Mit BAP auf Zeitreise: Mit "Zeitreise 81/82" kehren BAP in jene Jahre zurück, als plötzlich die ganze Republik kölsche Lieder sang.
Verdamp lang her, dass die Oberstufe eines Gymnasiums östlich von Frankfurt nahezu geschlossen in eine Mehrzweckhalle marschierte, um einer Kölner Band zuzujubeln, die in einer eigenartigen Sprache sang. Es war zwar die Hochzeit der sogenannten Dialektrock-Bands, doch worüber der schlaksige Mann am Mikrofon da so viele Worte verlor, dürfte keiner der Schüler recht verstanden haben, wenn er nicht gerade familiäre Wurzeln im Rheinland hatte. Doch selbst wenn man "voor sujet ratlos stund", erfasste man doch instinktiv, dass dieser Mann nicht nur Belanglosigkeiten von sich zu geben hatte, und stimmte deshalb zumindest lautmalerisch in den vielstimmigen Chor zu Liedern mit Titeln wie "Südstadt, verzäll nix", "Wenn et Bedde sich lohne däät" oder "Ne schöne Jrooß" ein.
Dieses Konzert ist nun zwar wirklich verdamp lang her, doch wenn die Erinnerung daran nicht schwerfällt, man stumm im Kopf die Zeilen "hück kütt mer vüür, als wenn et jestern wöör" summt, dann vor allem deshalb, weil
Nahbar und aufrichtig
Wolfgang Niedecken erinnert sich im Gespräch in einem Kölner Café denn auch an einen verrückten Sommer 1982, als BAP gerade ihre erste professionell organisierte Deutschlandtour beendet hatten, dann im Vorprogramm der Rolling Stones spielten und vor allem mit einigen Fernsehauftritten plötzlich ganz vielen Musikfans präsent waren. "Wir traten bei Rockpop in Concert beim ZDF auf und dann als erste deutsche Band beim WDR-Rockpalast-Festival auf der Loreley. Das schaute damals ja wirklich jeder. Diese Sendungen und der Auftritt im Müngersdorfer Stadion vor den Stones waren der Dreisprung. Danach waren wir in aller Munde."
Und überall gefragt. Von Oktober 1982 bis Oktober 1983 spielt die Gruppe, die wenige Jahre vorher von "blutigen Amateuren, wir waren ja Stümper", wie Niedecken sagt, aus Spaß an der Freud gegründet worden war, gut 130 Konzerte in ganz Deutschland, Österreich, der Schweiz und sogar in den Beneluxstaaten und gelangt so in eine Liga, in der sonst nur internationale Stars zu Hause sind. Doch weil die Band weiter mitunter drei bis vier Stunden lange Konzerte gibt, sich nicht nur in ihren Texten politisch engagiert, auf Friedensdemonstrationen und Benefizkonzerten auftritt, bleibt sie nahbar und wirkt aufrichtig, ein Eindruck, den Niedecken bis heute vermittelt.
Keine reinen Nostalgieveranstaltungen
Der mittlerweile 73 Jahre alte Sänger, Autor und Maler, vielfach geehrte Institution der deutschen Rockmusikgeschichte, ist das letzte verbliebene Gründungsmitglied der Band, die seit einigen Jahren unter dem Namen Niedeckens BAP auftritt und mit wechselnden Musikern auch weiterhin Alben mit neuen Songs veröffentlicht, die durchaus noch ein größeres Publikum finden. Diese neuen Lieder werden zudem Teil des Live-Repertoires, das bei Niedecken nie nur aus Klassikern besteht, sondern auch immer mal wieder etwas in Vergessenheit geratene Songs bietet. "Die Musiker sollen sich nicht langweilen, weil wir immer nur das Gleiche spielen, die Fans freuen sich, weil sie lange nicht gehörte Stücke geboten bekommen, und ich kann ausprobieren, wie mancher alte Song heute funktioniert. Einige sorgen ja immer noch für Gänsehaut, weshalb da dann auch die Idee reifte, ein Programm nur mit den alten Sachen zu spielen", sagt Niedecken, der in seiner aktuellen Band mit seiner Idee auf große Zustimmung stieß, obwohl die Lieder teils älter als die Musiker selbst sind. "Unser Schlagzeuger schickte mir in einer ersten Reaktion auf den Vorschlag nur ein J und drei A’s mit einem Ausrufezeichen", freut sich der Sänger über den Rückhalt. Die Spielregeln seien denn auch einfach gewesen: alle Songs von den beiden Alben "Für uszeschnigge!" und "Von drinne noh drusse", dazu Ausgewähltes vom 1980 erschienenen Album "Affjetaut" sowie drei Songs, die seinerzeit zum ersten Mal auf dem 1983 erschienenen Live-Album "Bess demnähx" veröffentlicht worden waren.
Diese Auswahl ist der Soundtrack zu Kindheit oder Jugend vieler Menschen in Deutschland, und doch sind es keine reinen Nostalgieveranstaltungen, als BAP im Dezember an vier ausverkauften Abenden in den Sartory-Sälen in Köln erstmals die "Zeitreise 81/82" vor Publikum präsentieren. Die umjubelten Abende, die auf dem im vergangenen Frühjahr veröffentlichten Live-Album "Zeitreise/Live im Sartory" dokumentiert sind, zeigen nicht nur, dass viele der an Bob Dylan, den Rolling Stones, den Kinks und Bruce Springsteen geschulten BAP-Songs durchaus in Würde gealtert sind. In manchmal beängstigender Weise sind auch Niedeckens Texte aktuell geblieben, wenn er wie schon 1982 vor der "Kristallnaach" warnt oder in "Zehnter Juni" auf die Kriegstreiber schimpft. Und selbst wenn die Oberstufenschüler von einst längst ganz andere Musik hören, murmeln sie hier doch noch immer überzeugt die kölschen Lieder mit.
BAP spielen "Zeitreise 81/82" am 28. November in der Jahrhunderthalle Frankfurt, am 29. Juni 2025 auf der Zitadelle in Mainz und am 15. August 2025 im Amphitheater in Hanau. © Frankfurter Allgemeine Zeitung
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