Den Wunsch, weniger zu arbeiten und trotzdem genug zu verdienen, haben sicher viele Menschen. Immer wieder wird auch seitens der Politik der Vorschlag gemacht, flächendeckend eine Vier-Tage-Woche einzuführen. Die Idee hat allerdings Tücken.
Zuletzt war es Linken-Chefin Katja Kipping, die das Thema zur Diskussion stellte. Eine Vier-Tage-Woche bei vollem Lohnausgleich? Welcher Arbeitnehmer würde da schon Nein sagen?
Tatsächlich gibt es bereits vereinzelt Unternehmen mit diesem Modell. Ein prominentes Beispiel ist Microsoft in Japan, andere sind die neuseeländische Firma Perpetual Guardian und Bike Citizens in Deutschland. Sie berichten von positiven Erfahrungen, unter anderem davon, dass ihre Mitarbeiter zufriedener sind, bei keinerlei Einbußen der Produktivität - mitunter steige sie sogar.
Zu viel Arbeit schadet - aber wie viel ist "zu viel"?
Aber lassen sich diese Erkenntnisse verallgemeinern? Die Antwort lautet: in einigen Punkten ja, in anderen nein. Stichwort "Produktivität". Tatsächlich ist es laut Studien so, dass mit einer größeren Stundenzahl die Arbeitsleistung ab- und wegen nachlassender Konzentration die Zahl der Arbeitsunfälle zunimmt. Allerdings ist das nach allem, was man bisher weiß, erst ab einer Größenordnung von mehr als 40 Wochenstunden der Fall. Oder bei sehr langen Arbeitstagen von mindestens zwölf Stunden.
Viel zitiert werden in diesem Zusammenhang auch die Untersuchungen des Psychologen Karl Anders Ericsson, der in Versuchen feststellte, dass Menschen sich nur vier bis fünf Stunden einer Sache konzentriert widmen können. Das würde bedeuten, dass reduzierte Arbeitszeit vielleicht besser genutzt würde - aber eher nicht bei einer Vier-Tage-Woche mit vier mal acht Stunden pro Tag.
Dauerhaft mehr als 50 Wochenstunden können ungesund sein
Ein häufiges Pro-Vier-Tage-Woche-Argument ist auch, dass Menschen, die weniger arbeiten, gesünder seien - oder zumindest weniger krank. Untersuchungen belegen das, allerdings auch hier erst bei deutlich höherem Arbeitspensum. So wurde nachgewiesen, dass Menschen mit 50-oder-mehr-Wochenstunden-Jobs ein größeres Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen und Magen-Darm-Beschwerden haben.
Das bedeutet nicht, dass sich Tätigkeiten unterhalb dieser Schwelle nicht ebenfalls negativ auf die Gesundheit auswirken können, bislang ist jedoch nichts Derartiges belegt. Es kann also sein, dass eine Vier-Tage-Woche dazu führt, dass, wie Katja Kipping sagt, die Mitarbeiter gesünder sind und weniger Fehler machen. Es kann aber nicht als wissenschaftlich gesichert angesehen werden.
Kann sich die Gesellschaft eine Vier-Tage-Woche leisten?
Argumentiert wird oft auch, dass Beschäftigte mit einer Vier-Tage-Woche motivierter seien - Befragungen bestätigen das. Welche Auswirkungen das allerdings auf die Produktivität hat, konnte bis dato nicht genau festgestellt werden. Und solange diese Antworten fehlen, steht hinter all dem stets die große Frage: Können "wir" uns eine Vier-Tage-Woche überhaupt leisten?
Individuell betrachtet ist per Gesetz (fast) jeder berechtigt, die eigene Arbeitszeit verkürzen zu dürfen - auf eigene Kosten. Gerade Berufsgruppen wie Verkäuferinnen, Friseure und Pfleger sind häufig besonders belastet und würden sich wahrscheinlich über eine Vier-Tage-Woche freuen. Aber sie sind es auch, die mit einem ohnehin schon geringen Lohn ihren Lebensunterhalt bestreiten müssen. Katja Kipping scheint eine Antwort darauf zu haben, wie Geringverdiener da geholfen werden soll: Der Staat springt (für eine gewisse Zeit) ein und gleicht den Lohnverlust aus.
Bedeutet eine Vier-Tage-Woche ein niedrigeres BIP?
An dieser Subventionsidee gibt es aber viel Kritik. Wirtschaftswissenschaftler stellen hier vor allem die Frage: Wer würde dann überhaupt noch fünf Tage die Woche arbeiten und welche Auswirkungen hätte das auf das Bruttoinlandsprodukt (BIP)?
Einige Forscher wie Enzo Weber vom Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) und Holger Schäfer vom Institut der Deutschen Wirtschaft (IDW) sagen: Wenn weniger gearbeitet wird, werden umso weniger Waren produziert und Dienstleistungen erbracht - und dementsprechend sinkt das BIP. Für Schäfer hat solches "weniger Arbeiten" sogar krisenhafte Züge, wie er "deutschlandfunk.de" sagt: "Und weil viele Menschen weniger arbeiten, produzieren sie weniger, und das ist das, was das Wesen der Wirtschaftskrise ausmacht."
Zudem sei es so, dass in manchen Berufen, wie dem Einzelhandel die Arbeit gar nicht an vier statt fünf Tagen erledigt werden könne. Wenn die einzelnen Angestellten weniger arbeiten würden, müsste mehr Personal eingestellt werden - und das bei dem in einigen Branchen herrschenden Fachkräftemangel.
Nicht unbedingt, sagen einige Wissenschaftler
Der Volkswirt Alexander Spermann kann sich hingegen durchaus vorstellen, dass die Produktivität durch modernere Mittel steigen kann und wir alle trotzdem weniger arbeiten könnten. Die industriellen Revolutionen der Vergangenheit hätten gezeigt, dass eine höhere Produktivität zu mehr Wohlstand und weniger Arbeitsstunden führen könnte, schreibt er. "Würden alle Chancen der Digitalisierung konsequent genutzt, dann wäre vorstellbar, dass wir in Zukunft bei höherem Wohlstand weniger Stunden im Jahr arbeiten müssten", schreibt er in einer Kolumne auf seiner Website.
Und noch etwas ist bei einer Vier-Tage-Woche denkbar: Die Aufteilung von Arbeits- und Kinderbetreuungszeiten von Eltern könnten ausgeglichener werden. Jutta Allmendinger, Präsidentin des Wissenschaftszentrums Berlin für Sozialforschung, fordert aus diesem Grund schon länger eine 32-Stunden-Woche. Sie sagt laut "tagesspiegel.de": "Mit der 32-Stunden-Woche würden Männer durchschnittlich etwas weniger pro Woche arbeiten, Frauen etwas mehr." Damit täten sich aus ihrer Sicht Freiräume auf, Fürsorgearbeit gerechter zu verteilen - ohne dass die Produktivität deswegen zurückgehe.
Verwendete Quellen:
- Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin: Flexible Arbeitszeitmodelle - Überblick und Umsetzung (PDF) und Gesundheitliche und soziale Auswirkungen langer Arbeitszeiten (PDF)
- Deutschlandfunk.de: Ökonom: Kippings Vorstoß zur Vier-Tage-Woche „gefährlicher Unsinn“
- Interview mit Enzo Weber vom Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB)
- Kolumne des Volkswirtschaftswissenschaftlers Alexander Spermann
- Business Insider: Experts think a 4-day work week would be more beneficial than 5
- Rheinische Post: Generelle Vier-Tage-Woche mit neuem Kurzarbeitergeld anschieben
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