Nachbarn können zu Rettern werden, wenn sie häusliche Gewalt in der Umgebung beobachten und dagegen vorgehen. Doch die berechtigte Frage: Wie tut man das am besten? Eine Expertin erklärt, wann wir als Nachbarn sofort Alarm schlagen sollten und wann Vorsicht geboten ist.
Aus der Nachbarwohnung dringen Schreie, lautes Gepolter ist zu hören. Wer solche Szenen erlebt, wird mutmaßlich Zeuge häuslicher Gewalt. Die Betroffenen kommen aus allen sozialen Schichten - und sind zumeist weiblich.
Nach Angaben des Bundesinnenministeriums erfährt etwa jede dritte Frau einmal mindestens einmal in ihrem Leben körperliche oder sexualisierte Gewalt - bei jeder vierte Frau handelt es sich bei dem Täter um ihren aktuellen oder früheren Partner. Doch was können Nachbarn oder Bekannte tun, wenn sie Gewalt vermuten?
Schreie aus der Nachbarwohnung: Sofort Polizei rufen
"Wenn bei Ihnen die Alarmglocken klingeln, Sie häufig Geschrei aus der Nachbarwohnung hören, es so klingt, als würden Sachen kaputt gehen, oder Ihnen die Nachbarin - und meist sind es die Nachbarinnen - mit blauen Flecken oder Griffspuren an den Armen begegnet, dann können Sie verschiedene Maßnahmen ergreifen", erklärt Saskia Etzold von der Gewaltschutzambulanz der Charité Berlin.
Zunächst sei es wichtig, zwischen verschiedenen Situationen zu unterscheiden. "Wacht man nachts auf und hört massive Schmerzensschreie, dann kann man nur eine Sache machen und zwar: sofort die Polizei zu rufen und sie ins Haus lassen."
Nach Möglichkeit sollen aufmerksame Beobachter die verdächtigen Geräusche auch mit dem Handy aufnehmen oder ein Video aufzeichnen.
Betroffene behutsam ansprechen
Wenn man die mutmaßliche Gewalt nicht selbst miterlebt, sondern immer wieder Hinweise wie blaue Flecken wahrnimmt, sollte man die mutmaßliche betroffene Person vorsichtig darauf ansprechen.
Was man vermeiden sollte:
- "Es ist wichtig, dass man nicht direkt hingeht und sagt: "Hören Sie mal, Sie haben da doch ein blaues Auge, das war doch bestimmt wieder Ihr Mann. Wollen Sie nicht mal was dagegen tun?" Dann machen Betroffene sofort dicht."
Richtig ist diese Vorgehensweise:
- Der Nachbarin behutsam Hilfe anzubieten und ihr etwa zu sagen: "Ich habe da manchmal was gehört, ich mache mir Sorgen. Kann ich irgendetwas für Sie tun?"
- Dabei solle auf keinen Fall der potenzielle Täter anwesend sein. "Das kann zu weiterer Eskalation führen und für die Frau das Todesurteil bedeuten", sagt Etzold.
- Trifft man eine mutmaßlich Betroffene alleine an, könne man ihr etwa eine kleine Karte mit Hilfsangeboten zustecken - von örtlichen Beratungsstellen etwa oder dem bundesweiten "Hilfetelefon Gewalt gegen Frauen". Letzteres ist unter der Rufnummer 08000 116 016 zu erreichen.
- Wer sich nicht sicher sei, wie er vorgehen soll, könne sich auch selbst als Zeuge bei einer Beratungsstelle melden.
Nicht jeder Hilfeversuch führt sofort zum Ziel
Doch wie kann man vorgehen, wenn die Betroffene ausschließlich in Begleitung des potenziellen Täters auftritt? "Man kann versuchen, die Nachbarin alleine zu sich in die Wohnung zu holen und zum Beispiel sagen: ,Ich habe ein Paket für Sie angenommen, wollen Sie kurz mit zu mir kommen?'", sagt Etzold.
Nicht immer führt ein solcher Hilfeversuch dazu, dass Betroffene sich sofort an Beratungsstellen oder die Polizei wenden. "Wenn Betroffene nicht bereit sind, Schutzmaßnahmen zu ergreifen, haben Sie selbst keine Chance. Sie können niemanden zwingen, sich selbst Hilfe zu suchen."
Wichtig sei, dass man sich für sein Umfeld interessiere. Auf die Frage, was sie sich rückblickend gewünscht hätten, haben laut Etzold viele von häuslicher Gewalt Betroffene im Rahmen von Studien gesagt: "Ich hätte mir gewünscht, dass mich jemand darauf anspricht und mir Hilfe signalisiert." (af/tar/dpa)
Wenn Sie selbst von häuslicher oder sexueller Gewalt betroffen sind, wenden Sie sich bitte an das Hilfetelefon "Gewalt gegen Frauen" - 08000/116 016 oder dessen Online-Beratung, das Hilfetelefon "Gewalt an Männern" - 0800/1239900 oder dessen Online-Beratung, oder an das Hilfetelefon "Sexueller Missbrauch" 0800/225 5530 (Deutschland), die Beratungsstelle für misshandelte und sexuell missbrauchte Frauen, Mädchen und Kinder (Tamar) 01/3340 437 (Österreich) beziehungsweise die Opferhilfe bei sexueller Gewalt (Lantana) 031/3131 400 (Schweiz).
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