Berlin - Bis vor zwei Jahren ging Sophie Dimitriou noch jeden Tag Tischtennisspielen. Sie hatte einen Vollzeitjob, ein aktives Freizeitleben, ging gerne tanzen.
Dann bekam sie Corona und konnte plötzlich fast gar nichts mehr. "Ich habe mich noch nie so gefühlt. Es fühlte sich an, wie der schlimmste Jetlag, den es gibt", erzählt sie im Gespräch mit der Deutschen Presse-Agentur. Sie fühlte sich extrem erschöpft und schwach, wie benebelt, konnte sich nicht mehr konzentrieren und verlor schließlich ihren Job als Grafikdesignerin. Diagnose: Long Covid.
Von Long Covid spricht man, wenn die Beschwerden auch vier Wochen nach einer akuten Corona-Infektion fortbestehen. Zu den häufigsten Beschwerden zählt eine starke, anhaltende Schwäche und Erschöpfung, die auch als Fatigue bezeichnet wird. Weitere Symptome sind unter anderem Lungen- und Atembeschwerden, Kopfschmerzen, Konzentrationsschwierigkeiten und Gedächtnisprobleme. Eine der schwersten Langzeitfolgen von Long Covid ist ME/CFS (Myalgische Enzephalomyelitis/Chronisches Fatigue-Syndrom), eine schwere neuroimmunologische Erkrankung, die oft zu einem hohen Grad an körperlicher Behinderung führt.
Viele können das Bett kaum verlassen
Wie viele Menschen genau an Long Covid leiden, ist schwer zu sagen. Experten gehen bundesweit von mindestens Hunderttausend aus.
Sicher ist: Es sind viele. Viele, die so schwer krank sind, dass sie noch nicht einmal ihr Bett verlassen können. Mit dem internationalen Long Covid Awareness Day, der heute stattfindet, kämpfen Betroffene für mehr Sichtbarkeit und Aufklärung. Bundesweit waren Aktionen geplant. In Berlin veranstaltete das Kollektiv Berlin Buyers Club - gegründet von Dimitriou - im Mauerpark eine Kundgebung.
Nach Angaben des Selbsthilfeverbandes Fatigatio sollten auch in Bremen, Mainz, Düsseldorf und Schwerin Aktionen stattfinden. Der Verband forderte in einer Mitteilung zum Long Covid Awareness Day mehr spezialisierte Anlaufstellen für Betroffene, effektive Behandlungsstrategien, biomedizinische Forschung und ausreichend soziale Absicherung. Nötig seien zudem Aufklärung auf allen Ebenen und eine entsprechende Kampagne des Bundesgesundheitsministeriums, um Fehldiagnosen, Fehlbehandlungen und Stigmatisierung zu vermeiden.
Einfache Aktivitäten führen zur Erschöpfung
Es sei nicht leicht, Leute zu mobilisieren, sagt Dimitriou. "Es gibt so viele, die kommen möchten, aber es nicht können." Ihr selbst gehe es inzwischen besser als zu Beginn der Erkrankung. Ihre Wohnung verlässt sie aber nach wie vor nur in Ausnahmesituationen. Vergangene Woche wollte sie nach zwei Jahren endlich wieder zum Friseur. Das rächte sich sofort. "Ich war völlig erledigt, als ich nach Hause kam." Einen im Anschluss geplanten Termin musste sie absagen.
Nach jeglicher Aktivität, die einem normalen Leben auch nur im Ansatz näherkomme, verschlechtere sich ihr Gesundheitszustand. "Ich möchte einfach nur die Chance haben, ein Leben zu führen", sagt Dimitriou unter Tränen. Den Aktionstag möchte sie auch nutzen, um zu zeigen: "Wir sind nicht tot. Wir existieren noch." © Deutsche Presse-Agentur