Sparkassen-Chef im Interview: Zwei Banken, ein Standort: Die ungewöhnliche Partnerschaft zwischen Taunus-Sparkasse und Frankfurter Volksbank zeigt, dass Filialen auch in der digitalen Welt relevant bleiben.

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Herr Klink, vor fünf Jahren haben Taunus-Sparkasse und die Frankfurter Volksbank Rhein/Main den gemeinsamen Betrieb von Filialen unter dem Namen Finanzpunkt begonnen. Wie bewerten Sie diese Idee rückblickend?

Mit einem zufriedenen Lächeln. Schließlich waren viele Beobachter vor fünf Jahren sehr skeptisch, ob die Idee, dass zwei Banken gemeinsam Filialen betreiben, funktionieren kann. Heute wissen wir: Es hat funktioniert, und zwar sehr gut. Dass wir uns Standorte mit einer anderen Bank teilen, bedeutet ja zunächst, dass wir seltener da sind. Trotzdem haben wir an diesen Standorten unsere Marktanteile erhöht. Das allein ist schon erstaunlich. Wir haben aber auch 40 Prozent unserer Kosten gesenkt. Gleichzeitig steigt die Zufriedenheit von Mitarbeitern. Denn in unseren Finanzpunkten herrscht reger Kundenverkehr. Kein Mitarbeiter will an fünf Tagen Standorte betreiben, für die auch zwei Tage reichen.

Wenn das Konzept so gut funktioniert, warum wurde es nicht kopiert?

Da fragen Sie eigentlich den Falschen. Für viele Banken ist das Konzept offenbar ein Tabu, und es war auch für uns vor fünf Jahren ein gewisses Risiko. Nimmt der Kunde das an? Gewöhnt er sich an die Öffnungszeiten? Es gab warnende Stimmen, wir würden damit unsere Marken verwässern. Alles Quatsch.

Wir haben mit der Frankfurter Volksbank Rhein/Main einen Partner gefunden, mit dem uns eine lange, vertrauensvolle Koexistenz verbindet. Und mit dem wir uns einig waren, dass es besser sein könnte, gewisse Standorte am Leben zu halten, anstatt sie zu schließen, dass Ersteres aber nur gemeinsam auch betriebswirtschaftlich sinnvoll ist. Einfacher wäre es vermutlich gewesen, die Standorte einfach dichtzumachen. Dieser reinen Kostenlogik wollten wir aber nicht folgen.

Die Menge der Bankstandorte sinkt seit Jahren rapide. Brauchen wir künftig noch Bankfilialen?

Ganz sicher. Natürlich lässt sich heute vieles digital abdecken. Aber wir sehen, dass Bankberatung über Video immer nur eine Beimischung ist zur ganz klassischen Beratung in unseren Standorten vor Ort. Die Menschen in Deutschland wollen in Finanzfragen jemandem gegenübersitzen, das hat viel mit Vertrauen zu tun. Dieses Pfund wollen und müssen wir Sparkassen weiter ausspielen, auch im Wettbewerb zu Neobanken.

Unsere Kunden wollen Experten treffen und sicher sein, dass diese Berater auch morgen noch für sie da sind. Niemand wacht morgens auf und denkt sich, wie toll es doch wäre, mal wieder zur Sparkasse zu gehen. Aber wir versuchen, mit unseren Standorten in Ortszentren zu sein, sie offen zu gestalten und so auch Anreize zu bieten, hierher zu kommen. Nicht zuletzt deshalb haben wir in den vergangenen Jahren massiv in unsere Filialen investiert.

Sie bleiben Fan der Bankfiliale, obwohl die Digitalisierung viele Wege zur Bank unnötig macht?

Nicht ich bin Fan der Filiale, die Kunden sind es, das ist das Entscheidende. Kennen Sie den "Egal"-Faktor? Wenn Sie als Bankkunde in irgendeinem Kundencenter anrufen, wo auch immer das ist, dann treffen Sie auf Berater, die Sie mit hoher Wahrscheinlichkeit niemals physisch treffen werden. Da sind gewisse Probleme am Ende einfach egal. Das wird Ihnen in einer Filiale nicht passieren.

Natürlich gibt es Abläufe, die sich standardisieren lassen, niemand muss mehr wegen einer Überweisung in eine Filiale kommen. Aber die Menschen wollen und brauchen in Geldfragen weiterhin Beratung, und zwar idealerweise in gewachsenen Beziehungen.

Wenn Sie einen Defekt am Auto haben, kriegen Sie über das Callcenter einer Autowerkstatt vielleicht einen Termin in sechs Wochen, und schon können Sie den geplanten Skiurlaub womöglich vergessen. Wenn Sie damit aber zum Händler Ihres Vertrauens gehen, wird der Sie wahrscheinlich noch irgendwo dazwischenschieben.

Wie hoch ist der Anteil der Tätigkeiten in Filialen, die man auch online erledigen könnte?

Hoch. Wir sind im Moment immer noch im "Sowohl-als-auch"-Modus. Sprich: Man kann schon vieles digital erledigen, die Kunden wollen oder können es aber noch nicht und kommen daher in die Filialen. Solange das so ist, müssen und wollen wir die Standortdichte in der heutigen Form auch aufrechterhalten.

Meiner Meinung nach ist es also eine Illusion, dass wir nur noch beraten und auf Service verzichten. Wir brauchen beides. Und für uns sind Filialen immer noch ein Kern-Asset, das wir als Sparkassen auf keinen Fall desavouieren sollten. Wir dürfen nicht apodiktisch dem folgen, was auf den ersten Blick gewinnmaximierend erscheint.

Wie viele Kunden verlieren Sie denn, wenn Sie Filialen schließen?

