Berlin - Von vielen Bürobeschäftigten wird nach den Corona-Jahren erwartet, wieder in den Betrieb zu kommen. "Arbeitgeber wollen im Schnitt stärker zurück in die Präsenz als die Beschäftigten", sagt Bernd Fitzenberger, Direktor des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) in Nürnberg, der dpa.
"Führungskräfte müssen intensiv überlegen, wie sie die Arbeit im Büro attraktiv gestalten können." Denn: Bei den Beschäftigten bestehe weiterhin ein sehr großer Wunsch nach dem Arbeiten in den eigenen vier Wänden. "Viele Bewerberinnen und Bewerber machen Homeoffice sogar zu einem wichtigen Kriterium bei der Jobsuche", so Fitzenberger.
Ein Grund gegen das Büro: Im Schnitt sparen Beschäftigte in Deutschland über eine Stunde, wenn sie ihren Laptop zu Hause aufklappen und nicht in die Arbeit fahren. Zu diesem Ergebnis kommt eine internationale Studie, die im Januar beim US-Wissenschaftsnetzwerk NBER veröffentlicht wurde.
In Deutschland gaben für die Befragung mehr als 2000 Beschäftigte in den Corona-Jahren 2021 und 2022 an, wie viele Minuten ihr Fahrtweg ins Büro dauern würde. Dann schlüsselten sie auf, wie sie die gewonnene Zeit stattdessen verbrachten.
Wofür nutzen wir unsere Zeit?
Die Studie wurde unter anderem unterstützt von der Europäischen Bank für Wiederaufbau und Entwicklung sowie dem Ifo-Institut in München. Gespart werden den Ergebnissen zufolge im Homeoffice pro Tag 65 Minuten. 20 Minuten der gewonnenen Zeit gehen demnach für zusätzliche Arbeit drauf, 10 Minuten für den Haushalt und 5 Minuten für Kinderbetreuung oder die Pflege von Angehörigen. Die meiste Zeit, rund 30 Minuten, nutzen die Deutschen für ihre Freizeit, etwa zum Lesen, Fernsehen oder für Sport im Freien.
Was braucht es also, damit Beschäftigte auf dieses Freizeitplus wieder verzichteten - und man wieder Lust aufs Büro bekommt? Gute Koordination, erklärt IAB-Direktor Fitzenberger. Chefs und Chefinnen müssten organisieren, wer eigentlich wann in den Betrieb kommt. "Wenn man im Büro doch nur wieder alleine ist und virtuelle Meetings mit Kollegen im Homeoffice hat, könnte das ernüchternd sein", sagt Fitzenberger.
Einen festen Präsenztag in der Woche könnten Führungskräfte etwa mit sozialen Angeboten verbinden. "Das kann das gemeinsame Mittagessen sein oder ein aufgelockertes Team-Meeting." Nur so erreiche man eine "Präsenzrendite".
Das Beste aus beiden Welten?
Die Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände (BDA) betont, dass das Arbeitsleben vieler Bürobeschäftigter zukünftig aus einer Kombination von Homeoffice und Büroarbeit bestehen wird. "86 Prozent aller Unternehmen, bei denen mobiles Arbeiten grundsätzlich möglich ist, wollen dies fortführen oder sogar noch ausbauen", teilte die BDA mit.
Das trage zu persönlicher Jobzufriedenheit, aber auch zu Arbeitgeberattraktivität und Fachkräftegewinnung bei. "Dennoch bleibt der Betrieb oder das Büro ein zentraler Ort für persönlichen Austausch und kollaboratives Arbeiten."
Auch die Gewerkschaft Verdi plädiert dafür, das Büro wieder zu einem "sozialen Ort" zu machen. Dafür brauche es etwa neue Raumkonzepte, erklärt Verdi-Referent Christian Wille vom Fachbereich Innovation und Gute Arbeit. "Viele Beschäftigte sind aus den Büros geflohen, weil die Arbeitsbedingungen dort - etwa die Lautstärke, die Ausstattung, zu viele Aufgaben gleichzeitig - als negativ wahrgenommen wurden."
Zu Hause habe man dann oft ungestörter arbeiten können. "Ohne die Arbeitsbedingungen in den Büros anzugehen, wird sich das Problem eher noch verschärfen, wenn die Leute wieder zurückkommen sollen", mahnt Wille. Neben Gruppenbüros und Meetingräumen müssten auch Einzelbüros, ruhige Rückzugsorte oder Telefonboxen angeboten werden.
"Berufliches und Privates in Einklang bringen"
Neben modernen Büroumgebungen bemühen sich viele Unternehmen um weitere Benefits - etwa in der IT-Branche, in der besonders viele Menschen ins Homeoffice gewechselt sind. Der Softwarekonzern SAP bietet neben Büro-Events laut einer Unternehmenssprecherin etwa Kinderbetreuung und Sportmöglichkeiten an. Der IT-Dienstleister Bechtle stellt unter anderem einen Wäscheservice zur Verfügung.
Und in der Kantine können Mitarbeiter ein fertiges Abendessen für zu Hause mitnehmen, so eine Sprecherin. Das soll "eine Zeitersparnis ermöglichen und somit Berufliches und Privates in Einklang bringen".
"Ich höre immer mal wieder die Forderung "Da muss der Arbeitgeber mir aber was bieten, dass ich wieder bereit bin, ins Büro zu kommen"", erzählt Susanne Böhlich, Professorin für Internationales Management an der IU Internationalen Hochschule in Bad Honnef. Sie glaube jedoch nicht, dass bestimmte Benefits ausreichen, um die Mitarbeitenden wieder ins Büro zu bekommen. "In unserer Euphorie für Homeoffice unterschätzen wir komplett, dass die Präsenz einen unglaublichen Wert hat."
Was ist wichtig für eine Rückkehr?
Stattdessen plädiert Böhlich für Transparenz und Ehrlichkeit der Führungskräfte. "Den Mitarbeitern sollte verständlich sein, warum sie ins Büro kommen sollen, und den Prozess als fair empfinden", sagt die Professorin. Dafür müssten Führungskräfte aber klare und konsistente Regeln schaffen. "Und die Betroffenen sollten bei der Entscheidungsfindung mitreden dürfen", fordert Böhlich. "Nur dann bekommt man auch die Akzeptanz für die Rückkehr ins Büro." © dpa
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