Die U3-Betreuungssituation in Deutschland hat in den vergangenen Jahren einen Wandel durchgelaufen. Während es vor zehn Jahren ungewöhnlich war, wenn ein Kind unter drei Jahren in einer Krippe oder auch bei einer Tagesmutter fremdbetreut wurde, ist es heute eher die Regel. Und doch stellen sich Eltern immer wieder die Frage: Fördern oder schaden wir unserem Kind damit?

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In vielen Fällen gehen Mütter nach einem Jahr wieder arbeiten, da zu diesem Zeitpunkt in vielen Fällen das Elterngeld ausläuft. Viele tun sich jedoch schwer mit der Entscheidung, ob ein kleines Kind im Alter von ein oder zwei Jahren fremdbetreut werden sollte. Andere wiederum fühlen sich mit der Möglichkeit einer u3-Betreuung sehr wohl.

Dieser Artikel gibt einen Überblick über verschiedene Studien und fasst zusammen, ob Kinder von der u3-Fremdbetreuung eher profitieren oder vielleicht Schaden nehmen könnten. Zusätzlich gibt er Eltern Auswahlkriterien für eine Kita oder Tagesmutter an die Hand, und nennt Faktoren, woran sie erkennen, dass das Kind sich in der Krippe wohlfühlt.

Ist Fremdbetreuung pauschal gut oder schlecht?

Der Londoner Entwicklungspsychologe Jay Belsky wurde in seiner Karriere oft gefragt, ob es für ein Kleinkind gut ist, in einer Krippe betreut zu werden. Am liebsten beantwortet er die Frage mit einer Gegenfrage: "Ist es gut oder schlecht für die Gesundheit, in Restaurants essen zu gehen?"

Seine Antwort auf beide Fragestellungen lautet: "Es kommt darauf an." Bei den Restaurants kommt es darauf an, ob dort frisch gekocht wird, welche Gerichte Sie auswählen und ob Sie jedes Mal einen Nachtisch essen.

Bei der Kleinkindbetreuung hängt es davon ab, wie gut die Qualität der Betreuung durch die Krippe oder Tagesmutter ist, ob sich die Kinder dort wohl fühlen und wie Eltern die Zeit nutzen, in der sie ihr Kind bei sich zuhause haben.

Daher lässt sich diese Frage nicht pauschal beantworten und es ist wichtig, sich einzelne Faktoren genauer anzuschauen.

Trotz U3-Betreuung: Eltern bleiben am wichtigsten

In der amerikanischen Langzeitstudie "NICHD Study of Early Child Care" (SECC) kam unter anderem heraus, dass der Einfluss der Eltern sehr groß bleibt, auch wenn die Kleinkinder Ganztags-Betreuungen besuchen.

Nachweislich erreichten die Kinder, deren Eltern sie liebevoll erzogen und stets förderten, sehr gute schulische Ergebnisse und verfügten über ein sehr gutes Sozialverhalten – unabhängig davon, wie früh und wie lange sie als kleines Kind fremdbetreut wurden.

Dieses Ergebnis kann für Eltern sehr beruhigend sein. Die wichtigste Instanz bleibt immer die Familie. Im Zweifel ist also die Kombination "sehr gutes Elternhaus – schlechte Kinderbetreuung" für die Kinder immer noch besser als umgekehrt: Es ist der Studie zufolge deutlich schlechter für die Kinder, wenn sich die Eltern kaum um sie kümmern und sie aber früh in eine sehr gute Kita schicken.

Zusätzlich kam heraus, dass fremdbetreute Kinder etwas früher von ihren Lehrern als "aufmüpfig“ beschrieben werden. Kinder, die erst später in den Kindergarten kamen, bekamen diese Phase jedoch auch – aber zeitlich einfach etwas verzögert.

Qualitätszeit mit den Eltern gewinnt

Dazu kommt, dass Eltern die Zeit mit ihren Kindern viel intensiver nutzen, wenn sie zeitlich begrenzt ist. Sprich wenn sich diese auf den Morgen, Abend und das Wochenende beschränkt.

Ist das Kind den ganzen Tag zuhause, ist es oft so, dass es im Alltag "mitläuft" und die Beschäftigung nicht ganz so intensiv ausfällt wie bei Kindern, die viel fremdbetreut werden.

In vielen Fällen ist es also so, dass die Zeit, in der sich Eltern ganz bewusst und intensiv mit dem Kind beschäftigen, gar nicht so weit auseinanderliegt.

Kita kann Stress für Kleinkinder bedeuten

Lieselotte Ahnert, deutsche Psychologin und Professorin für Entwicklungspsychologie an der Universität Wien (emeritiert, aber noch forschend), untersuchte zusammen mit einer Arbeitsgruppe den Cortisol-Level im Blut von Kindern in Kitas.

Sie fand heraus, dass die Werte dieses Stresshormons in vielen Fällen leicht erhöht waren. Die Ausschüttung blieb aber immer innerhalb der normalen Variationsbreite, weshalb das als nicht weiter bedenklich eingestuft wurde.

Trotzdem sollten Eltern bei besonders sensiblen Kindern darauf achten, dass der Wechsel in die Kita oder zur Tagesmutter langsam und mit Bedacht geschieht und außerhalb der Krippen-Betreuung für ruhigere Phasen gesorgt wird.

Darüber hinaus untermauert die NICHD-Studie, dass es für kleine Kinder von Vorteil sein kann, wenn die Krippen-Gruppen kleiner sind, in denen sie betreut werden. Dies sollten Eltern von sehr schüchternen, sensiblen Kindern bedenken und wenn es denn möglich ist, bei der Auswahl der Betreuungsstätte beachten.

