Überforderte Kommunen: Hohe Sozialkosten, die durch Gesetze ausgelöst werden, überfordern Städte wie Offenbach. Kommunen fordern von Bund und Land, die Kosten zu tragen.

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Allein für Leistungen in der Kinder- und Jugendhilfe hat Offenbach 2024 im Vergleich zum Jahr davor zwölf Millionen Euro mehr aufbringen müssen. Vor allem diese und weitere stark gestiegene Sozialkosten haben dazu geführt, dass das prognostizierte Defizit in Offenbach um 9,4 Millionen auf bis zu 47,6 Millionen Euro emporschnellte. Da zugleich die Steuereinnahmen geringer ausgefallen sind als geplant, ist ein Nachtragshaushalt unausweichlich gewesen.

Dass sich die finanzielle Lage von Offenbach und anderen Kommunen in Hessen und darüber hinaus krisenhaft zuspitzt, ist vor allem Ausgaben geschuldet, die Bund und Länder den Kommunen per Gesetz auferlegen. Aus diesem Grund haben der Offenbacher Kämmerer Martin Wilhelm (SPD) und Vertreter des Bündnisses "Für die Würde unserer Städte", in dem 71 Kommunen aus acht Bundesländern kooperieren, nun im SPD-geführten hessischen Wirtschaftsministerium ihre Forderungen vorgetragen.

Grundsätzlich verlangen die Kommunen eine Finanzausstattung, die es ihnen ermöglicht, die "geradezu explodierenden" Sozialausgaben der Städte und Gemeinden wie die erwähnten "Hilfen zur Erziehung" und die Eingliederungshilfe zu bewältigen, ohne auf Kassenkredite zurückgreifen zu müssen, um die Pflichtaufgaben zu erfüllen. Die Kassenkredite entsprechen den heiklen, weil besonders teuren Dispositionskrediten eines privaten Girokontos.

Wachsende Städte mit jungen Einwohnern sollen besonders berücksichtigt werden

Das Land Hessen hat zwar schon vor Jahren mit der Hessenkasse ein Entschuldungsprogramm für die Kommunen aufgelegt, die solche Kassenkredite notgedrungen zu einer Dauerfinanzierungsquelle für Haushaltsdefizite machten, anstatt mit regulären Investitionskrediten materielle Vermögenswerte wie etwa Schulbauten und neue Straßen zu finanzieren. Auch Offenbach hat 2018 dieses Angebot in Anspruch genommen. Eine dauerhaft hinreichende Finanzausstattung der Kommunen folgte daraus aber nicht.

Wilhelm und andere Vertreter des Städte-Bündnisses fordern daher von Bund und Land, die Finanzierung der Sozialausgaben gemäß dem Grundsatz "wer bestellt, bezahlt" sicherzustellen. "Mir ist es ein dringliches Anliegen, dass die Städte und Gemeinden für die Aufgaben, die sie von Bund und Land erhalten, auch entsprechend finanziell ausgestattet werden", sagt Wilhelm.

Von 2026 an sollen in Hessen neue Regeln für den Kommunalen Finanzausgleich (KFA) gelten. Mit Blick auf die aktuellen Beratungen will das kommunale Bündnis vor allem erreichen, dass die Mittel aus dem Finanzausgleich tatsächlich gemäß des Ausgabenzuwachses und der Kostensteigerungen in den einzelnen Kommunen verteilt werden. Konkret sollen so wachsende Städte mit vielen jungen Einwohnern in der Berechnung des KFA-Anteils besonders berücksichtigt werden. Offenbach gehört zu dieser Gruppe von Städten.

Weitere Gespräche in Wiesbaden sollen folgen

Die Kommunen mahnen zudem beim Bund an, das Problem der kommunalen Altschulden zu lösen. Das ist mit der Hessenkasse noch nicht gelöst, weil es dabei lediglich um die Übernahme der Kassenkredite ging.

Bundeskanzler Olaf Scholz hat zwar angekündigt, Finanzminister Jörg Kukies (beide SPD) werde noch vor der Bundestagswahl am 23. Februar eine entsprechende Gesetzesvorlage einbringen. Die Regelung in Berlin steht aber noch aus.

Das kommunale Aktionsbündnis wirbt dafür, dass die Fraktionen im Bundestag ungeachtet des Wahlkampfs gemeinsam eine solche Regelung vollziehen, um die kommunale Finanzkrise zu mildern, wie es in einer Mitteilung des Bündnisses weiter heißt.

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Bei den Gesprächen in Wiesbachen appellierten die Kommunalvertreter, über Parteigrenzen hinweg für die Altschuldenlösung des Bundes in Berlin zu werben. Mitte des Monats sollen weitere Gespräche in Wiesbaden folgen.  © Frankfurter Allgemeine Zeitung

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