Für viele ist es verwirrend, wenn bei strahlendem Sonnenschein quasi die Welt untergeht. So wie jetzt beim großen Sommerhochwasser 2024.

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In Berlin-Brandenburg herrscht inzwischen wieder bestes Hochsommerwetter, die Thermometer zeigen 25 Grad – und genau mit der Rückkehr des Sommers kommen die Flutwellen aus dem Süden und dem Osten immer näher.Derzeit laufen in Brandenburg die Vorbereitungen auf Hochtouren. Am Dienstag sind die Flüsse Lausitzer Neiße, Elbe und Spree über die Ufer getreten. Die Hochwasser-Alarmstufe 1 wurde am Pegel Spremberg und Klein Bademeusel für die Spree ausgerufen sowie für Mühlberg an der Elbe.

Nach Angaben des Landesamtes für Umwelt (LfU) wird die erste Alarmstufe an der Oder wohl am Mittwoch folgen. Betroffen sein wird zuerst das Gebiet bei Ratzdorf. Dort kommt die Oder aus dem polnischen Hinterland, wird zum Grenzfluss mit Deutschland und fließt Richtung Norden zur Ostsee. Außerdem mündet bei Ratzdorf die Neiße in die Oder.

Im weiteren Verlauf werden Eisenhüttenstadt und Frankfurt (Oder) betroffen sein. "Die Wasserstände steigen stark an, sodass am Sonntag etwa am Pegel Ratzdorf mit der höchsten Alarmstufe 4 gerechnet wird", heißt es vom LUA. Bei dieser Stufe könnten große Gebäude überschwemmt werden.

Es ist die gleiche Situation wie bei den anderen großen Sommerhochwassern in Brandenburg 1997 und 2002. Die Helfer waren im Dauereinsatz, schippten die Sandsäcke voll und vom Himmel brannte die Sonne.

Das ist das besondere bei Sommerhochwassern. Sie entstehen nur selten durch Regen vor Ort, sondern entstehen weit entfernt. Sommerhochwasser sind recht selten. Häufiger sind Frühlingshochwasser, bei denen die Schneemassen in den Gebirgen schmelzen, dann erst die Bäche füllen und über die Ufer treten lassen, die dann wiederum in Flüsse fließen und für reißende Hochwasser sorgen.

Sommerhochwasser kommen etwas überraschender, sind aber auch vorhersagbar. Dieses Mal begann es am vergangenen Donnerstag, als die Meteorologen in den Wetterberichten im Fernsehen von einer "Vb-Wetterlage" (gesprochen: Fünf-b) sprachen.

Wenn davon die Rede ist, gehen bei Hochwasserexperten die Alarmglocken an, denn diese spezielle Wetterlage kann für Sommerfluten sorgen wie für die Oderflut 1997 oder 2002 für das Elbehochwasser, 2013 für die Fluten an der Donau und anderen Flüssen in Mitteleuropa mit 20 Toten. Auch die Flutkatastrophe im Ahrtal 2021 geht auf diese Wetterlage zurück. Sie alle wurden als Jahrhunderthochwasser eingestuft, weil keine Flut in den vergangenen hundert Jahren größer war.

Oderflut 1997: Soldaten und Taucher verstärken mit Sandsäcken einen Deich an der Oder bei ...
Oderflut 1997: Soldaten und Taucher verstärken mit Sandsäcken einen Deich an der Oder bei Hohenwutzen. © Eckehard Schulz/dpa

"Diese Wetterlagen entstehen meist in den Übergangszeiten, also im Frühling und Richtung Herbst", sagt Meteorologe Jürgen Schmidt vom Wetterdienst Wetterkontor. Dieses Mal begann es am Donnerstag mit dem Tief "Anett" über Oberitalien. Größtenteils kommt kalte Luft aus nördlichen Breiten über Mitteleuropa und drückt ins Mittelmeer hinein. Wenn die kalten und warmen Luftmassen aufeinandertreffen, entsteht ein Tiefdruckgebiet, das sich dreht und immer neue warme Luft ansaugt. Das Problem: Die warme Luft über dem Mittelmeer ist sehr feucht, es bilden sich riesige Wolken.

Das Tief über dem Mittelmeer wird dann Richtung Norden getrieben, zieht Richtung Ostalpen und dann Richtung Polen und Tschechien. Dort sind die Quellgebiete für die Oder und die Elbe. "Erschwerend kam hinzu, dass kalte Luft und Wind die vollen Wolken gegen die Gebirge gedrückt hat", sagte Schmidt. Und so regnete es heftig und die Flüsse liefen über.

In einigen Regionen fielen etwa 400 Liter Regen innerhalb kurzer Zeit. Zum Vergleich: In Berlin liegt der Durchschnittswert bei etwa 570 Liter – allerdings pro Jahr.

Die Fachleute sehen die zunehmende Häufigkeit solcher Starkregen-Ereignisse als Folge des Klimawandels an. Denn je wärmer die Luft ist, die von den Winden vom Mittelmeer in den Norden getrieben wird, umso mehr Wasser kann sie aufnehmen. Und die Lufttemperaturen erreichten zuletzt immer wieder Spitzenwerte. Aber auch die Wassertemperaturen.

"In Teilen des Mittelmeeres wurden am Montag noch 30 Grad Wassertemperatur gemessen", sagt Jürgen Schmidt von Wetterkontor. Insgesamt liegt der Mittelwert für das gesamte Meer derzeit bei 26 Grad. "Das ist ein Grad höher als im dreißigjährigen Mittel."

Fachleute gehen davon aus, wenn dort nur ein Grad mehr gemessen wird, verursacht die zusätzliche Verdunstung sieben Prozent mehr Regenfälle. Und das Mittelmeer wird immer öfter zur dauerwarmen Badewanne. Üblicherweise ist das Oberflächenwasser 24 bis 25 Grad warm. Doch in diesem August wurde für das gesamte Meer ein Wert von 28,9 Grad gemessen, das teilte das Institut für Meereswissenschaften (ICM) in Barcelona mit. Der Rekord davor mit 28,7 Grad stammt vom Juli 2023. Der Höchstwert davor mit 28,25 Grad ist bereits zwanzig Jahre alt.

Dieses Meer ist nun mal auch eine gigantische Verdunstungsfläche: Je höher die Temperatur im Wasser und je heißer die Luft über dem Meer, umso mehr Wasser verdunstet und bildet riesige Wolken. Und wenn dann kalte und warme Luft aufeinandertreffen und für eine Vb-Wetterlage sorgen, werden die gigantischen Regenwolkenmassen von Oberitalien Richtung Norden geschickt.

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Und so sorgten die Rekorde bei den Wassertemperaturen im Mittelmeer in den Sommern 2023 und 2024 anschließend für die Sommerhochwasser 2023 in Slowenien und Österreich und 2024 in Polen und Tschechien.  © Berliner Zeitung

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