusammenhängen?
Gene bestimmen, wie unser Körper aufgebaut ist. Sie entscheiden deshalb auch darüber, wie viele Neurotransmitter dem Körper zur Verfügung stehen. Wer weniger Serotonin ausschüttet, der könnte weniger glücklich sein.
Das ist aber wirklich nur ein Beispiel. 50 Prozent mag nach sehr viel klingen - aber es geht ja nicht darum, dass jemand 50 Prozent unglücklicher ist, als sein Nachbar. Diese Zahlen sagen wirklich nur: Ich kann die andere Hälfte meines Glücks beeinflussen.
Das klingt nach einer Menge Potenzial. Um das auszuschöpfen, muss man sich aber schon viel mit sich selbst beschäftigen, oder?
Wir sollten uns alle viel mehr mit uns selbst beschäftigen! Es geht nicht um Egoismus, Selbstfindungstrips oder Einsiedlertum. Es geht darum zu erkennen, was mich glücklich macht.
Wer das nicht tut, der kann keine zielführenden Entscheidungen treffen. Bestenfalls zufällig.
Glauben Sie, dass das alle Menschen hinbekommen können? Also auch Väter und Mütter von drei Kindern? Oder Menschen in Niedriglohnjobs, die wenig Freiräume haben, ihre Arbeitsumgebung zu gestalten?
Freiraum ist ein unterschätzter Faktor. Viele Manager suchen nach einer Methode, ihre Arbeitnehmer produktiv arbeiten zu lassen. "Gib ihnen Verantwortung und lass sie machen" wäre das eigentliche Heilmittel.
Aber so viel Kontrolle geben Chefs leider nur selten auf. Dabei würde gerade Eltern, aber auch Nebenbei-Künstlern, Ehrenamtlern und Sportlern eine flexiblere Arbeitszeit helfen. Wir sind da als Gesellschaft nicht so weit, wie wir sein sollten.
Wir können Eltern vertrauen, dass sie ihre Arbeit auch zuhause oder zu flexiblen Zeiten machen. Sie haben einen starken inneren Antrieb. Stattdessen drängen wir junge Mütter in die Teilzeit und junge Väter zu verantwortungsvollen Jobs, die sie von ihrer Familie fernhalten.
Mehr können wir kaum falsch machen. Menschen in Niedriglohnjobs stehen vor einem zusätzlichen Problem: Ihnen fehlt oft das Geld für die Teilhabe am gesellschaftlichen Leben.
Muss ich mir abends überlegen, ob ich mir das Essen mit Freunden noch leisten kann, dann kommt die Vereinsamung schneller, als wenn ich nach einem langen Tag einfach ins Taxi springen kann.
Daran erkennen Sie einen schrecklichen Chef
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