Tiefergehende Informationen zu diesen Untersuchungen und Erkenntnissen fasst Adelheid Müller-Lissner in ihrem Buch "Unter drei schon aus dem Haus? Eine Entscheidungshilfe für junge Eltern (Lebenswelten & Lebenshilfe)" zusammen.

Gibt es auch klare Vorteile der Fremdbetreuung?

Die NUBBEK-Studie, die 2010 bis 2012 durchgeführt wurde, kam zu dem Ergebnis, dass die Qualität der u3-Einrichtungen in Deutschland besser sein könnte.

Inzwischen hat sich in diesem Bereich jedoch einiges getan und es gibt inzwischen zum Beispiel für viele Bundesländer Bildungspläne für Kitas. Schon diese allein diese Tatsache zeigt, dass es in den Krippen heutzutage nicht nur darum geht, dass die Kinder nur eine Aufsicht haben.

Sie sollen viel mehr altersentsprechend gefördert, mit verschiedensten Inhalten vertraut gemacht und beim Entdecken der Welt unterstützt werden. Dabei gehen die ErzieherInnen fachlich fundiert vor und nutzen ihren pädagogischem Hintergrund.

Eindeutig bewiesen wurde, dass es für die Kinder in sprachlicher Hinsicht von Vorteil ist, wenn sie früher fremdbetreut werden. Qualitativ gute Kindertagesstätten fördern die Sprachentwicklung der Kleinen und sind gerade für Familien mit Migrationshintergrund oder auch für Kinder, die sich mit dem Spracherwerb schwertun, wertvoll.

Wie findet man eine gute Kita?

Es ist heutzutage nicht immer der Fall, aber in manchen Gegenden Deutschlands können Eltern aussuchen, welche Tagesmutter oder Kita das Kind besuchen soll.

Wenn Sie die Möglichkeit haben, sich die u3-Betreuungsstätte auszuwählen, lohnt es sich, sich vorab Gedanken zu möglichen Auswahlkriterien zu machen. Dr. Adelheid Müller-Lissner rät, in erster Linie die folgenden drei Kriterien zu beachten:

  • Wie ist mein persönlicher Eindruck der Kita-Räume und der Erzieher bzw. der Tagesmutter? Ist es eine freundliche, warme Atmosphäre, die die Kleinen anspricht? Ist der Umgang vor Ort herzlich? Wirken die ErzieherInnen liebevoll und kompetent?
  • Während des Kennenlern-Gesprächs sollten Sie herausfinden: Wie soll die Eingewöhnung gestaltet werden – gibt es ein Konzept? Was für eine Rolle spielen die Eltern? Erscheint die Eingewöhnung systematisch und vor allem so, dass sie zum Wohl des Kindes gestaltet wird?
  • Welchen Eindruck haben Sie bezüglich der Kommunikation mit den Eltern: Sind beim Abholen kleine Übergabe-Gespräche geplant? Wie erfährt man, was die Kleinen machen und ob sie es mögen? Haben Sie das Gefühl, dass Transparenz gewollt ist und gefördert wird?

Wenn Sie bei diesen drei Kriterien einen positiven Eindruck der Krippe oder Tagesmutter gewonnen haben, ist das viel wert. Sicherlich gibt es noch weitere Punkte, die man näher betrachten könnte.

Zum Beispiel, ob es einen großen Garten gibt oder Natur in der Nähe. Allerdings sollten Sie im Zweifel eher darauf Wert legen, wie die fit die Erzieherinnen wirken.

Denn wenn die Betreuung sehr gut ist, spielt das eine größere Rolle als wenn die Kleinen schlechter betreut in einem schönen Garten einer Kita spielen.

Fühlt mein Kind sich in der Betreuung wohl?

Wenn ein Kind noch nicht spricht, ist es schwerer herauszufinden, ob sich das Kind wohl fühlt in der Kita – aber es nicht unmöglich. Es gibt einige Anzeichen, anhand derer sie erkennen, ob das Kind die Krippe oder die Tagesmutter gerne besucht.

Wenn Ihr Kind beim Abgeben weint, ist das – auch wenn die Eingewöhnung erfolgreich abgeschlossen ist – nicht ungewöhnlich. Nach einiger Zeit sollte es sich aber beruhigen und sich entspannen.

Sprechen Sie mit den Erzieherinnen ab, ob Sie zum Beispiel nach einer Stunde anrufen können, um sich selbst ein Bild zu machen, dass das Kind zufrieden ist.

Oder bitten Sie Mütter, die ihre Kinder später bringen, einen Blick auf ihr Kind zu werfen und zu berichten.

Wie reagiert das Kind beim Abholen? Ist es zufrieden oder weint es bitterlich und wirkt angespannt? Ein paar Tränen der Erleichterung dürfen durchaus sein, wenn Sie zurückkommen, aber Panik oder eine sehr große Erschöpfung (wie sie nach langem Weinen der Fall ist) sollte nicht sein. Zumindest nicht, wenn die ErzieherInnen nichts zum möglichen Grund sagen können.

Bestehen Sie auf ein kurzes Übergabegespräch mit einer Erzieherin und lassen Sie sich vom Tag berichten. Deckt es sich mit dem Eindruck, den Sie beim Abholen gewonnen haben?

Wenn Sie mit den ErzieherInnen in eine gute Kommunikationsebene finden, hilft das beiden Seiten und Sie können gemeinsam daran arbeiten, dass Ihr Kind in der Krippe eine gute Zeit hat und sich dort entspannt entwickeln und Freundschaften knüpfen kann.

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