Jahrelang entgegnete die Deutsche Bahn (DB): Das geht nicht. Jetzt geht es aber doch – zumindest frühmorgens und spätabends.

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Der neue Fahrplan, der vom 15. Dezember an gilt, sieht deutlich mehr Fernzughalte am Bahnhof Berlin Zoologischer Garten vor als derzeit. Dadurch werden die City West und andere Bereiche besser an den ICE- und Intercity-Verkehr angebunden, wie dies seit fast 20 Jahren gefordert wird. Am Bahnhof Ostkreuz wird es nach dem Fahrplanwechsel ebenfalls mehr Fernzugstopps geben – wenigstens zeitweise. Nun werden Forderungen laut, die Zahl dauerhaft zu erhöhen.

Die Nachricht war in der Mitte der Pressemitteilung der Bahn zum Fahrplanwechsel versteckt. "Künftig halten vor 7 Uhr und nach 20 Uhr viele Fernverkehrszüge auf der Stadtbahn auch in Berlin Zoologischer Garten", konnte man dort lesen. "So können dort künftig am Tag rund 20 Fernverkehrshalte mit Direktverbindungen wie nach und von Nordrhein-Westfalen und der Schweiz realisiert werden." Doch das ist noch nicht alles.

Denn jetzt ist klar: Auf der künftigen Ankunfts- und Abfahrttafel des Bahnhofs Zoo werden sogar noch mehr Züge stehen. Der Hamburger Bahnexperte Marcus Grahnert, der seit Jahren die Fahrpläne beobachtet, hat sie aufgelistet. Seine Aufstellung enthält elf Fernverkehrszüge, die von dort in andere Städte fahren, und 17 Fernverkehrszüge, die aus anderen Städten am Hardenbergplatz in Charlottenburg eintreffen. Nicht alle verkehren täglich, manche nur an einzelnen Tagen und in bestimmten Zeiträumen.

Ein Blick auf den neuen Abfahrtsplan: Der ICE 101, der täglich nach Köln und Basel verkehrt, macht um 0.28 Uhr den Anfang. Montags bis sonnabends um 4.31 Uhr verlässt der ICE 646/656 nach Düsseldorf und Köln die Station. Gleich darauf, um 4.35 Uhr, folgt montags bis freitags der ICE 275 nach Frankfurt am Main und Interlaken in der Schweiz. Vom 7. Juni bis 8. August um 4.59 Uhr legt der IC 240 nach Amsterdam einen Stopp am Zoo ein. Um 5.35 Uhr hält ebenfalls täglich der ICE 946/956 nach Düsseldorf und Köln. Montags bis sonnabends hält der Sprinter-ICE 1158 nach Bonn um 5.40 Uhr.

Am späten Abend sieht der neue Fahrplan für den Bahnhof in der City West weitere Abfahrten im Fernverkehr vor. Den Auftakt macht um 20.36 Uhr der ICE 879 nach Kassel, der montags bis sonnabends verkehrt, berichtet Marcus Grahnert. Am Sonntag stoppt um diese Zeit stattdessen der ICE 1279 nach Braunschweig und Karlsruhe. Um 20.52 Uhr folgt der ICE 540, der bis 2. August täglich nach Oldenburg fährt. Der ICE 840 nach Köln hält täglich außer sonnabends um 21.31 Uhr. Zum Abschluss stoppt der neue ICE 271 auf seiner Reise nach Frankfurt am Main und Chur in Graubünden um 23.35 Uhr am Zoo.

Zurücktreten, bitte! Ein Intercity-Express (ICE) der Bahn durchfährt den Bahnhof Zoologischer ...
Zurücktreten, bitte! Ein Intercity-Express (ICE) der Bahn durchfährt den Bahnhof Zoologischer Garten in der City West ohne Stopp. Seit der Nacht zum 28. Mai 2006 ist der Zoo kein Systemhalt im DB-Fernverkehr mehr. © Stefan Ziese/imago

In der Gegenrichtung kann man ab Mitte Dezember ebenfalls wieder aus zahlreichen Städten direkt zum Bahnhof Zoo fahren – etwa aus Amsterdam, Köln, Zürich, München, Leipzig sowie Frankfurt am Main. Das erinnert an die großen Zeiten des Bahnhofs im Westen Berlins, der seit 1884 auch dem Fernverkehr diente und wegen das Verkehrsanstiegs von 1934 an ausgebaut wurde. So hielten dort 1938 rund 80 Fernzüge. Von dort konnte man ohne Umsteigen nach Riga, Bukarest, Istanbul, Breslau, Danzig oder Calais reisen. Seit 2006 ist der Zoo kein Systemhalt des Fernverkehrs mehr. Die Degradierung zugunsten des Hauptbahnhofs löste damals heftige Proteste aus.

