Mehr als die Hälfte aller Frauen leidet in den Wechseljahren unter mehr oder weniger starken Beschwerden. Das wirkt sich auch auf die Arbeit aus, wie eine Umfrage zeigt. Und dennoch gibt es bislang kaum Unterstützung seitens der Arbeitgeber.
In der Nacht immer wieder aufgewacht, beim Frühstück überkommt einen eine Hitzewallung – und dann heißt es: ab zur Arbeit. Da geht es weiter mit den Beschwerden. Die Stimmung schwankt, die Leistungsfähigkeit sinkt, das Selbstbewusstsein schwindet. Dieses Szenario ist für viele Frauen Realität, wenn sie in den Wechseljahren sind.
Eine deutschlandweite Befragung zum Thema Wechseljahre am Arbeitsplatz zeigt, wie sehr das Klimakterium Frauen im Job zu schaffen macht. Andrea Rumler von der Hochschule für Wirtschaft und Recht Berlin ist Studienleiterin des Forschungsprojekts MenoSupport. Im Gespräch mit unserer Redaktion berichtet sie von den Umfrageergebnissen.
Was sind die Wechseljahre?
- Die Wechseljahre, auch Klimakterium genannt, erleben Frauen in der Lebensmitte. Bei den meisten ist das zwischen dem 40. und 50. Lebensjahr. In dieser mehrjährigen Phase stellt sich die natürliche Hormonproduktion um. Dabei kommt es auch zu körperlichen Veränderungen. Eine davon ist, dass es seltener zum Eisprung kommt und die Regelblutung unregelmäßiger wird und irgendwann ausbleibt. Frauen können nach ihren Wechseljahren nicht mehr schwanger werden. Laut dem Frauengesundheitsportal leidet jede dritte Frau unter "belastenden Begleiterscheinungen", ein weiteres Drittel berichtet von "lästigen, aber nicht sehr starken Beschwerden" und ein weiteres Drittel fühlt sich nicht anders als zuvor.
Drei von vier Frauen leiden unter Konzentrationsproblemen
Fast 75 Prozent der Studienteilnehmerinnen hätten gesagt, dass sie sich bei der Arbeit weniger gut konzentrieren könnten, sagt Rumler. "Ähnlich viele fühlen sich gestresster. Die Hälfte der Befragten gab an, ungeduldiger und gereizter gegenüber anderen zu sein. Weniger selbstbewusst bezüglich ihrer eigenen Fähigkeiten fühlen sich 38 Prozent."
Und neben diesen psychischen Faktoren spielen auch körperliche Symptome eine Rolle. So berichteten 34 Prozent davon, Gelenk- und Muskelbeschwerden hätten sie bei der Arbeit beeinträchtigt. Unter anderem auch Kopfschmerzen (28,3) und Herzbeschwerden (23,1 Prozent) stellten für einige ein Problem am Arbeitsplatz dar.
Informationen zum MenoSupport
- Der MenoSupport ist ein Projekt der Hochschule für Wirtschaft und Recht Berlin und der Hochschule für Technik und Wirtschaft Berlin. Untersucht wurde, wie Frauen die Wechseljahre im Arbeitskontext erleben. Dafür wurde ein webbasierter Fragebogen verteilt, den die Teilnehmerinnen zwischen März und Juni 2023 ausfüllten. Die bereinigte Stichprobe beinhaltet 2.119 in Deutschland lebende Teilnehmerinnen mit einem Durchschnittsalter von 51 Jahren, die voll- oder teilzeitbeschäftigt arbeiten. Es handelt sich nicht um eine repräsentative Telefonbefragung, sondern eine Onlinebefragung mit Selbstrekrutierung.
Beschwerden werden häufig nicht als Wechseljahressymptome erkannt
Symptome wie diese werden laut Rumler von einigen Frauen oft nicht als Wechseljahrsbeschwerden interpretiert. Auf Basis der Befragungen und ihrer persönlichen Erfahrungen denke sie, "dass viele Frauen Symptome haben, die sie gar nicht richtig einordnen können und von denen sie gar nicht wissen, dass sie von den Wechseljahren verursacht werden."
