Ob Berufsanfänger oder langjähriger Profi: Wer eine neue Stelle antritt, muss sich in ein neues Umfeld einfinden. Wie ist die Unternehmenskultur? Wie knüpfe ich schnell Verbindungen? Wen darf ich duzen? Ein Experte gibt Tipps für einen guten Start im neuen Job.
Das Bewerbungsverfahren ist gemeistert, doch eine Hürde müssen Sie noch nehmen: Der erste Arbeitstag im neuen Job bringt viele Unsicherheiten mit sich. Wir haben mit dem Karrierecoach Harry Kran darüber gesprochen, wie man von Anfang an einen guten Eindruck erzeugt und sich souverän in die neue Tätigkeit einfindet.
Der erste Arbeitstag in einem neuen Unternehmen kann Lampenfieber erzeugen. Wie geht man die Sache sinnvollerweise an?
Harry Kran: Den Gedanken 'was erwartet mich da' und die Unsicherheit darüber hat jeder, egal wie erfahren er ist. Aber wenn ich mich bewusst entscheide, ein Lächeln aufzusetzen und laut zu mir selbst sage: 'Ich freue mich auf den Job, ich habe eine neue berufliche Heimat gefunden', dann konditioniere ich mein Gehirn dazu, mit dieser positiven Einstellung in die Situation zu gehen.
Neben der mentalen Vorbereitung: Welche praktischen Dinge sollte ich vorher bedenken?
Eine gute Vorbereitung ist sehr wichtig und nimmt die Unsicherheit. Sie haben ja bereits für die Bewerbung Informationen über den Arbeitgeber und die neue Tätigkeit eingeholt. Vor dem ersten Tag ist es sinnvoll, das Wissen noch mal aufzufrischen. Sie können auch in der Presse nachschauen, ob es Nachrichten gibt, die das Unternehmen betreffen. Wenn Sie gut informiert sind, fühlen Sie sich sicherer und treten entsprechend auf.
Dann sollten Sie die Anfahrt gut planen. Hier ist absolute Pünktlichkeit wichtig. Ob Sie zu früh oder zu spät kommen: beides zeugt von schlechtem Zeitmanagement. Am besten planen Sie einen zeitlichen Puffer ein und machen vor Ort noch einen kleinen Spaziergang, bevor Sie Ihren neuen Arbeitsplatz betreten.
Jetzt bin ich da und begegne den neuen Kollegen zum ersten Mal. Was ist in dem Moment wichtig?
Am Anfang ist höfliche Zurückhaltung gefragt, Sie sollten sich nicht bemühen, Aufmerksamkeit zu erregen oder sich als besonders interessant darzustellen. Das wird als zu starke Ego-Zentrierung wahrgenommen.
Schweigen sollten Sie aber auch nicht. Folgen Sie Gesprächen aktiv, klinken Sie sich bei Smalltalk-Themen ein und zeigen Sie auch Interesse an der Person. Man muss nicht mal viel erzählen, es reicht, wenn man Fragen stellt. Dann fühlt sich der andere wahrgenommen, man zeigt Interesse.
Sie können vorher auch zu Hause vor dem Spiegel üben, wie Sie sich vorstellen wollen. Dann fühlen Sie sich sicherer und es fällt Ihnen in der realen Situation leichter.
Gibt es Gesprächsthemen, die ich vermeiden sollte?
Es kann sein, dass man durch Unsicherheit nach Gesprächsstoff sucht. Aber Sie sollten es vermeiden, Ihr Privatleben in epischer Breite darzustellen. Ebenfalls ein No-Go ist es, schlecht über frühere Arbeitgeber zu sprechen.
Es kann für Unsicherheit sorgen, wenn mir nicht klar ist, wen ich siezen sollte und wen ich duzen kann. Was raten Sie da?
Bleiben Sie beim Sie, so lange das Du nicht angeboten wird. Grundsätzlich entscheidet die Unternehmenshierarchie: Der oder die Vorgesetzte bietet das Du an – unabhängig von Alter und Geschlecht. Unter gleichrangigen Kollegen bieten ältere den jüngeren und Frauen den Männern das Du an.
Sie sollten aber beobachten, wie das in dem jeweiligen Unternehmen gehandhabt wird. Wenn der Vorgesetzte gleich vom ersten Tag an das Du anbietet, dann scheint das die Unternehmenskultur zu sein. Da müssen Sie nicht künstlich bei jedem einzelnen Kollegen erst mal mit dem Sie ankommen. Das wirkt distanziert.
