Macht weniger Arbeit zufriedener? Eine neue Studie zeigt das Gegenteil: Teilzeitbeschäftigte sind oft erschöpfter als Vollzeitkräfte. Wie lässt sich das erklären?
Lange Arbeitszeiten gelten oft als Hauptursache für Stress und Erschöpfung, während Teilzeitarbeit mit einer besseren Work-Life-Balance in Verbindung gebracht wird. Es scheint logisch: Wer weniger arbeitet, sollte sich auch weniger erschöpft fühlen. Doch die Realität ist komplexer, wie eine aktuelle Studie des Instituts der deutschen Wirtschaft (IW) zeigt.
Demnach sind Vollzeitkräfte in Deutschland nicht erschöpfter als ihre Teilzeitkolleginnen und -kollegen – im Gegenteil. Fast 38 Prozent der Vollzeitbeschäftigten, die zwischen 35 und 40 Stunden pro Woche arbeiten, empfinden häufig körperliche Erschöpfung. Bei den Teilzeitkräften sind es im Vergleich dazu 42 Prozent. Die Arbeitszufriedenheit ist mit 91 Prozent bei Vollzeitkräften und 93 Prozent bei Teilzeitkräften nahezu vergleichbar.
Deutlichere Unterschiede zeigen sich bei überlangen Arbeitszeiten: Beschäftigte, die regelmäßig mehr als 48 Stunden pro Woche arbeiten, leiden verstärkt unter körperlicher und emotionaler Erschöpfung. Viele von ihnen würden dennoch freiwillig länger bleiben: etwa aus finanziellen Gründen, wegen Karriere-Ambitionen oder aus Freude an der Arbeit.
Über die Datengrundlage
- Die Studie basiert auf Daten der Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin (BAuA). Im Jahr 2021 wurden dabei 17.761 abhängig Beschäftigte im Alter von 15 bis 65 Jahren zu ihren Arbeitszeiten, ihrem Erschöpfungsgrad und ihrer Arbeitszufriedenheit befragt. Nicht befragt wurden Selbstständige, freiberuflich Tätige, freie Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sowie mithelfende Familienangehörige.
- Da die Befragung 2021 während der Covid-19-Pandemie stattfand, sind in der Stichprobe 142 Personen in Kurzarbeit vertreten, sofern sie mindestens zehn Stunden arbeiteten.
- Die BAuA-Arbeitszeitbefragung wird seit 2015 alle zwei Jahre erhoben.
Wesentliche Einflussfaktoren auf die Erschöpfung
Neben der Arbeitslänge würden besonders Faktoren wie das soziale Miteinander, das Arbeitsklima und die Flexibilität des Jobs darüber entscheiden, wie erschöpft sich Beschäftigte nach einem Arbeitstag fühlen.
Ein Grund, wieso Teilzeitkräfte häufiger erschöpft sind als Vollzeitbeschäftigte, könnte der Studie zufolge das soziale Umfeld der Teilzeitarbeitenden sein. Oftmals arbeiten Frauen in Teilzeit, um neben dem Job unentgeltliche Sorgearbeit zu leisten. Diese Doppelbelastung kann dazu führen, dass sie sich trotz kürzerer Arbeitszeit müder und ausgelaugter fühlen als Vollzeitkräfte.
Die Annahme, dass weniger Arbeitsstunden automatisch zu mehr Zufriedenheit und weniger Stress führen, greift daher zu kurz. Statt allein die Stundenzahl zu reduzieren, könnte es laut IW zielführender sein, Arbeitsbedingungen zu verbessern und flexible Modelle zu fördern, die die privaten Bedürfnisse der Beschäftigten besser berücksichtigen.