Ich habe die letzte Filiale vor zehn Jahren geschlossen, in Niedernhausen, außerhalb unseres Kerngeschäftsgebietes, und direkt gegenüber war eine andere Sparkassenfiliale. Wir schließen also keine Filialen mehr. Wir haben in Neuenhain sogar eine eröffnet, die schon mal geschlossen war – und somit einen Fehler korrigiert.

Aber Standorte verändern sich. Sie selbst haben mit den Dialoginseln ein Format erschaffen, wo Kunden in Filialen digital mit Mitarbeitern an anderen Standorten reden können. Was soll das bringen?

Die Kundenfrequenz in Filialen ist nicht immer gleich. Wir haben immer Phasen, in denen in der einen Filiale nur wenige Kunden sind, während gleichzeitig in anderen Standorten sehr viele Kunden sind. Das auszugleichen war schon immer eine Herausforderung. Die Dialoginseln ermöglichen uns, Mitarbeiter aus einer zentralen Einheit in die Filiale zu beamen, wo sie gerade am dringendsten gebraucht werden.

Auf Knopfdruck wird eine Videoverbindung zwischen dem Kunden in der Filiale und einem unserer zwölf Videoberater in unserem Kundencenter in Bad Homburg hergestellt. Dann können Serviceanliegen rund um Onlinebanking, Kartengeschäfte und mehr abgewickelt werden. Schon jetzt steht in fast jeder unserer Filialen eine Dialoginsel. Dank Künstlicher Intelligenz können Anliegen in 25 Sprachen geklärt werden. Wir können also mit weniger Leuten mehr Leistungen in den Filialen anbieten. Und ganz am Rande sind dadurch auch die Standorte belebt.

Wo hat die Digitalisierung Grenzen?

Möchte ich als Bankkunde eine Baufinanzierung bei einer KI abschließen? Nein. Ließe sich dieser Prozess durch eine KI vorbereiten? Ja. Ich glaube, wichtige Bankgeschäfte werden noch sehr lange von Menschen abgewickelt, weil sie zum einen sehr individuell sind und zum Zweiten Vertrauen bedürfen. Das kann der Computer nicht bieten.

Wären gemeinsame Standorte mit Bäckereien oder Cafés denkbar, um Bankfilialen zu beleben?

Ich glaube aus tiefster Seele an den Spruch: "Schuster, bleib bei deinem Leisten." Wir haben uns an manchen Standorten im Zuge des Umbaus verkleinert und etwa in Hattersheim auf der frei gewordenen Fläche stattdessen eine Bäckerei eröffnet. An anderer Stelle hat ein Co-Working-Anbieter Flächen übernommen. Aber den Betrieb überlassen wir dann schon den Profis. Und wir wollen auch keine fremden Kunden durch unsere Filiale laufen lassen. Ich kenne kein funktionierendes Ko-Nutzungskonzept, an dem eine Bank beteiligt ist.

Schauen wir in die Zukunft, die Digitalisierung schreitet voran, und die jüngeren Leute wachsen damit auf. Bedeutet das, dass Filialen künftig noch weniger gebraucht werden?

Nein. Im Übrigen sehen wir nicht, dass jüngere Leute die digitalen Formate viel stärker nutzen würden als die älteren. Dieses Problem haben wir nicht. Wir haben heute zehn Prozent mehr Kunden in den Filialen als vor fünf Jahren. Aber wir haben uns durch den Umbau der Filialen und durch neue Angebote wie die digitale Dialoginsel die Freiheit geschaffen, unsere Filialen schnell anzupassen, Flächen rauszunehmen und anderweitig zu vermieten. Das eröffnet uns viele Freiheiten.

Brauchen Sie funktionierende Innenstädte, damit Ihre Filialen funktionieren?

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Nur dort, wo Geld ausgegeben wird, braucht es Banken. Aber leider endet der Horizont vieler Einzelhändler inzwischen an der eigenen Ladentür. Wir brauchen wieder Unternehmer, die Verantwortung für das Funktionieren einer gesamten Innenstadt übernehmen. In Innenstädte, die nur noch Ein-Euro-Läden haben, kommt irgendwann niemand mehr. Wenn es uns gelingt, die Innenstädte als attraktive Anziehungspunkte für Bürger zu etablieren, werden auch immer Sparkassen dort ihren Platz finden.

Oliver Klink

Oliver Klink ist seit dem 1. Juli 2012 Vorstandsvorsitzender der Taunus-Sparkasse mit Sitz in Bad Homburg. Klink, der eine Ausbildung zum Bankkaufmann bei der Deutschen Bank in Düsseldorf absolvierte und bei dem Unternehmen sowie später auch für die Dresdner und die Commerzbank tätig war, ist zudem Mitglied im Verwaltungsrat der Landesbank Hessen-Thüringen. Im Geschäftsjahr 2023 erwirtschaftete die Taunus-Sparkasse ein operatives Ergebnis in Höhe von 85,9 Millionen Euro, die Bilanzsumme liegt bei 7,3 Milliarden Euro.Vor fünf Jahren wurden die ersten beiden Finanzpunkte der Taunus-Sparkasse und der Frankfurter Volksbank Rhein/Main in Bad Soden-Neuenhain und in Weilrod eröffnet. Heute umfasst das gemeinsame Netzwerk 26 Standorte, davon 17 mit persönlicher Beratung und neun SB-Filialen. Das Finanzpunkt-Konzept wurde entwickelt, um auf Veränderungen in der Bankenlandschaft zu reagieren und gleichzeitig die regionale Präsenz zu stärken. Nach Angaben der beiden Institute haben sich die Finanzpunkte am Markt etabliert und verzeichnen bis heute eine stabile Nachfrage.  © Frankfurter Allgemeine Zeitung

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