Fellbach - Die FDP hat in ihrem Stammland Baden-Württemberg erstmals nach mehr als einem Jahrzehnt eine neue Führungsspitze.

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Neuer Chef des Landesverbands ist Hans-Ulrich Rülke, der bereits die Fraktion im Landtag anführt. Die Delegierten wählten den 63-Jährigen beim Parteitag in Fellbach mit 84,9 Prozent an die Spitze der Südwest-FDP. 10,8 Prozent der knapp 400 Delegierten stimmten gegen ihn, 4,3 Prozent enthielten sich. Einen Gegenkandidaten gab es nicht.

Rülkes Stellvertreter ist der Bundestagsabgeordnete Pascal Kober - er konnte 78 Prozent der Stimmen auf sich verbuchen. Kober hatte ebenfalls Interesse am Landesvorsitz angemeldet, allerdings konnte ein Machtkampf auf offener Bühne abgewendet werden. Ergebnis: Kober zog den Kürzeren, gab sich mit einem Stellvertreterposten im Vorstand zufrieden. Dritter Vorsitzender wurde der Bundestagsabgeordnete Benjamin Strasser. Er erhielt 82,5 Prozent der Stimmen.

Beinfreiheit für die Wahl

Partei- und Fraktionsspitze waren bei den Südwest-Liberalen viele Jahre getrennt. Mit der Übernahme beider Ämter will Rülke nach eigenen Worten Beinfreiheit für die Landtagswahl im Frühjahr 2026 gewinnen. Der langjährige FDP-Landesvorsitzende Michael Theurer hatte zuvor seine Ämter niedergelegt, weil er in den Vorstand der Deutschen Bundesbank gewechselt ist. Theurer stand seit 2013 an der Spitze der Landespartei.

Rülke, 63 Jahre alt, promovierter Germanist und früherer Gymnasiallehrer, wollte bereits 2013 FDP-Landesvorsitzender werden, unterlag damals aber in einer Kampfabstimmung gegen Theurer. Dann bildeten die beiden ein Jahrzehnt lang ein Team. Rülke selbst ist seit 2006 Landtagsabgeordneter und seit 1985 FDP-Mitglied.

Angriffe auf die Grünen

In der Fellbacher Schwabenlandhalle stimmten sich die Liberalen auf die anstehenden Wahlkämpfe in Bund und Land ein. Baden-Württemberg benötigt nach Worten von Rülke eine bürgerliche Bewegung in der Gesellschaft und ein Ende linksgrüner Ideologie. "Wir wollen, dass 2026 das Jahr wird, in dem Winfried Kretschmann in den wohlverdienten Ruhestand tritt und die Grünen in die wohlverdiente Opposition", sagte er. Die Grünen müssten aus der Landesregierung verschwinden. Zur Bildungspolitik Kretschmanns sagte Rülke etwa, die Pädagogik sei ein "Experimentierfeld grüner Ideologie".

Rülke sprach sich für Bürokratieabbau aus, für die Einhaltung der Schuldenbremse und einen kleineren Landtag. Er sucht im Südwesten schon seit längerem die Nähe zur CDU, will mit den Konservativen ab 2026 eine Regierung bilden. Die FDP muss allerdings nach dem Bruch der Berliner Ampel-Koalition nicht nur im Bund um den Wiedereinzug ins Parlament fürchten, sondern auch in Baden-Württemberg, das als Stammland der Liberalen gilt.

Kettensäge statt Nagelschere

"Einige Feinde der Freiheit, wie zum Beispiel ein führungsschwacher Bundeskanzler und ein inkompetenter Wirtschaftsminister, ja auch Teile der Medien," hätten die Frage gestellt, ob eine freie demokratische Partei, ob der organisierte Liberalismus in Deutschland noch eine Zukunft habe, sagte Rülke. Historische Aufgabe der FDP sei es, die Herrschaft der Staatsgläubigkeit zu verhindern.

Die 2010er Jahre seien ein Jahrzehnt linksgrüner Ideologie in Deutschland gewesen, kritisierte Rülke. Nun brauche es wieder eine bürgerliche Bewegung im Land. Leistung müsse sich wieder lohnen. Die nötigen Reformen könne man nicht mit der Nagelschere angehen, dafür brauche man die Kettensäge.

Die Kettensäge schreibt der Landesvorstand sogar in den Leitantrag des Parteitags. Darin fordern die Südwest-Liberalen eine Wirtschaftswende, für die sich auch Bundesparteichef Christian Lindner starkmacht. Man müsse mit der Kettensäge an die deutsche Bürokratie, hatte Landesgeneralsekretärin Judith Skudelny im Vorfeld gefordert. Die Kettensäge als Bild ist in aller Munde, seit sich der argentinische Radikalreformer Javier Milei damit öffentlichkeitswirksam in Szene setzte. Das Wort flog allerdings am Ende in Fellbach per Änderungsantrag eines Mitglieds wieder aus dem Antrag raus.

Traditionstreffen in der Oper

Nach dem Landesparteitag kommt die FDP am 6. Januar zu ihrem traditionellen Dreikönigstreffen in der Stuttgarter Oper zusammen. Seit mehr als 140 Jahren starten die Liberalen an dem Tag im Südwesten politisch in das neue Jahr. 1866 hatte sich ein Vorläufer der FDP, die Württembergische Volkspartei, in Stuttgart zur ersten "Dreikönigsparade" getroffen. Auch Bundeschef Lindner will am Montag in der Oper sprechen.  © Deutsche Presse-Agentur

Landesparteitag FDP Baden-Württemberg
Führungswechsel nach vielen Jahren: Hans-Ulrich Rülke ist neuer FDP-Chef in Baden-Württemberg. © dpa / Bernd Weißbrod/dpa
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