Als Beispiel nennt die Professorin Schlafprobleme: "Das sagt ein Arzt oder eine Ärztin einem nicht unbedingt. Auch bei anderen Symptomen ist es so, dass die Ärzteschaft das nicht immer gleich richtig einordnen kann." Frauen informierten sich in der Regel zwar, bevor sie in die Wechseljahre kommen – aber es gebe zahlreiche Symptome.
Ein weiterer Punkt: "Manche wissen oft nicht mal, dass sie in den Wechseljahren sind. Viele gehen davon aus, die Wechseljahre seien dann, wenn man das letzte Mal seine Periode hat. Das ist aber falsch", sagt Rumler. Denn häufig beginnen die Wechseljahre bereits viel früher. "Und wenn man mit Ende 30, Anfang 40 Symptome hat, kommen vermutlich viele nicht auf die Idee, sie korrekterweise den Wechseljahren zuzuordnen."
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Frauen ziehen Konsequenzen
Die Umfrage fördert zutage, dass sich viele Frauen in den Wechseljahren auf der Arbeit unwohl fühlen. Sie zeigt außerdem, dass dies auch Folgen für Arbeitgeber hat. "Am meisten hat mich der hohe Anteil der Frauen überrascht, die Konsequenzen für ihre Karriere gezogen haben", erzählt Rumler. "Einige sind früher in den Ruhestand gegangen, andere haben Stunden reduziert, den Arbeitsplatz gewechselt oder eine Beförderung ausgeschlagen."
Auf die Frage, ob Wechseljahressymptome schon einmal Einfluss auf Entscheidungen bezüglich ihres beruflichen Werdegangs gehabt hätten, gaben die befragten, arbeitstätigen Frauen über 55 Jahren Folgendes an
- Ja, Stunden zu reduzieren (26 Prozent)
- Ja, die Stelle zu wechseln (16,1 Prozent)
- Ja, eine Auszeit von der Arbeit zu nehmen (15,3 Prozent)
- Ja, früher in den Ruhestand zu gehen (19,4 Prozent)
- Ja, auf anderes (6,8 Prozent)
- Ja, Beförderung auszuschlagen (3,3 Prozent)
- Nein, bisher nicht (50,5 Prozent)
- Ja, Stunden zu erhöhen (1,1 Prozent)
- Ja, Beförderung anzunehmen (0,8 Prozent)
- Ja, später in den Ruhestand zu gehen (0 Prozent)
Was das Ganze noch erschwert: Die Wechseljahre sind für viele ein Tabu-Thema am Arbeitsplatz. Mehr als die Hälfte (52,3 Prozent) der Arbeitnehmerinnen berichtete davon in der Umfrage. Nur knapp jede Vierte (24 Prozent) hält die Lebensphase für ein Thema, über das sie offen am Arbeitsplatz sprechen kann.
"Oft" oder "immer" sind die Wechseljahre dennoch kaum Gesprächsthema – wenn überhaupt, dann "selten" (31,7 Prozent) oder "gelegentlich" (19,5 Prozent). In den meisten Fällen kommen die Wechseljahre allerdings "nie" (46 Prozent) zur Sprache.
Wechseljahresfreundliche Arbeitskultur etablieren
Bislang gibt es nur wenige Unternehmen in Deutschland, die Frauen gezielt im Klimakterium unterstützen. Was können Arbeitnehmerinnen tun, um ihre Führungskraft für das Thema Wechseljahre zu sensibilisieren? "Einfach ansprechen", rät Rumler. "Dabei kann man durchaus auf unsere Studie verweisen. Und wenn es einem gegenüber der Führungskraft unangenehm ist, können sich Frauen auch an die Personalabteilung wenden."