Was gibt es bezüglich der eigentlichen Arbeit zu beachten? Wie beginne ich meine neue Tätigkeit am besten?
Auch wenn ich das Gefühl habe, es wartet viel Arbeit auch mich, sollte ich nicht einfach nach eigenem Gutdünken loslegen, sondern viel nachfragen. So vermeidet man Missverständnisse und lernt die Vorgänge im Unternehmen schnell kennen.
Man sollte auch nicht gleich am ersten Tag das Unternehmen revolutionieren wollen. Das kommt nicht gut an. Bevor man Vorschläge einbringt, sollte man erst mal die Rolle des Zuhörers einnehmen.
Wenn man früh mit den eigenen Aufgaben fertig ist, kann man anderen Hilfe anbieten. Das zeigt, dass man ein Teamplayer ist.
Noch eine praktische Frage: Was ziehe ich am ersten Tag im neuen Job an?
Der Grundsatz für den ersten Tag lautet: lieber overdressed als underdressed. Zu legere Kleidung erscheint respektlos, als würde man den neuen Job nicht wichtig nehmen. Ein schlechter erster Eindruck ist schwierig zu korrigieren.
Ist man unsicher, weil der Vorgesetzte beim Vorstellungsgespräch in Jeans und T-Shirt ankam, kann man auch mit einer schönen Jeans kombiniert mit Hemd oder Bluse – und ganz wichtig: tadellos gepflegten Schuhen – einen Mittelweg finden.
Fängt man in einem Unternehmen an, in dem das äußere Erscheinungsbild sehr wichtig ist und man weiß, dass man selbst keinen guten Blick für modische Dinge hat, sollte man sich von jemandem beraten lassen, der sich auskennt. Je nach Position, die man bekleidet, ist auch eine professionelle Outfit-Beratung empfehlenswert.
Gleichzeitig gilt: Ich sollte mich in der Kleidung wohlfühlen. Gerade bei Berufsanfängern merkt man oft, dass sie diese Kleidung zum ersten Mal tragen und sich darin nicht wohlfühlen. Da ist es ratsam, die Sachen im Vorfeld schon ein paar Tage lang probezutragen.
Und sollte man am Ende trotzdem merken, dass man mit seiner Kleiderwahl daneben gegriffen hat, nimmt man es am besten mit Humor. Man sagt dem Vorgesetzten: 'Da lag ich wohl daneben, aber jetzt weiß ich Bescheid'.
Und woher nimmt man in einem solchen unangenehmen Moment die Gelassenheit, um mit Humor zu reagieren?
Das gilt für alle Fauxpas, die einem passieren können. Man nennt das einen proaktiven Umgang mit schwierigen Situationen. Ich muss nichts peinlich totschweigen, sondern kann es, ohne eine große Sache daraus zu machen, kurz ansprechen. Das löst die Anspannung, weil man sonst unsicher ist, was der andere jetzt denkt.
Gedanken sind wirkende Kräfte. Wenn ich mir erlaube zu denken, dass mich alle für unfähig halten, dann werde ich mich dementsprechend verhalten und diese Haltung ausstrahlen. Wenn ich entscheide, zu denken, dass ich gut ins Unternehmen reinpasse, dann werde ich ganz andere Erfahrungen machen.
Es gibt Menschen, die immer gut drauf sind, auch wenn mal etwas nicht so gut läuft. Die haben gelernt, Schwierigkeiten einfach zu akzeptieren, wenn sie daran nichts ändern können. Ich kann mich darüber ärgern oder mir Sorgen machen und in Gedanken ständig darum kreisen, was der andere jetzt denkt oder wie das nur passieren konnte.
Ich kann aber stattdessen auch einsehen, dass Fehler und Hindernisse einfach dazugehören und nichts Schlimmes sind. Dann gehe ich souveräner und entspannter durch den Tag und kann meine Energie auf konstruktive Dinge konzentrieren.
"So arbeitet die Redaktion" informiert Sie, wann und worüber wir berichten, wie wir mit Fehlern umgehen und woher unsere Inhalte stammen. Bei der Berichterstattung halten wir uns an die Richtlinien der Journalism Trust Initiative.