Was viele Berliner noch nicht wissen: Auch am Bahnhof Ostkreuz, dem wichtigen Knotenpunkt an der Schnittstelle von Ring- und Stadtbahn im Osten der Stadt, halten Fernverkehrszüge. Dabei handelt es sich um die Eurocity-Züge EC 40 und EC 41, den österreichischen Railjet RJ 256, den ICE 1159 sowie um die Intercity-Züge IC 2431 und IC 2432, berichtet Marcus Grahnert. Das macht es möglich, etwa von Warschau, Norddeich Mole, Bremen, Graz, Wien, Bonn und Dresden ohne Umsteigen zum Ostkreuz zu reisen.

Im Berliner Hauptbahnhof hält ein Intercity-Express (ICE) auf Gleis 14. In diesem Bereich ist ...
Im Berliner Hauptbahnhof hält ein Intercity-Express (ICE) auf Gleis 14. In diesem Bereich ist der nutzbare Teil des Bahnsteigs gerade mal rund zwei Meter breit. © Peter Neumann/Berliner Zeitung

Bei diesem Fernverkehrsangebot werde es im neuen Fahrplanjahr bleiben, berichtete Bahnexperte Grahnert. Doch für eine Übergangszeit werde es 2025 zusätzliche Stopps geben. "Umleitungsbedingt halten die IC-Züge der Linie Dresden–Chemnitz–Warnemünde zwischen dem 18. Februar und 15. April am oberen Regionalbahnsteig des Ostkreuzes", so Grahnert. Grund seien Bauarbeiten zwischen dem Hauptbahnhof und dem Südkreuz. Weil die direkte Strecke zwischen Berlin und Rostock bis zum 7. März gesperrt ist, wird ein Teil dieser Intercity-Züge so lange über Schwerin geleitet.

Vom Ostkreuz nach Dresden soll die Reise in den weißen Zügen laut Plan nicht einmal zwei Stunden dauern: 113 Minuten. Nach Waren (Müritz) sind mit dem Intercity 93 Minuten einzuplanen, nach Warnemünde zwei Stunden und 38 Minuten.

Der Ostbahnhof in Friedrichshain: Er würde Verkehr verlieren, wenn noch mehr Fernzüge am ...
Der Ostbahnhof in Friedrichshain: Er würde Verkehr verlieren, wenn noch mehr Fernzüge am Ostkreuz halten.   © imago/Schöning

Damit bekommen viele Fahrgäste vor allem im Osten der Stadt weitere bequeme Fernverbindungen. Zwar lässt wie berichtet die seit langem versprochene Straßenbahnstrecke auf sich warten. Anwohner drohen mit Klage gegen das Projekt, die Tram unter dem Ringbahnviadukt halten zu lassen und Umsteigern 400 Meter Fußweg zu ersparen. Doch an die S-Bahn ist das Ostkreuz optimal angebunden. Auch viele Regionalzüge halten dort – etwa aus Kostrzyn (mehr als heute) und Frankfurt (Oder).

Was läge näher, als noch mehr Fernzüge dort halten zu lassen? Das wird nun diskutiert. "Ich begrüße zusätzliche Fernzughalte am Zoologischen Garten und am Ostkreuz", sagte der Friedrichshainer SPD-Abgeordnete Sven Heinemann. "Nur so funktioniert die Stadt der kurzen Wege gut. Das Ostkreuz ist als Bahnknoten auf jeden Fall immer zu bevorzugen im Vergleich zum Ostbahnhof" – der Fernverkehr verloren hat.

Auch Marcus Grahnert spricht sich dafür aus, das Ostkreuz aufzuwerten. "Die Intensivierung von Fernzughalten am Ostkreuz wäre vor allem für Menschen entlang der dicht besiedelten östlichen Ringbahn attraktiv, da ein zusätzlicher Umstieg in die S-Bahn zum Ostbahnhof entfallen würde", lautet seine Einschätzung. "Für ICE mit über 200 Meter Länge müssten am Ostkreuz ausreichende Bahnsteigkapazitäten geschaffen werden" – das sieht auch Sven Heinemann so. "Aber langfristig könnte das Ostkreuz dem Ostbahnhof den Rang ablaufen", erwartet der Hamburger Bahnexperte.