Nicht nur Führungskräfte, auch Mitarbeitende sollten sensibilisiert werden, sagt die Expertin. "Dann kann man eine wechseljahresfreundliche Arbeitskultur etablieren. Das wäre der erste Schritt." Im Unternehmen selbst sei das dann ein Top-Down-Thema. Rumler erklärt: "Das muss von oben kommen, dass ein Unternehmen die Frauen im Unternehmen halten und unterstützen möchte. Dafür ist es wichtig, ein Problembewusstsein zu schaffen."
Als Vorbild zieht die Professorin Unternehmen in Großbritannien heran: Manche hätten Wechseljahrsbeauftragte in den Personalabteilungen oder im betrieblichen Gesundheitsmanagement, die Informationsangebote bereitstellten. Deutschen Unternehmen rät sie, Frauen entgegenzukommen, wenn diese konkrete Wünsche haben, die sie bei der Arbeit unterstützen würden. "Das ist immer eine sehr individuelle Unterstützung", stellt Rumler klar.
"Arbeitgeber können aber auch grundsätzlich ihre Strukturen überarbeiten, etwa durch flexiblere Arbeitszeiten und Anpassungen in den Büros." Als Beispiel nennt sie genug Toilettenmöglichkeiten, "weil Frauen in den Wechseljahren häufiger auf die Toilette gehen müssen. Auch Hormon-Yoga-Kurse oder Kurse zu Entspannungstechniken können hilfreich sein."
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Frauen-Gesundheit am Arbeitsplatz als wichtiges Thema für Unternehmen
Wie so ein Ansatz konkret aussehen könnte? Das erklärt Rumler am Beispiel eines mittelständischen Unternehmens mit rund 150 Mitarbeitern. Dieses könnte zum Beispiel eine E-Mail an die angestellten Frauen zwischen Mitte 30 und 60 schreiben und Unterstützung anbieten.
"Die konkreten Unterstützungsmaßnahmen, die wir vorschlagen, entwickelt meine Forschungspartnerin mit ihrem Team aktuell im zweiten Teil des Projekts", kündigt sie an. Im Rahmen des MenoSupports werden auf Basis der Umfrage praktische Maßnahmen für das betriebliche Gesundheitsmanagement in Organisationen und Unternehmen erarbeitet. Offene Fragen würden derzeit noch ausgewertet. "Zu diesen haben die Frauen in der Onlinebefragung jede Menge geschrieben", erzählt Rumler. "Daran sieht man auch, dass der Leidensdruck hoch ist." Sie denke, dass "so langsam mehr und mehr Leute erkennen, welche Bedeutung Frauen-Gesundheit für Unternehmen hat".
Bis dahin sei es zwar noch "ein weiter Weg", dennoch sagt Rumler: "Ich bin der festen Überzeugung, dass das in zehn Jahren in Unternehmen in Deutschland auf jeden Fall Standard sein muss, die Frauen am Arbeitsplatz in den Wechseljahren zu unterstützen. Einiges davon kann auch relativ simpel umgesetzt werden."
Zur Gesprächspartnerin
- Prof. Dr. Andrea Rumler ist Professorin für allgemeine Betriebswirtschaftslehre und Marketing an der Hochschule für Wirtschaft und Recht Berlin (HWR Berlin). Zu ihren Schwerpunkten zählen aktuell Frauengesundheit, Nachhaltigkeitskommunikation und gendergerechte Finanzierung von Startups. Sie ist Studienleiterin des Forschungsprojekts "MenoSupport".
Verwendete Quellen
- Gespräch mit Prof. Dr. Andrea Rumler
- Forschungsprojekt MenoSupport - Ergebnisse der ersten deutschlandweiten Befragung zum Thema Wechseljahre am Arbeitsplatz (Hochschule für Wirtschaft und Recht Berlin, Stand 10/23)
- Pressemitteilung der Hochschule für Wirtschaft und Recht Berlin: "Volkswirtschaftlich brisant: Wechseljahre am Arbeitsplatz"
- Informationen des Frauengesundheitsportals der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung
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