"Im Grundsatz würde ich mich über jede Stärkung des Bahnhofes Ostkreuz freuen, weil er gut erreichbar ist und ein Leuchtturm für die Anbindung des Berliner Ostens ist", sagte der CDU-Abgeordnete Danny Freymark, dessen Wahlbezirk Lichtenberg angrenzt. Allerdings sei die Infrastruktur im benachbarten Ostbahnhof besser ausgebaut. Dort gebe es zudem viele Gewerbetreibende – deren Interessen man im Blick haben sollte.

Auch der Linken-Verkehrspolitiker Kristian Ronneburg bewertet Wünsche für mehr Fernverkehr am Ostkreuz zwiespältig. "Aus Sicht des Verkehrsaufkommens wäre das auf jeden Fall sinnvoll. Wenn es fahrplantechnisch und von der Zuglänge möglich ist, sollten Fernzüge am Ostkreuz halten. Aber dann regelmäßig alle Züge einer Linie", so der Abgeordnete. Allerdings sind die Bahnsteige nur 210 Meter lang, Fernzüge aber oftmals länger. Zudem dauere das Ein- und Aussteigen meist länger als bei Regionalzügen. Worauf auch Hans Leister, einst DB-Manager und jetzt beim Fahrgastverband Pro Bahn, hinweist: Er befürchtet "viel zu lange Bahnsteigaufenthaltszeiten" am Ostkreuz.

Schon in der Vergangenheit gab es immer wieder Ideen, in diesem Teil der Stadt einen Fernbahnhof zu schaffen. In dem Buch "Mythos Ostkreuz", das er mit Burkhard Wollny verfasst hat, weist Sven Heinemann auf ein Konzept aus der Nazi-Zeit hin. Zu den Plänen für die "Reichshauptstadt Germania", die Albert Speer für Adolf Hitler erarbeitete, gehörte 1937 auch eine Fernbahnstation neben dem Ostkreuz. Der "Flügelbahnhof Ost" sollte neun Fernbahnsteige und fünf S-Bahnsteige bekommen.

Marcus Grahnert sieht auch für den Bahnhof Zoo noch Potenzial. Er verweist auf die angekündigten Verbesserungen zum Fahrplanwechsel am dritten Advent 2024. "Grundsätzlich ist damit belegt, dass die vorhandenen Kapazitäten auf der Stadtbahn Fernzughalte am Bahnhof Zoo ermöglichen. Ganztägige Halte und damit ein Taktsystem würden die Attraktivität für Fahrgäste aus westlichen Bezirken weiter steigern", so der Bahnexperte zur Berliner Zeitung.

Wie die Grünen-Verkehrspolitiker Stefan Gelbhaar und Matthias Gastel setzt sich auch Michael Cramer, der lange im EU-Parlament Abgeordneter war, für mehr Fernzughalte am Zoo ein. "Der neue Fahrplan zeigt, dass das möglich ist – nachdem uns die Bahn jahrelang erzählte, das ginge nicht", so Cramer zur Berliner Zeitung. Doch künftig sollten nicht nur frühmorgens und spätabends ICE- und Intercity-Züge halten.

Doch die Bahn machte deutlich, dass sie von ihrer grundsätzlichen Argumentation nicht abweicht. Tagsüber reiche die Kapazität auf der überlasteten Stadtbahn nicht aus, um Züge, die den Abschnitt eigentlich schnell verlassen sollten, zusätzlich stoppen zu lassen. "Wenn alle ICE- und Intercity-Züge am Zoo hielten, würde das die Strecke verstopfen. Dann wäre viel weniger Regionalverkehr auf der Stadtbahn möglich", sagte Ingulf Leuschel, einst Berliner DB-Konzernbevollmächtigter, im Sommer.

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Frühmorgens und spätabends gebe es noch Lücken, bekräftigte das Unternehmen. "Wir sehen am Bahnhof Berlin Zoologischer Garten nur in Tagesrandlagen zusätzliche ICE-Halte vor, weil dann die Auslastung der Stadtbahn durch andere Verkehre geringer ist", bekräftigte ein Bahnsprecher. "Am Bahnhof Ostkreuz werden weiterhin vereinzelt Fernzüge halten." Einzelne Züge – mehr nicht.  © Berliner Zeitung

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